Kapitel 11

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Wy'east Supermarket

Government Camp, Oregon

17:58 Uhr

Jennifer schob ihren Einkaufswagen durch die Regalreihen, füllte ihn mit den Dingen, die ihre Mutter auf einen Zettel notiert hatte, und griff nach Müsliriegeln, Traubenzucker, getrocknete Früchten, etwas Frischobst, Hartkäse, gekochten Eiern und Schokolade für ihren Rucksack. Am Morgen würde sie noch zwei Sandwiches und eine Wasserflasche herrichten.

Auf dem Weg zur Kasse sah sie Chris zur Tür hereinkommen. Er trug einen dunkelblauen Jogginganzug und blieb vor den Äpfeln und Birnen in der Obstabteilung stehen. Die Entscheidung zwischen den verschiedenen Sorten fiel ihm anscheinend genauso schwer wie ihr. Sie wollte auf ihn zugehen und hatte bereits den Mund geöffnet, um nach ihm zu rufen, als das Mädchen aus der Hotellobby, Lisa Franklin, mit ihrem Wagen aus dem Nachbargang auftauchte und ihn lächelnd begrüßte.

Jennifer zog sich rasch hinter einen Stapel mit abgepackten Cola-Zwölferpacks zurück und beobachtete die beiden wie ein Spion durch einen breiten Spalt zwischen einem Regal und den Zwölferpacks. Weder Lisa noch Chris konnten sie sehen. Auch das Mädchen hatte sich umgezogen, trug ein petrolfarbenes T-Shirt mit dem Glitzeraufdruck 'Beverly Hills', schwarze Leggins, die eine Handbreite über ihren ebenfalls petrolfarbenen Laufschuhen endete, und einen kurzen Jeansrock darüber. Für eine Gegend am Mount Hood völlig unpassend.

"Hey", sagte sie zu ihm, "kennen wir uns nicht?"

Die einfallsloseste Anmache der Welt, dachte Jennifer, nur hörte man die meist von Jungen, die zu faul waren, sich was Originelles auszudenken. Dass eine arrogante Zicke wie Lisa so was sagte, wäre ihr nicht im Traum eingefallen.

Chris dachte wohl ähnlich. "Wie...sprichst du mit mir?

"Mit wem denn sonst?" Sie kicherte leise. "Ich hab dich bei der Ranger Station gesehen. Sag bloß, du bist morgen auf der Wanderung auch dabei?"

Er betrachtete sie neugierig. "Du etwa auch?"

"Wird sich wohl nicht vermeiden lassen", erwiderte sie. "Meine Eltern würden mich vierteilen, wenn ich nicht mitmache." Sie rümpfte die Nase. "Als ob ich mir jemals was aus den Bergen gemacht hätte. Ich komme aus L.A., da haben wir was Besseres zu tun, als in aller Herrgottsfrühe in den Felsen rumzuklettern und in die Gegend zu glotzen." Sie stützte sich mit den Unterarmen auf ihren Einkaufswagen. "Du siehst auch nicht wie ein Wandervogel aus..."

Sie machte ihn hemmungslos an, stützte sich so auf den Einkaufswagen, dass sich ihre nackten Unterarme mit dem goldenen Kettchen am rechten Handgelenk verführerisch spannten, hielt ihre Beine so gerade wie ein Model und funkelte verführerisch mit den Augen. Auch jetzt am frühen Abend war sie noch perfekt gestylt. Jennifer vermutete, dass sie mehrmals am Tag das Make-up erneuerte.

Chris ließ sich von ihr beeindrucken, blieb mit seinen Blicken länger an ihren nackten Armen hängen, als Jennifer lieb war, und errötete sogar. Dennoch reagierte er einigermaßen kühl. "Was hast du gegen Wandern? Ist doch ganz schön, mal aus dem Großstadtmief herauszukommen. Ich komme aus Portland, da geht es noch einigermaßen, aber in L.A. ist der Smog so dick, dass du kaum die Hand vor Augen siehst. Hier kannst du endlich mal durchatmen."

"Hey...sag bloß du bist auch ein Naturfreak."

"Na, das lässt sich wohl nicht vermeiden, wenn man fotografiert."

"Echt?" Sie stellte sich in Pose und lächelte ihn herausfordernd an. "Wie wär's, wenn du mich mal fotografierst? So im Studio mit allem Drum und Dran. Wenn du das Foto verkaufst, werden wir vielleicht beide berühmt Ich jette als Supermodel von einem Shooting zum anderen und du arbeitest Für Vogue und Harper's Bazaar und wie die Blätter alle heißen. Wer weiß, vielleicht kommen wir beide ganz groß raus."

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt