Die Erkenntnis

1.4K 89 19
                                    


Die Zeit vergeht rasend schnell.

Habe ich das Gefühl, dass die Herbstferien gerade erst vergangen sind, so ist es leider bittere Realität, das genaugenommen die Weihnachtferien schon fast angefangen haben.

Was leider auch heißt, dass die Wohltätigkeitsveranstaltung direkt vor der Tür steht.

In den letzten Wochen, hatte ich eigentlich kaum Zeit für irgendetwas anderes außer Lernen, lernen und nochmal lernen.

Entweder ich lernte für die Schule, oder ich lernte für Herrn Müller.

Mein ganzer Tag bestand eigentlich nur noch aus lernen. Vor allem, da auch die ersten Zeugnisse anstanden, von denen ich hoffte, dass sie zum ersten mal wieder nicht nur aus vieren und fünfen bestehen würden, so sehr, wie ich mich ins Zeug gelegt hatte.

Doch trotz all der Lernerei und Überrei bemühte ich mich, so viel Zeit ich erübrigen konnte mit Ian zu verbringen, dabei hatte ich allerdings immer das Gefühl Mike zu hintergehen.

Und genauso war es andersherum. War ich an den Wochenenden zu Hause und traf mich mit Mike, so hatte ich ein schlechtes Gewissen, wegen Ian.

Dieses hin und her zerrte an meinen Nerven, vor allem weil Mike es scheinbar wirklich ernst meinte, mit der Chance. Er gab sich alle erdenkliche Mühe, seinen Fehler aus dem Sommer wieder gut zu machen.

Er lud mich zum Essen ein, fuhr mit mir zum Strand, wo er doch tatsächlich ein Picknick vorbereitet hatte, ging mit mir ins Kino und war einfach immer da. Genauso wie früher.

Er drängte mich nicht, ließ mich aber nicht daran zweifeln, wie sehr er mich liebte.

Sicher flirtete er mit mir, was das Zeug hielt, aber eines tat er nie. Er versuchte nicht mich zu küssen. Scheinbar hatte er es wirklich ernst gemeint, als er mir nach unserem ersten Treffen sagte, das er mich nicht Küssen würde, es sei denn, ich würde ihn darum bitten.

Und manchmal, wenn er sich mal wieder ganz besonders viel Mühe gegeben hatte, mir ein unvergessliches Wochenende zu bescheren, hatte ich sogar immer häufiger das Bedürfnis, genau das zu tun, doch ich tat es nicht.

Denn auch wenn ich mit Mike wirklich tolle Tage verbrachte, erwischte ich mich doch immer wieder dabei, wie ich an Ian dachte.

Ob er wohl gerade mit den Zwillingen und Lena ausritt, oder eines der Pferde Trainierte? Oder ob er wiedermal bis spät in die Nacht lernte, weil er unbedingt einen Einser durchschnitt in seinen Abschlusszeugnissen vorweisen wollte? Denn wie er mir erzählt hatte, wollte er im Sommer anfangen Medizin zu studieren.

Als mir unser Gespräch wieder einfällt, kann ich ein Schmunzeln nicht unterdrücken, denn als ich ihn nach dem Grund fragte warum ausgerechnet Medizin, zuckte er nur ausweichend mit den Schultern.

"Komm sag schon." forderte ich ihn auf. "Du hast doch sicher einen Grund dafür, warum du unbedingt Medizin studieren willst. Das ist doch voll das Klischee! Entweder Medizin oder BWL. Das machen doch so viele."

Er sah mich nachdenklich an, dann rieb er sich verlegen den Nacken, bevor er leise sagte.

"Wegen meiner Mum."

Bei seiner Antwort, verspürte ich einen kleinen Stich im Herzen, denn damit hatte ich nicht gerechnet.

"Weil du ihr nicht helfen konntest?" frage ich leise nach und legte tröstend meine Hand auf seinen Arm und drückte ihn aufmunternd.

"Ja. Wenn ich gewusst hätte..vielleicht..." begann er, ohne dann jedoch weiter zu sprechen.

"Ian, du hättest nichts tun können. Du warst doch nur ein Kind."

✔All I want is... YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt