Kapitel 42

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Sandy River

Mount Hood National Forest

13:32 Uhr

Oberhalb des Sandy Rivers blieben sie entsetzt stehen. Die schmale Holzbrücke, die über das leere Flussbett geführt hatte, war eingebrochen und auf ihrer Seite nicht mehr zu sehen. Am Steilufer gegenüber baumelte ein kümmerlicher Rest, nur noch von einem gesplitterten Balken gehalten, ins Tal hinab.

Ein Teil des keilförmig eingeschnittenen Tales war mit den Überresten der gewaltigen Schutt- und Schlammlawine, die nach dem Vulkanausbruch durch das Tal gerauscht war, ausgefüllt. An manchen Stellen war die dicke Schicht aus zähem Schlamm, brackigem Schmelzwasser und riesigen Felsbrocken, die von der lawine mitgerissen worden waren, über die Ufer geschwappt. Es war unmöglich, ohne eine Brücke auf die andere Seite zu kommen.

Sie setzten die Trage mit dem verletzten Ranger ab und blickten ratlos auf den blockierten Trail hinab. Keiner sagte etwas, auch Bosworth nicht, nur Candy lief enttäuscht hin und her, als wüsste er genau, in welcher verzweifelten Lage sie sich befanden. Kayla und Rick hielten sich an den Händen. Jennifer, Chris und Fletcher hatten die Hände zu Fäusten geballt. Candy lief unruhig am Steilufer auf und ab und blieb bei Fletcher stehen, drängte sich an sein rechtes Bein und blickte fragend zu ihm hinauf.

"Wenn ich nur wüsste, ob sie die Helis überhaupt schon losgeschickt haben?", sagte Ranger Bosworth, der nur mühsam seine starken schmerzen unterdrückte. Das Aspirin kam kaum noch dagegen an. "Sie müssten doch längst unterwegs sein."

Jennifer blickte über die Schlucht hinweg. "Die mussten vielleicht umkehren, als der Vulkan ausbrach. Und jetzt dürfen sie nicht mehr hoch...oder müssen warten, bis sie bessere Sicht haben oder der Wind besser steht, was weiß ich. Wenn wir das Funkgerät noch hätten, könnten wir unten fragen."

"Das Ding war sowieso hin", erwiderte Fletcher grimmig.

"Der Ranger hätte es repariert, dann wär's wieder gegangen." Chris funkelte den Jungen wütend an. "Aber du musstest ja wieder den Hengst spielen. Als wenn wir nicht schon genug Probleme hätten, du Schwachkopf!"

Fletcher vertrieb den Hund mit einem Fußtritt und funkelte Chris an. "Und du? Spielst den großen Mann, dabei hat deine superschlaue Freundin dich längst überflügelt und selbst das Kommando übernommen!" Er bedachte Jennifer mit einem geringschätzigen Blick. "Lässt dich wohl gern von Landeiern rumkommandieren, was?"

"Jennifer kennt sich hier nun mal am besten aus."

"Sie ist eine Klugscheißerin, weiter nichts!"

Chris ging auf den Jungen los und packte ihm am Kragen. "Das sagst du nicht noch einmal, hörst du? Sonst zeig ich dir, wer hier ein Klugscheißer ist!"

"Immer mit der Ruhe!", ermahnte Ranger Bosworth müde die beiden Streithähne. "Wir haben jetzt wirklich andere Sorgen. Euch gegenseitig verprügeln und euch um Jennifer streiten könnt ihr, wenn wir heil wieder unten sind."

"Da hab ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden", sagte Jennifer grimmig.

Die Zwillinge waren zur Seite getreten, als wollten sie den anderen zeigen, dass sie nichts mit dem Streit zu tun haben wollten, und tuschelten leise miteinander. Candy blickte Fletcher an und legte den Kopf schief, er hätte wohl gern gewusst, warum der Junge ständig aus rastete. Er blieb neben Fletcher stehen.

Ranger Bosworth stemmte sich auf die Unterarme und drehte sich zum Mount Hood um. Er sah unverändert aus. Wie ein bedrohlicher Atompilz thronte die Aschewolke über seinem zerklüfteten Krater. Obwohl der Wind günstig stand, trieben auch jetzt dunkle Wolken und glühende Feuerpartikel zu ihnen hinab."Wir können nicht auf den Hubschrauber warten", sagte er. "Wenn sie keine Starterlaubnis bekommen und der Wind dreht oder auffrischt, sitzen wir in der Falle." Er blickte den Fluss hinauf. "Ungefähr eine halbe Meile von hier, an einer schmalen Stelle, gibt es eine zweite Brücke. Brücke ist übertrieben...ein Baumstamm, den wir für Notfälle über diese schmale Stelle am Fluss gelegt haben. Die Überquerung ist nicht ganz ungefährlich, würde uns aber viel Zeit sparen...durch die Schlucht bräuchtet ihr mindestens einen halben Tag."

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt