Kapitel 20

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Timberline Trail

Mount Hood National Forest

10:09 Uhr

Lisa war am Ende ihrer Kräfte. Der schwere Rucksack drückte und jeder Schritt bedeutete eine Qual. Etwas länger als drei Stunden waren sie schon unterwegs, nach einem flüchtigen Frühstück, das aus gekochten Eiern, Butterkeksen und schwarzen Kaffe bestanden hatte. Allein bei dem Gedanken an einen aufgeschäumten Caffé Latte Caramel bekam sie feuchte Augen.

Nicht mal ordentlich waschen hatte sie sich können. Das Wasser in dem schmalen Bach, in dessen Nähe sie gelagert hatten, war so kalt gewesen, dass ihr alle Lust dazu vergangen war. Sie hatte sich mit einer Katzenwäsche begnügt, etwas etwas Wasser in ihr Gesicht gespritzt und ihre Zähne mit dem wärmeren Wasser aus ihrer Feldflasche geputzt. Ihr Vorschlag, etwas was Wasser zu kochen und sich damit zu wascben, war auf allgemeines Gelächter gestoßen.

Ohne Make-up fühlte sie sich irgendwie nackt.Sie schminkte sich seit fast zwei Jahren, obwohl ihre Mutter erst streng dagegen gewesen war. Erst als sie ihr gesagt hatte, dass sich einige Mädchen an ihrer Schule schon viel länger schminken, hatte sie es erlaubt. Zum Glück hatte sie keinen Spiegel dabei. Sie erschrack jeden Abend, wenn sie sich ohne Make-up sah, ohne die Schminke sah sie viel zu jung aus. So wie die Cheerleader einer Profimannschaft musste man aussehen, die Dallas Cowboys Cheerleader waren ihr großer Traum. Wer da machen durfte, spielte in der Ersten Liga. Ein Team der Dallas Cowboy Cheerleaders reiste um die ganze Welt und trat in Großstätten wie London und Paris auf. Stattdessen hing sie in dieser gottverlassenen Gegend rum umd stapfte mühsam wie ein Muli über diesen elenden Trail.

Der Timberline Trail, auf dem sie sich inzwischen befanden, war der bekannteste Wanderweg am Mount Hood. Er führte um den Vulkan herum, schlängelte sich an der Baumgrenze entlang durch tiefe Schluchten und über reißende Bäche und galt als 'besonders anspruchsvoll'". Über vierzig Meilen war er lang. "Keine Angsg", hatte Ranger Bosworth sie während des Frühstücks beschwichtigt, "wir gehen zum Bald Mountain, das ist ungefähr ein Drittel."

Er hatte nicht gesagt, wie schwierig die Wanderung werden würde. Der Trail zog sich an einem geröllübersäten Steilhang entlang, es gab weder Bäume noch irgendetwas anderes, an dem man sich festhalten oder abstürzen konnte, nur scharfkantige Steine und endloses Geröll, das sich bei der geringsten Berührung bewegte. Ein falscher Schritg und man geriet ins Rutschen. Der Trail war so schmal, dass es einem schwerfiel, das Gleichgewicht zu halten, und sie konnten froh sein, dass es ein paar Tage nicht geregnet hatte und der knochentrockene Sandboden wenigstens einigermaßen stabil blieb. Auf der Nordseite des Berges sollte ein Abschnitt des Timberline Trails gesperrt sein, weil die Gefahr, auf dem morastigen Untergrund abzurutschen, zu groß war.

Lisa wagte nicht, in die Tiefe zu blicken. Weit unten machte der Rushing Creek seinem Namen alle Ehre, von der Gletscherschmelze angetrieben, rauschte eiskaltes Wasser das Kiesbett hinab. Der Trail führte in zahlreichen Windungen bis zum Fluss hinab. In knapp zwei Stunden würden sie das Ufer erreichen, hatte Ranger Bosworth versprochen, am jenseitigen Ufer würden sie die Mittagspause verbringen. Zwei Stunden, seufzte Lisa in Gedanken, zwei Stunden bis zum Fluss und , weiß Gott wie lange, auf der anderen Seite wieder nach obe. und in den nächsten Canyon, zum Sandy River.

Sie liefen schon den ganzen Morgen im Gänsemarsch, vor ihr ging Chris und hinter ihr Fletch. Weder mit dem einen noch mit dem anderen hatte sie auch nur ein Wort gewechselt. Wie ein kleines Mädchen hatten die beiden sie abgefertigt, als wäre sie eine von diesen grauen Mäusen aus diesem Kaff. Sollten sie doch bleiben wo der Pfeffer wächst! Sie war auf diese Blödmänner nicht angewiesen. Wer waren sie denn schon? Chris war ein biederer Provinzler, der mit großen Kuhaugen hinter dieser Dorfzicke von Jennifer herrannte, und Fletch, der konnte doch nur ausrasten und wie ein Blöder um sich schlagen. Sie würde diese farblosen Möchtegern-Kerle mi Missachtung strafen.

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt