Lass mich nicht allein

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Als ich wieder aufwache ist es stockdunkel. Ich kann kaum die Hand vor Augen sehen und ich zittere am ganzen Körper, so kalt ist mir.

Mit bebenden Fingern taste ich nach meinem Handy, doch das liegt sicher verwahrt in meiner Jacke in meinem Zimmer.

Vorsichtig ziehe ich mich an der Kante des Unterstandes hoch und komme auf wackeligen Füßen zum stehen. Doch als ich einen Schritt Richtung Leiter mache, stürze ich beinahe, weil ich meine Füße nicht mehr fühle.

Wie soll ich denn jetzt hier runter kommen?

Panik steigt in mir auf und am liebsten würde ich laut um Hilfe schreien, doch wer würde mich hier draußen schon hören?

Irgendwie muss ich es schaffen, meine Füße wieder so weit aufzutauen, das ich mit ihnen die Leiter herunter komme, oder ob ich mich einfach mit den Händen herunter hangeln soll?

Ob ich mich halten kann? Und wenn nicht?

Vorsichtig rutsche ich bis zur Leiter vor und schaue hinunter. Die Aussicht ist ernüchternd, denn wenn ich mich nicht halten kann stürze ich gut und gerne fünf Meter in die Tiefe. Und selbst wenn der Sturz auf den Acker vielleicht nicht tödlich ist, so werde ich sicher nicht heil davon kommen. Schlimmstenfalls breche ich mir ein Bein oder beide und dann kann ich nicht mal mehr ins Internat zurück laufen.

Ich muss versuchen wieder Gefühl in meine Füße zu bekommen, damit ich mich wenigstens etwas mit ihnen abstützen kann.

Mit Zitternden Fingern löse ich die Schleife und ziehe einen Schuh aus, dann beginne ich energisch meinen Fuß zu reiben.

Hektisch fahre ich mit den Händen vor und zurück und tatsächlich spüre ich nach einiger Zeit eine leichte Wärme, die nicht nur in meinen Fuß sondern auch in meine Hände fährt.

Doch während mein einer Fuß und meine Hände ein kleines bisschen auftauen und zu kribbeln beginnen kann ich es nicht verhindern, dass mir die Zähne vor Kälte aufeinander schlagen.

Vorsichtig bewege ich meine Zehen und freue mich darüber, das ich die Bewegung nicht nur sehen, sondern inzwischen auch wieder spüren kann. Und so mache ich mich an den Zweiten Fuß.

Als auch der soweit wieder warm ist, das ich die Zehen Spüre, ziehe ich die Schuhe wieder an und stehe vorsichtig auf. Noch immer bin ich wackelig auf den Beinen, aber immerhin kann ich jetzt wieder stehen.

An die Brüstung geklammert tappe ich im Unterstand hin und her, hopse vorsichtig auf der Stelle und schlage die Arme um mich, damit mir wieder wärmer wird, doch es hilft alles nichts.

Egal was ich auch versuche, die Kälte will einfach nicht aus meinen Knochen weichen.

Ob ich hier draußen erfrieren kann? Im Oktober? Bestimmt ist es nicht wärmer als vier oder fünf Grad. Vielleicht sollte ich lieber hier warten, bis es hell wird und erst dann versuchen ins Internat zurückkehren?

Aber wenn mir schon jetzt so kalt ist, wie kalt wird mir dann erst in ein paar Stunden sein? Und wenn ich noch Stunden in der Kälte ausharren muss, komme ich hier ganz sicher nicht mehr runter, denn schon jetzt merke ich, wie meine Füße nach und nach immer gefühlloser werden.

Vor Verzweiflung fange ich schon wieder an zu weinen.

"Mia! Du bist so dämlich!" schimpfe ich mich selbst. "Wo hast du dich hier nur schon wieder reingeritten?"

Erneut taste ich mich vorsichtig bis zur Leiter vor, dann lasse ich die Beine über den Rand hängen und taste mit den Füßen nach der ersten Sprosse.
Ich muss hier weg, auch wenn es bedeutet allein durch den dunklen Wald zu irren.

✔All I want is... YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt