Kapitel 29

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Starbuck's

Vancouver, Washington

7:40 Uhr

David White verließ den Coffeeshop mit einem Caffé und kehrte zu seinem Wagen zurück. Erschöpft setzte er sich hinters Steuer. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht brauchte er einen zweiten Kaffee, um wieder in Fahrt zu kommen. Er legte eine Hand aufs Lenkrad und genoss den ersten heißen Schluck.

Seine Stimmung war nicht die beste. Vom Chef beurlaubt zu werden, kam beinahe einer Abmahnung gleich, und ihn mit einer wahnwitzigen Hochrechnung belehren zu wollen, würden viele seine Kollegen als 'beruflichen Selbstmord' bezeichnen. Als Young Professional, der vor einem Jahr noch auf dem College gewesen war, tat man seine Arbeit und schwieg. Nicht einmal ein anerkannter Wissenschaftler würde sich mit einer genauen Voraussage, wie er sie getroffen hatte, an die Öffentlichkeit wagen. Niemand schaffte es, den Ausbruch eines lange schläfrigen Vulkans auf die Minute zu bestimmen.

Auch deshalb hatte er die halbe Nacht über seine Hochrechnung gesessen und war jeden einzelnen Vorgang noch einmal durchgegangen, immer mit demselben Ergebnis: Heute um 12 Uhr 48 würde der Mount Hood mit ähnlicher Gewalt wie vor dreißig Jahren der Mount St. Helens ausbrechen. Das wäre eine kleine Sensation, vorausgesetzt seine Berechnungen basieren nicht auf falschen Tatsachen und er völlig auf dem Holzweg.

So etwas verhindern zu können, der Natur mithilfe der Technik und ihren genauen Messgeräten einen Schritt voraus zu sein, war immer sein Ziel gewesen. Natürlich gab es einige Unbekannte in seiner Rechnung, und jeder erfahrene Wissenschaftler würde sich hüten, mit einer solchen Voraussage an die Öffentlichkeit zu treten, aber die Möglichkeit, dass er recht hatte, bestand immerhin, und er wollte nicht derjenige sein, den man später für die Katastrophe verantwortlich machte. Man würde über ihn herfallen und mit den Fingern auf ihn deuten: Warum haben Sie so etwas zugelassen? Aus Angst, Ihren Job zu verlieren? Haben Sie so wenig Rückgrat? Als man die Datei aus Ihrem Computer entfernte, hätten Sie doch wissen müssen, dass irgendetwas faul war. Warum waren Sie so feige?

White stellte seinen Becher in die Halterung und griff nach seinem Handy. Er wählte die Nummer, die er mehrmals am vergangenen Abend und auch an diesem Morgen gewählt hatte, nur unterbrach er die Verbindung diesmal nicht und ließ es klingeln. Mit klopfendem Herzen wartete er ab. "Emily Nolan ", meldete sich eine Frauenstimme.

"Mrs Nolan? Hier spricht David White vom CVO."

Mehrere Sekunden vergingen, bis sie antwortete. "Mister White...ja, natürlich. Warten Sie, ich gehe mal kurz vor die Tür. Man hat Sie auf meinem Privathandy im Hotel weitergeleitet. Ich arbeite in der Mount Hood Lodge."

White hörte Schritte und andere Geräusche, dann meldete sich die Frau erneut: "Ja Mister White?" Ihre Stimme klang besorgt. "Was gibt es denn?"

"Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe", ging er sofort in die Defensive. "Ich sollte Sie eigentlich gar nicht anrufen. Ich bin erst seit einem halben Jahr bei CVO und verfüge sicher nicht über das Wissen und die Kompetenz der anerkannten Wissenschaftler, die seit Jahren an unserem Observatorium arbeiten. Laut meinem Arbeitsvertrag ist es mir verboten, mit unbestätigten Messungen und Meldungen an die Öffentlichkeit zu gehen oder Panik zu verbreiben , und allein das würde schon genügen, um mich zu feuern und es mir unmöglich zu machen, jemals wieder eine Anstellung in meiner Branche zu finden, Beurlaubt hat man mich schon. Ich möchte Sie deshalb auch bitten, alles, was ich sage, mit der nötigen Zurückhaltung zu betrachten und eventuell gleich wieder zu vergessen. Aber..." Er zögerte etwas. "Nach dem, was Sie mir am Telefon gesagt haben, musste ich Sie einfach anrufen, Mrs Nolan."

"Was wollen Sie mir sagen, Mister White?" Ihre Stimme klang ernst. Hoffentlich hatte sie seinen verworren Ausführung überhaupt folgen können.

"Nun, ja..." Er überlegte krampfhaft, wie er es am wenigsten dramatisch klingen lassen konnte. "Sie haben gestern am Telefon von einem Indianer gesprochen, der behauptet, der Mount Hood würde in Kürze ausbrechen..."

"Ja?" Sie dehnte das Wort.

"Ich habe eine Hochrechnung angestellt, Mrs Nolan. Keine Rechnung, die irgendeiner seriösen Wissenschaften Überprüfung standhalten würde, weil sie mit zu vielen Unbekannten und Unwägbarkeiten belastet ist, aber ich habe mehrmals nachgerechnet und bin immer zu demselben Ergebnis gekommen. Wie gesagt, ein sehr vages Ergebnis. Mein Chef war nicht gerade begeistert, als ich ihm die Rechnung zeigte, und hätte sie mir wohl am liebsten um die Ohren gehauen. Es wäre fahrlässig, damit eine Panik auszulösen. Ich bin mir selbst nicht sicher, Mrs Nolan, und wenn Sie gestern nicht angerufen und von diesem Indianer erzählt hätten...das ist schon ein seltsamer Zufall. Also..."

"Nun sagen Sie schon, Mister White, denn ich verstehe im Moment noch gar nichts", unterbrach sie ihn.

Er holte Luft. "Nach meiner Berechnung...einer sehr vagen Berechnung, wie ich zugeben muss...bricht der Mount Hood heute um 12 Uhr 48 aus."

Am anderen Ende herrschte betretende Stille. Nur der Verkehrsalarm im Hintergrund war zu hören. "Mrs Nolan? Sind Sie noch dran?"

"Jennifer...mein Gott! Sie ist noch oben. Die Gruppe. Der Ranger." Im Hintergrund erklang die Sirene einer Streifenwagens. "Ich muss sie zurückholen! Ich muss sofort los!"

"Tun Sie nichts Unüberlegtes, Mrs Nolan."

"Wie bitte?" Ihre Stimme klang plötzlich hysterisch. "Sie sagen mir, dass in drei Stunden der Mount Hood ausbricht, und ich soll nichts Unüberlegtes tun? Meine Tochter befindet sich in Lebensgefahr! Sie, sechs andere Jugendliche und der Ranger. Soll ich ins Hotel zurückgehen und so tun, als wäre nichts gewesen? Den Teufel werde ich tun, Mister White! Sagen Sie Ihrem Chef, dass es ernst ist, dass sich der Indianer so was nicht aus den Fingern saugt. Geben Sie Alarm! Rufen Sie die Presse an! Tun Sie irgendwas, nur tun Sie es bald!"

Sie brach das Gespräch ab und er war wieder allein in seinem Wagen. Er steckte sein Handy weg und nippte nachdenklich an seinem Caffè Latte. Dann startete er unvermittelt den Motor und fuhr los.

Und wieder Voten, kommies.... :D und danke an die ganzen Leser *_*

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt