Kapitel 30

227 12 0
                                    

Zigzag Ranger Station

Zigzag, Oregon

8:02 Uhr

Emily fuhr mit quietschenden Reifen vom Highway ab und lenkte ihren Explorer vor das Rangerbüro. Noch unter dem Eindruck der beängstigenden Meldung, die sie von David White bekommen hatte, rannte sie die Stufen hoch und betrat das Gebäude.

"Emily!", rief Maggie Wilkerson erstaunt. Die Rangerin stand hinter dem hufeisenförmigen Infotisch und war gerade dabei, eine Landkarte vor einigen Touristen auszubreiten. In den Regalen an den Wänden lagen Prospekte. "Hast du Urlaub? Ranger Bosworth und seine Gruppe sind noch unterwegs."

"Ist Ranger Bannister in seinem Büro?"

"Ja, aber er hat gerade keine Zeit..."

Emily stürmte an ihr vorbei in den schmalen Flur und trat, ohne zu klopfen, in das Büro von Ranger Bannister. Der Ranger hob den Kopf und blickte sie erstaunt an. "Mrs Nolan! Was ist denn mit Ihnen los? Gibt es einen Notfall?"

"Der Mount Hood bricht aus! Um 12 Uhr 48!"

"Wie bitte?"

"Der Mount Hood! Um 12 Uhr 48!" Sie berichtete in knappen Worten von ihrer Begegnung mit dem greisen Indianer und dem Anruf von David White.

Ranger Bannister, ein etwas träger Mann in den dreißigern, der lange auf einer entlegenen Station in Montana und Wyoming stationiert gewesen war und am glücklichsten war, wenn er im Büro arbeiten konnte, hörte geduldig zu.

"Beruhigen Sie sich, Mrs Nolan", sagte er anschließend.

Emily stand mit gerötetem Gesicht vor ihm, die Hände auf seinen Schreibtisch gestützt. "Aber wir haben keine Zeit mehr, Ranger!" Sie deutete auf die silberne Armbanduhr an seinem Handgelenk. "Noch knapp fünf Stunden!"

"Nun setzen Sie sich doch erst mal, Mrs Nolan." Er wies auf seinen Besuchersessel und lächelte zufrieden, als sie sich setzte, wenn auch nur auf den vordersten Rand des Sessels. "Nur, damit ich Sie richtig verstehe: Ein alter Indianer hat Sie besucht und Ihnen prophezeit, dass irgendwann in nächster Zukunft der Mount Hood ausbricht. Und ein junger Mitarbeiter des CVO, der von seinem Chef wegen irgendwelcher Verfehlungen beurlaubt wurde, nennt Ihnen sogar den Tag und die genaue Zeit des Ausbruchs. Richtig? "

"Richtig." Sie beugte sich nach vorn. "Ich weiß selbst, wie verrückt das klingt, aber irgendwas muss dran sein. Warum sollten der Indianer und David White denn sonst so was behaupten? Zur gleichen Zeit und ohne, dass sie voneinander wussten! Die saugen sich doch so was nicht aus den Fingern!"

"Und warum kommen die ausgerechnet zu Ihnen?"

"Der Indianer..." Sie wagte es kaum, den Gedanken auszusprechen. "...der Indianer hatte von mir geträumt...und er kannte mich vom Sehen. Vor mir hatte er schon einige Leute an der Tankstelle gewarnt, aber niemand wollte ihm glauben. Sie wissen ja, wie die meisten Leute über die Indianer denken. Und David White..." Sie hätte es am liebsten für sich behalten. "Nachdem der Indianer bei mir war, habe ich das CVO angerufen. Ich wollte wissen, ob an dem, was er mir erzählte, irgendwas dran war. Ich bekam zufällig David White an den Apparat. Er schien mir auch nicht zu glauben. Aber vor ein paar Minuten rief er mich an und sagte mir...aber das wissen Sie ja inzwischen."

Der Ranger unterdrückte mühsam ein Lächeln. "Wenn irgendwas an dieser Prophezeiung oder Hochrechnung..." Er betonte beide Wörter."...wenn irgendwas dran wäre, hätte uns das CVO doch längst informiert. Leute wie der greise Indianer und der junge Wichtigtuer wie dieser...dieser David White gibt es immer wieder. Ich bin schon einige Jahre im Geschäft, Mrs Nolan, und glauben Sie mir, solche Leute kommen mir alle paar Jahre unter. In Montana wollte mir mal ein junger Feuerspringer weismachen, es gäbe einen riesigen Waldbrand, und dann regnete es Wochenlang, und in Wyoming war auch ein Indianer bei mir, der sagte eine große Flut voraus, und dann war es wochenlang knochentrocken. Kein Grund, sich aufzuregen. Ich verstehe Ihre Unruhe und Ihre Besorgnis, aber es gibt wirklich nichts, was auf einen baldigen Ausbruch des Mount Hood hindeutet. Heute Morgen gab e ein leichtes Erdbeben in den Bergen, aber das war auch alles. Nichts Ernstes, hier unten war kaum etwas davon zu bemerken. Und Sie werden lachen, auch ich habe heute schon dem CVO telefoniert und von Mister Sampson höchstpersönlich erfahren, dass es nicht den geringsten Grund gäbe, sich Sorgen zu machen. Entspannen Sie sich, Ma'am. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?"

"Ein Erdbeben?", überhörte sie seine Frage. "Sind die Kinder okay?"

"Alles im grünen Bereich, Mrs Nolan. Ich habe vorhin mit Ranger Bosworth gesprochen. In den Wäldern war das Beben etwas heftig, aber sonst ist wenig passiert. Die Wandergruppe ist wohlauf. Der Chef des CVO hat mir ausdrücklich bestätigt, dass es sich bei dem Erdbeben um eine einmalige Sache handelt und keine weiteren Erschütterungen zu befürchten wären." Er strahlte zufrieden. "Sie sehen, die ganze Aufregung war umsonst. So, und jetzt muss ich leider wieder an die Arbeit. Der Gouverneur und die Herren vom IOC wollen sich hier etwas umsehen. Wenn Sie mich entschuldigen..."

Emily erhob sich wiederwillig. "Könnte ich mit Ranger Bosworth und meiner Tochter über Funk reden? Ich möchte, dass Jennifer sofort umkehrt."

"Das geht leider nicht, Mrs Nolan."

"Warum nicht?"

"Weil ich keine Panik will. Wenn sich das Gerücht herumspricht, dass um 12 Uhr 48 der Mount Hood ausbricht, ist doch hier Teufel los. Auch dann, wenn es nicht stimmt. Wenn Sie verantwortungsvoll handeln wollen, gehen Sie ins Hotel zurück und arbeiten weiter...und erzählen niemandem von dem blödsinnigen Anruf."

"Und wenn es doch stimmt? Wenn der Mount Hood ausbricht?"

"Das sind doch Fantasiegespinste. Er bricht nicht aus."

"Und wenn doch?"

Die Tür ging auf und Maggie Wilkerson streckte den Kopf herein. "Entschuldigung, aber der Gouverneur und die Herren vom IOC sind hier..."

"Ich komme, Maggie."

Emily stand wortlos auf und verließ das Zimmer. Sie nickte dem Gouverneur und den Herren des IOC in der Eingangshalle zu und verließ das Haus.

Hey :D Voten, Kommies und Werbung, bitte. :D

12:48 Die Katastrophe beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt