Kapitel 9

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Mount Hood Lodge

Government Camp, Oregon

12:20 Uhr

Jennifer stellte ihr Mountainbike neben dem Hoteleingang ab und lächelte dem uniformierten Türsteher zu. Er würde ihr wertvolles Fahrrad im Auge behalten. Sie begrüßte ihn mit einem 'Hey Wally' und einem freundlichen Lächeln und betrat die Eingangshalle des Hotel. Mit den Natursteinen und den dunklen Balken hatte sie den rustikalen Anstrich, den man von einem Hotel in den Bergen erwartete. Über der Rezeption hing ein riesiges Foto des Mount Hood im Sonnenlicht und mitten im Raum erhob sich ein ausgestopfter Grizzlybär. Der geflieste Boden war mit einem weinroten Teppich belegt.

Sie nickte den beiden Damen hinter der Rezeption zu und setzte sich auf einen der braunen Ledersessel. Wie häufig während der Ferien war sie mit ihrer Mutter zum Lunch verabredet. Im Coffeeshop des Hotels gab es die besten Tuna Salad Sandwiches in ganz Oregon, behauptete man. Sie war zehn Minuten zu früh dran und griff nach einer der Zeitungen, die auf dem flachen Holztisch für die Gäste bereitlagen. "Kommen die Olympischen Winterspiele nach Oregon?", lautete die Schlagzeile. Darunter stand in kleineren Buchstaben: "Gouverneur Bardsley und NOC-Präsidentin Peggy Chang erwarten eine Abordnung des Internationalen Olympischen Komitees in Government Camp."

Das leise Zischen der Aufzugstür neben der Rezeption ließ Jennifer aufblicken. Ein Mädchen betrat die Lobby und blickte sich für einen Moment suchend um. Auf den ersten Blick sah sie ein, zwei Jahre älter aus, aber das mochte auch an ihrem übertriebenen Make-up, den gestylten kurzen Haaren und den modischen Klamotten liegen. Ein Glamourgirl, wie es im Buche stand, aufgedonnert wie ein Model, arrogant bis unter die Haarwurzeln und mit jenem geringschätzigen Blitzen in den Augen, das man bei einigen Citygirls sah, die sich in die Berge verirrten.

In ihrem rot- schwarzen Chucks stiefelte sie zur Rezeption und blieb vor einer der beiden Damen stehen. "Lisa Franklin aus Zimmer 263", stellte sie sich vor . Ihr kalifornischer Akzent war nicht zu überhören. "Würden Sie bitte den Manager rufen? Ich habe eine dringende Beschwerde vorzubringen."

"Der Manager ist leider außer Haus. Wenn ich Ihnen vielleicht..."

"Das will ich doch schwer hoffen", würgte Lisa sie ab. "Heute Morgen beim Duschen musste ich ewig auf das heiße Wasser warten. Dauert das hier immer so lange? Ich dachte, ich bin in einem modernen Vier-Sterne-Hotel."

"Tut mir leid, Miss, das ging heute Morgen leider nicht anders. Haben Sie denn unser nicht bekommen? Wir haben es in jedem Zimmer ausgelegt. Falls wir versäumt haben sollten, die info in ihrem Zimmer..."

"Ich lese doch nicht jeden Zettel durch", fuhr Lisa ihr über den Mund.

Jennifer bewunderte die Geduld der Angestellten. Wer an der Rezeption arbeitete, musste ständig lächeln und auch dann noch freundlich sein, wenn eine Zimtzicke wie diese Lisa wegen einer solchen Lappalie rumjammerte.

"Aber das ist noch nicht alles..."

"Ja, Miss?"

"In meinem Zimmer riecht es nach faulen Erdbeeren. Ganz recht, nach faulen Erdbeeren. Wie in einem billigen Motel. Ich nehme an, Sie verwenden billiges Putzmittel. Würden Sie mir bitte ein anderes Zimmer geben? Ich bin allergisch gegen solche Gerüche und kann das nicht ausstehen."

Das einstudierte Lächeln der Angestellten verschwand für einen Augenblick, kehrte aber sofort wieder zurück. "Das kann nicht sein, Miss. Wir verwenden nur hochwertige und vor allem geruchsneutrale Putzmittel. Wenn es nach..." Sie verzog den Mund."...faulen Erdbeeren roch, kam es bestimmt nicht von unserem Putzmittel gerne zeigen..."

"Ich möchte ein neues Zimmer haben." Sie klang trotzig.

Aus dem Büro, das hinter der Rezeption lag, kam ein Mann in einem dunkelblauen Anzug. Er war Mitte dreißig, wirkte überaus korrekt und sauber und wandte sich mit einem falschen Lächeln an das aufgebrachte Mädchen. "Ich bin Jeff Scott, der Manager", sagte er. "Kann ich Ihnen helfen, Miss?"

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt