Kapitel 48

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Slide Mountain

Mount Hood National Forest

16:23 Uhr

Sie hatten den Wald schon fast durchquert, als die Glutwolke kam. Sie rauschte in einer unglaublichen Geschwindigkeit von den Hängen des Vulkans herab, tödlich wie ein Hurrikan, fegte durch die Schluchten und Täler im Westen und hinterließ brennende Wälder und verbrannte Erde. Mit einigen Ausläufern erreichte sie den Wald am Slide Mountain und fuhr wie eine unsichtbare Stichflamme in die Bäume hinein.

Wie durch Zauberhand verwandelten sich die stattlichen Fichten in riesige Fackeln. Grelle Flammen schossen durch den Wald und breiteten sich rasend schnell nach allen Seiten aus. Lodernd und knisternd begannen sie ihr zerstörerisches Werk, bahnten sie sich einen Weg durch das verfilzte Dickicht.

Kayla fuhr entsetzt herum und ließ die Taschenlampe fallen.

"Lauft!", brüllte der Ranger. "Raus aus dem Wald!"

Sie rannten um ihr Leben. Mit dem Ranger in der Trage, kamen sie lange nicht so schnell vorwärts. Candy lief vornweg, genauso erschrocken wie seine zweibeinigen Begleiter, dahinter Kayla, dann Jennifer und die Jungen mit der Trage. Getrieben vom bedrohlichen Rauschen der Flammen und der beinahe unerträglichen Hitze hetzten sie dem Waldrand entgegen. Inzwischen spürten sie jeden Knochen und die Hände an der Trage verkrampften sich. Die Flammen verfolgten sie wie eine Herde hungriger Raubtiere, die sich von einem Baum zum nächsten hangelten und immer schneller vorankamen, in ihrer Gier auch Bäume übersprangen, nur um sie schneller einzuholen. Das Rauschen schwoll zu einem Dröhnen an, nicht wie bei einem gewöhnlichen Waldbrand, der von einem Blitzschlag oder einer glühenden Zigarette ausging, viel stärker und vernichtender, als wäre alles Feuer der Erde über dem Wald niedergegangen.

Die Angst ließ sie schneller rennen, als sie sich das jemals vorgestellt hätten. Über einen schmalen Pfad, den die Wildtiere in den Waldboden getrampelt hatten, hasteten sie dem Waldrand entgegen. Vor ihnen zwischen den Bäumen waren bereits helle Flecken zu erkennen. Sie liefen immer schneller, die schlanken Baumstämme der provisorischen Trage fest in den Händen. Selbst als Chris stolperte, wurden sie nicht langsamer. Rick stützte ihn rechtzeitig mit der Hand und sie brauchten nicht anzuhalten. Ranger Bosworth stöhnte vor Schmerz, aber das hörte in der Aufregung und im Prasseln der lodernden Flammen niemand.

Noch im einigermaßen sicheren Abstand vor dem Feuer erreichten sie den Waldrand. Doch die Glutwolke empfing sie schon, als sie die letzten Bäume hinter sich gelassen hatten. Nur wenn sie es weit genug schafften, waren sie wirklich sicher.

Verunsichert blieben sie kurz stehen. Vor ihnen lagen grasbewachsene Hügel, vor einigen Stunden noch mit bunten Wildblumen und jetzt mit einer schmutzigen Ascheschicht bedeckt, links ragten die Felsen der Slide Mountain in die Höhe, rechts wartete ein weiterer Wald. Auch dort standen einige Bäume in Flammen. Es schien kein Entkommen zu geben.

Jennifer flehte den Ranger mit ihren vom Rauch geröteten Augen an, ihnen einen Ausweg aus diesem Inferno zu zeigen. "Wohin?", krächzte sie. "Wohin, Ranger? Ich weiß nicht mehr weiter..." Sie war am Ende ihrer Kräfte.

Bosworth blickte sich angestrengt in der Umgebung um, eine Hand schützend über die Augen gelegt. Seine Schmerzen schien zu vergessen zu haben, zumindest für den Augblick. "Die Höhle", stieß er nach einer Weile hervor. "Natürlich, in den Felsen da drüben gibt es eine Höhle." Er quälte sich in eine sitzende Stelluung hoch und deutete zum Slide Mountain hinüber. "Ziemlich weit rechts, hinter dem Hügel mit der Krüppelkiefer. Gibt's den Baum noch?"

Jennifer folgte seinem Blick und erkannte die verkrüppelte Kiefer durch den Hitzeschleier, der über den Felsen waberte. "ich sehe sie. Weiter, Leute!"

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt