Chapter 1~Todesblick

8.8K 606 42
                                    

„Konzentrier dich, Sheya."
Ich versuchte es ja.
Doch er ging mir einfach nicht aus dem Kopf.
Die leuchtend grünen Augen.
Die starken Hände die die Bettdecke zerknüllten, wenn er sich mit seinen starken Oberarmen über mir abstützte.
Seine nähe und die pulsierende Energie zwischen uns, bevor wir in wilden Küssen versanken. Hach, ich könnte in diesem Bett leben...
„Sheya so geht das nicht. Du bist mit deinen Gedanken völlig wo anders."
Lexa schnippte mit ihren ringbesetzten Fingern vor meinem Gesicht herum und ich blinzelte.
Sofort wurde ich Feuerrot.
„Ja Sheya. Konzentrier dich."
Kam es von Hunter, der uns an der Wand anlehnend zusah und ein fettes Grinsen auf den Lippen hatte.
Angesäuert zeigte ich dem heissen Mann an meiner Seite den Finger und seufzte dann.
„Tut mir leid eure Majestät...ich reisse mich zusammen."
Lexa war in ein goldenes Gewand gehüllt, ihre braunen haare kunstvoll gelockt und eine goldene Krone zierte ihr Haupt.
Es war eine gute Entscheidung gewesen, sie zur Königin der Blutstadt zu machen.
Seit ihrem Antritt als Herrscherin vor sechs Monaten, hatte es keine Toten mehr gegeben.
Nicht einen.
Sie hatte Frieden in die Völker gebracht und die Hexen, die dem Namenlosen gehorcht hatten in die Verbannung geschickt, ausser sie wollten ihre Taten durch gemeinnützige Arbeit wieder gut machen.
Nur ein kleiner Tag wählte ersteres.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, du musst mich nicht so nennen."
Ich grinste meine neu gewonnene Freundin an und schüttelte den Kopf.
„Ich muss als gutes Vorbild voran gehen, wenn ich will dass mein Volk dasselbe tut."
Sie legte die Stirn in Falten.
„Sie sind immer noch unzufrieden, dass du sie dazu gebracht hast, mich als Königin anzuerkennen?"
Ich winkte schnell ab.
„Das klärt sich schon, sie brauchen nur noch eine Weile."
Hinter mit ertönte Hunters Glucksen.
„Genau. Deswegen haben sie sich ja auch in den Wald zurückgezogen und ihre Anführerin mit nur drei Wachen zurückgelassen."
Ich warf ihm einen strengen Blick zu.
„Nicht hilfreich" sollte dieser ausdrücken, doch er kam nur ganz gelassen auf mich zu und legte mir die schweren Hände auf die Schultern.
Wenn man bedachte wo sie sich sonst noch aufgehalten hatten...
Sofort lief ich wieder rot an und Lexa verengte die Augen.
„Elafrÿs sind nicht dafür geschaffen, Untertan zu sein. Sie haben das schon einmal klar gestellt."
Ich fuhr auf und riss die Hände meines Freundes von mir runter.
„Ich habe es im Griff, okay? Vertraut mir."
Naja das stimmte sogar. Halbwegs.
Seit dem Rückzug der Elafrÿs zurück in unser Dorf im Wald, wurde ich von meinen Boten täglich auf dem Laufenden gehalten.
Es passierte nicht viel, und wenn es doch einmal Aufregung gab, dann spürte ich das sowieso durch diese abgefrackte Verbindung, über die bereits beim Moment meines Erwachens am Morgen, hunderte Gefühle auf mich einströmten.
Manchmal konnte ich stundenlang nur rumliegen, bis ich diese Kraft wieder runter gerungen hatte und wieder die alte Sheya mit ihren eigenen Gefühlen hervor kam.
Meist versüsste mir Hunter diese Stunden ungemein.
„Ich wüsste gerne, woran du denkst, Wölfchen."
Murmelte er dunkel in mein Ohr und ich biss mir auf die Lippe.
Oh ja, darauf wettete ich.
„Sicherlich nicht an dich."
Ich konnte sein Grinsen erahnen, als seine Lippen mein Ohr streiften.
„Red dir das nur weiter ein."
Ich schauderte und Lexa warf die Hände hoch, sodass die Wachen vor der Türe sich sofort gerader hinstellten.
Königswachen eben.
„Okay, Sheya wir machen morgen weiter. Du machat keinerlei Fortschritte."
Ich lächelte etwas verlegen und nickte.
„Verzeihung, Hoheit."
Lexa seufzte und nickte uns noch einmal zu, bevor sie den leeren und gepolsterten Raum verliess.
Die goldene Schleppe ihres Mantels raschelte über den Boden.
Als die Türe hinter ihr ins Schloss fiel, drehte ich mich ruckartig um.
„Verdammt Hunter, ich hab mich richtig vor ihr blamiert!"
Er gluckste und strich ein Haar aus meinem Gesicht.
„Ja, hast du. Und ich war live dabei. Heute ist mein Glückstag, würde ich sagen."
Ich schnaufte schwer und starrte aus dem Fenster, auf die goldenen Dächer der Blutstadt, die mittlerweile wieder ihren Alltag gefunden hatte.
„Meiner definitiv nicht."
„Das sah aber heute Morgen noch anders aus, als ich..."
„Halt die Klappe du Idiot!"
Mit feuerroten Wangen stapfte ich an meinem unglaublich heissen Freund vorbei, der es trotz unserer neuen, tollen Verbindung schaffte, mich regelmässig auf die Palme zu bringen.
Ich riss die Türe auf und entschuldigte mich darauf schnell bei zwei Ministern, deren dunkle Mantel ihre ganzen Arme verhüllten.
Tadelnd warfen sie mir ihre arroganten Blicke zu und liefen dann leise plappernd weiter.
„Schnösel." murmelte ich ihnen hinterher.
„Das ist aber nicht sehr nett von dir."
Ich stiess ihn hinter mir weg.
„Du bist nicht nett."
Er lachte und griff nach meiner Hand.
Nicht fest, aber bestimmt.
„Oh doch, das bin ich."
„Na gut, vielleicht ein klein wenig."
Gestand ich ihm zu und lief dann auf mein Zimmer zu.
„Es ist nicht einfach, was Lexa mir beizubringen versucht."
„Aber nützlich. Stell dir vor du kannst deine Arme nicht benutzen, und dennoch töten."
Er klang, als wäre das ein erstrebenswertes Ziel.
Dieser Meinung war wohl auch Lexa, doch ich nicht.
Sie wollte mir beibringen, allein durch meine Augen zu töten. Einen Todesblick, sozusagen.
Natürlich erkannte ich die Nützlichkeit dahinter, doch fühlte ich mich bei jedem Versuch, den ich auf eine leblose Puppe richtete, wie der Tod selbst.
„Aber die Leute haben Angst vor mir..."
Murmelte ich leise und schluckte.
Noch so ein Problem.
Seit mein Volk das Schloss verlassen hatte, fühlte ich mich wieder wie eine Aussenseiterin.
Bereits kurz nach der Bestrafung der Hexen und der Rückkehr in die Normalität hatten die Gerüchte zu brodeln begonnen.
Ich wurde auf den Gängen gemieden.
Wann immer ich den Blick eines Bewohner suchte, taten sie alles, um mir nicht in die Augen sehen zu müssen.
Sie hatten alle Angst vor mir, auch wenn sie es nicht zugaben. Und das machte mich traurig.
Ich fühlte mich bei jedem Essen, bei dem Hunter nicht dabei war, einsam und verloren.
Oft wünschte ich mir dann, zu den Elafrÿs zurück zu kehren, wo diese unheimliche Gabe bewundert, nicht gefürchtet wurde.
Doch ich wusste, dass ich die Beziehung zur Königin aufrecht erhalten musste, damit die Elafrÿs nicht spontan beschlossen, die Macht wieder an sich zu reissen.
Bisher klappte das relativ gut. Doch ich wusste selbst, dass es nur eine Übergangslösung war.
„Hey, Wölfchen. Sieh mich an."
Hunter war vor der schweren Holztüre meines Zimmers stehen geblieben und nahm mein Gesicht zwischen seine Hände.
Ich hob den Blick und sah direkt in die grün gesprenkelten Augen, die mich mit solch einem warmen Verlangen ansahen, dass mir heiss wurde.
„Ich habe keine Angst vor dir. Lass die anderen denken was sie wollen. Ich denke das nicht."
Ich lächelte und murmelte ein Danke, bevor ich ihn ganz leiht küsste.
Ein zustimmendes knurren kam von ihm, bevor er die Arme um meine Taille legte und mit einem Ruck zu sich zog.
Ich war ihm so nahe, dass meine Hormone direkt wieder aktiv wurden.
Er intensivierte den Kuss und es war mir mehr als recht, als seine Hände auf meine Haut unter meinem Oberteil glitten.
Seine Haut vibrierte vor Kraft und ich war mir sicher, dass meine Augen leuchten würden, wenn ich sie öffnen würde.
Unsere Küsse waren wild, verlangend.
Er stiess die Türe auf und wir taumelten ins Zimmer,  seine Hände hoben mich hoch und ich schlang die Beine um seine Hüfte.
„Ausziehen." befahl er und zog leicht an meiner Jacke.
Sofort glitt sie zu Boden und er trug mich weiter Richtung Bett.
Er begann, meinen Hals mit feurigen Küssen zu bedecken, sodass ich mich zusammenreissen musste, nicht laut aufzustöhnen.
Das würde nur sein Ego anfeuern. Davon hatte er sowieso schon genug.
Ich strampelte mich frei und drehte mich um, um mir die Hose auszuziehen, als ich in zwei eisblaue Augen starrte.
Ich schrie auf, denn nie im Leben hätte ich erwartet, dass Jemand anderes als Hunter in meinem Bett sitzen würde.
Hunter hinter mir knurrte wenig erfreut und knöpfte sein Hemd wieder zu.
Nur all zu gerne hätte ich ihn davon abgehalten.
„Was macht er hier?"
Fragte der Dämon mit den leuchtenden Augen, wäjrend er auf Ace deutete, der aufrecht und stocksteif in meinem Bett sass und mich nur ansah.
„Ich weiss es nicht, Frieda sagte sie würde sich heute um ihn kümmern."
Murmelte ich und bekam sofort ein schlechtes Gewissen, dass ich meinen Wolf, und jetzt Menschen, so oft alleine liess.
„Und wieso sitzt er dann hier?"
Hunter mahlte mit dem Kiefer und ich zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung." murmelte ich und setzte mich dann langsam neben Ace, der mir mit dem Blick folgte.
Seine dünnen Oberarme hingen leblos an ihm hinunter, er war abgemagert und das glänzende Schwarze Haar war matt geworden.
Nur seine eisblauen Augen strahlten noch das alte Leben aus, welches ich von meinem treuen Gefährten erwartet hatte.
„Hey Ace. Wie geht es dir."
Fragte ich sanft und fühlte sofort, dass es ihm nicht gut ging.
Er antwortete nicht und sah mich nur stumm an.
„Redet er immer noch nicht?"
Schwungvoll liess sich Hunter auf einem Sessel nieder und ich schüttelte den Kopf.
„Nein, Frieda sagt er isst auch nicht genug. Rohes Fleisch bekommt ihm nicht, aber er weigert sich, etwas Menschennahrung zu sich zu nehmen."
Hunter nickte nur. Er war angepisst, so wie die letzten Zehn Male, in denen sich Ace in mein Zimmer geschlichen hatte.
Doch ich wusste, dass der Junge einfach meine Nähe brauchte. Es war schwer für ihn, plötzlich ein Mensch zu sein, wenn er mir all die Monate als Gefährte treu zur Seite gestanden hatte.
„Ich hole Frieda, ja? Du musst essen Ace."
Ich machte Anstalten aufzustehen, doch sofort schoss seine knochige Hand vor und hielt mich fest.
Hunter erhob sich wütend, doch ich stoppte ihn mit einer Handbewegung.
„Okay, ist schon gut."
Beruhigte ich den schnell atmenden Jungen, in dessen Augen die blanke Panik lag.
Was hatte ich nur getan...aber ich hätte ihn nicht sterben lassen können, dazu wäre ich nicht imstande gewesen.
„Ich bleibe hier, ja? Eine Weile."
Er nickte nur und ich kuschelte mich zu ihm in die weichen Kissen.
Er rollte sich zusammen, wie er es früher getan hatte, legte seinen Kopf auf meinen Schoss und ich strich ihm langsam durch die Haare.
Hunter stand mit zusammengepresstem Kiefer vor dem Bett und schüttelte den Kopf.
Ich suchte seinen Blick um ihm mitzuteilen, dass ich doch auch nicht wusste, was ich sonst tun sollte.
Er verzog wütend das Gesicht und verliess das Zimmer dann mit einer knallenden Türe, die ins Schloss fiel.
Ich seufzte und schloss die Augen.
Ace war jetzt meine Verantwortung. Nach allem was er für mich getan hatte, schuldete ich ihm viel mehr als ich bisher getan hatte.
„Es wird alles gut werden Ace. Du wirst dich daran gewöhnen."
Flüsterte ich dem dünnen Jungen zu, der vor mir kauerte und langsam einschlief.
Doch noch im selben Moment wie ich die Worte aussprach, wusste ich, dass es nicht so war.

Es war höchstens eine Stunde gegangen, bis Frieda ausser Atem in mein Zimmer stürzte und sich den Schweiss von der Stirn wischte.
„Entschuldige Sheya, ich war nur kurz eingenickt. Ich wusste, dass er wieder hierher kommen würde."
Ich lächelte die Frau mit den weiss schwarzen Haare leicht an und bewegte meine Zehen.
Meine Beine waren eingeschlafen, doch ich wagte es nicht, mich zu bewegen.
„Wow."
Die Elafrÿ hob die Brauen.
„Er schläft. Das habe ich nicht geschafft."
Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
„Er kommt nicht damit klar. Es geht ihm immer schlechter, ich weiss nicht, was ich tun soll."
Die alte Frau nickte langsam und bedachte Ace mit einem nachdenklichen Blick.
„Du hättest ihn nicht zurück holen sollen. Sein Lebensfunke ist bereits erloschen."
Ich schüttelte den Kopf.
„Sag das nicht. Ich werde mir ab jetzt mehr Zeit für ihn nehmen. Wir schaffen das."
Grimmig starrte ich an die Decke, die mir noch vor weniger als zwei Jahren geheimnisvolle Bilder gezeigt hatte, was mich an mir selbst hatte zweifeln lassen.
„Wie du meinst."
Frieda hatte zu viel Respekt vor mir, um noch weiter rum zu nörgeln. Doch ich wusste, was sie schon seit dem ersten Tag dachte.
Dass es ein Fehler war und gegen die Naturgesetze verstossen hatte. Doch ich wollte das nicht einsehen.
Ich wollte nicht dass Ace weg war.
Ich hatte Angst vor diesem Verlust.
Und deswegen litt er so. Weil ich ihn festhielt.

Und willkommen meine Sternchen zum letzten Band der Fluch-Trilogie!
Ich hoffe sehr ihr mochtet das Kapitel und seid gespannt, was Sheya noch bevor stehen wird!
Und was denkt ihr zu der Sache mit Ace?
Love you
Tala

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt