Kapitel 39

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Timberline Trail

Mount Hood National Forest

13:12 Uhr

Jennifer und die Zwillinge kletterten den Hang zu Ranger Bosworth hinab. Chris folgte ihnen, er schüttelte nur den Kopf, als sie ihn wegen seiner Beule daran hindern wollte. Zusammen schleppten, trugen und schoben sie ihn den steilen Geröllhang hinauf. Jede Bewegung bereitete dem Ranger höllische Schmerzen und trieb ihn mehrere Male an den Rand einer Ohnmacht. Alle paar Schritte mussten sie länger Pausen einlegen, bis er neuer Kraft gesammelt hatte. Wahrscheinlich war der Bruch viel komplizierter, als sie alle annahmen, überlegte Jennifer, ein anderer würde das gar nicht aushalten. Er war hart im Nehmen.

Auf dem Trail blieben sie schwer atmend stehen. Ihre Blicke, auch die des Rangers , richteten sich auf den Mount Hood, der wie ein bedrohliches Denkmal aus dem zerklüfteten Land ragte. An seinen Flanken war glühendes Magma zu erkennen. Aus dem Krater drangen Asche und wallende Dampfwolken, hüllten den Berg mit dunklen Schleiern ein. Auf der Südseite leuchteten dagegen immer noch einige Gletscher, als hätte es den heftigen Ausbruch niemals gegeben.

"Wir haben Glück", sagte der Ranger. Seine verkniffenen Miene und seine holprige Aussprache zeigten, wie stark seine Schmerzen waren. "Der Ausbruch ist nicht so stark wie damals am Mount St. Helens Wenn es so wäre, hätten wir keine Chance mehr oder wir wären längst tot. Solange der Wind nach Norden oder Osten bläst, stehen unsere Chancen einigermaßen gut. Chris, ich beauftrage dich jetzt, die Windrichtung zu beobachten. Orientiere dich an den Rausäulen der brennenden Fichten dort drüben und verfolge die Aschewolke über dem Krater." Er blickte Jennifer eindringlich an. "Wenn ihr mich zurücklassen würdet, ständen die Chancen sogar noch besser. Ich schaffe das schon alleine oder einer der Chopper sammelt mich ein."

"Weder das eine noch das andere", erwiderte sie bestimmt. "So eine Trage ist schnell gebaut, das hab ich auch im Erste-Hilfe-Kurs gelernt. Und auf den Hubschrauber können wir uns nicht verlassen, das haben Sie selbst gesagt."

Vom Mount Hood drang ein dumpfes Grollen herüber und sie sahen, wie ein neuer Ascheschwall nach oben schoss und mit dem böigen Wind nach Nordosten wehte. Auch mit bloßem Auge erkannte man, wie sich Gestein vom Kraterrand löste und über die steilen Flanken in die Tiefe prasselte. Chris blickte durch den Sucher seiner Kamera und drückte auf den Auslöser, als sich Eisbrocken von einem Gletscher lösten und tosend ins Tal stürzten.

"Wenn ich nur wüsste, wo Mike und Lisa sind", sagte Ranger Bosworth. Er hatte einen Arm um Jennifers Schultern gelegt und hielt sich an ihr fest.

"Im Wald waren si nicht." Jennifer konnte ihn kaum noch halten, sagte aber nichts. "Also müssen sie weiter unten sein, vielleicht schon am Sandy River. Mike kennt sich doch mit Vulkanen aus, der weiß bestimmt, was zu tun ist."

"Wir hätten besser auf sie aufpassen sollen."

"Damit konnte doch keiner rechnen."

"ich werde mir ewig Vorwürfe machen..."

Fletcher kehrte mit der Plane zurück. Klugerweise hatte er auch zwei dicke Äste und die Lederschnüre aus Mikes Rucksack mitgebracht. "Wenn man nicht alle selber macht", tönte er. Er breitete die Zeltplane auf dem Boden aus und legte zu beiden Längsseiten die Baumstämme darauf. "Das haben wir gleich, Ranger. Man muss nur die richtigen Leute ranlassen."

"Gib nicht so an", sagte Jennifer. "Mach lieber voran!"

"Lass mich nur machen!"

Fletcher schob die stabilen Lederschnüre durch die genieteten Löcher in der Zeltplane und verknotete sie fest mit den Ästen. "So müsste es gehen", sagte er. "Legen Sie sich drauf, Ranger! Ich hab mal einen Actionfilm gesehen, da haben sie es genauso gemacht. Drei Soldaten, die im Dschungel von Vietnam eine Bruchlandung hingelegt hatten, Einer brach sich beide Beine, den schleppten sie mit so einer Trage durch das halbe Land. Was ist Ranger?"

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt