Chapter 4~Der Dunkelwald

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Ein Schauer durchfuhr meinen Körper:
Da war dieses Loch in der Wand, von wo ich den Himmel sehen konnte. Das erste Mal nach so langer Zeit wieder mit Aussichten, zu ihm zu gelangen.
Dennoch war ich hin und her gerissen.
Diese Hexe hatte sich nun schon ein zweites Mal für mich geopfert und konnte ich sie wirklich als Danke zurück lassen?
Wenn nicht würde sie mich umbringen. Schliesslich hatte sie ja alle ihre Kräfte dafür zusammen genommen.
Ich wusste dass ich zu den Elben gehen musste, wenn ich mein Versprechen ihr gegenüber halten wollte. Doch das eigentliche Problem war Ace.
Schluckend trat ich zu der kleinen Öffnung seines Pferchs und berührte seine trockene Schnauze.
Ich spürte es durch unsere Bindung, es ging ihm nicht gut. Zum einen weil er alles spürte was mit mir geschah, zum andern weil seine Lebensbedingungen unter aller Würde waren.
„Ich will dich nicht alleine lassen."
Flüsterte ich und rechnete gleichzeitig die Zeit aus, die mir blieb, bevor eine Wache den Lärm hörte und herkam.
Ich hatte nicht mehr viele Sekunden, danach würde meine Flucht unmöglich sein.
„Es tut mir so leid...aber sobald ich gesund bin komme ich zurück und hole dich hier raus! Versprochen."
Ich hörte sein Winseln und es trieb mir die Tränen in die Augen.
Dann wandte ich mich zitternd ab.
Es zerriss mir das Herz, ihn zurück zu bringen.
Dennoch sagte ich mir, dass es allen mehr nützte, wenn ich lebte. Vielleicht war es aber auch purer Egoismus.
„Und danach werden wir nie wieder getrennt sein. Wir zwei Ace, für immer."
Wisperte ich mit unterdrücktem Schluchzen, bevor ich entschlossen den Fuss auf die bröcklige Wand stellte und mich an einem Gitterstumpf hoch zog.
Das war mit gefesselten Händen nicht einfach.
Fluchend schob ich mich Kopf voran langsam durch das kleine Loch.
Ich spürte wie die spitzen Mauerreste und die stählernen Gitterstangen an meiner Kleidung rissen, als wollte selbst das Schloss mich von der Flucht abhalten.
Die Steine bohrten sich durch meine Haut und ich kratzte mir die Beine wund, als ich mich mühsam ins Freie kämpfte.
Schliesslich blieb ich keuchend und mit einem Blutgeschmack auf der Zunge auf dem Gras liegen.
Gras. Einige Sekunden lachte ich vor Glück, dass ich endlich wieder weiches Grün unter mir fühlen konnte.
Zum Glück lagen die Kerker auf der hinteren Seite des Schlosses. Nahe dem Wald und nicht mitten vor der Stadt.
Diese wenigen Sekunden der Freude verflogen abrupt, als ich Ace heulen hörte.
Laut hallten seine Rufe durch das Loch und vermischten sich mit dem Dunst der aus meinem Mund in den schwarzen Himmel stieg.
Die Sterne flackerten, als wüssten selbst sie nicht, wie es weiter gehen würde.
Dann verstand ich die Gefühlswelle, die mich überflutete.
Es war Ace. Und er warnte mich.
Sie waren hinter mir her.
Ich rappelte mich auf und stand stolpernd auf, worauf ich in meinen ersten Schritten auf dem rutschigen Gras einige male ausrutschte.
Dann trieb ich meine Beine an zu rennen.
Sie waren voller Adrenalin, genau wie der Rest von mir. Und mein einziger Ausweg.
Durch die Handschellen konnte ich keine Magie wirken, was irgendwie auch gut war.
Aber das hiess ich durfte nicht erwischt werden.
Mit dem Blick fest auf den sich drehenden Wald vor mir gerichtet, rannte ich über die grosse flache Wiese, die mich allen wie auf dem Präsentierteller zeigte.
Und da hörte ich auch die ersten Schüsse.
Die Kugeln oder die Steine krachten in das Gras und Erde flog um mich herum.
Sie verfehlten mich nur knapp und eine streifte vielleicht meinen Arm, denn dieser wurde plötzlich feucht. Doch das spürte ich alles nicht wirklich.
Mein Atem dröhnte in meinen Ohren wie Kanonenfeuer und meine fettigen Haare klebten an den nassen Wangen. Ich sah nicht genug, mein Sichtfeld schweifte immer wieder ins Dunkle ab.
Mein Herz klopfte so wild dass ich das Gefühl hatte es käme aus meinem Hals raus.
Ich roch den Wald, er war nicht mehr weit entfernt.
Manchmal auf Füssen, manchmal mit Hilfe meiner Hände, rannte ich weiter.
Barfuss flogen meine Füsse über die Erde, der Wind pfiff in meinen Ohren und ich fühlte mich trotz meiner Verfolger, die wahrscheinlich bald auf den Plan traten, kurz so frei wie lange nicht mehr.
Es war als würde ich fliegen. Ich rannte im Dunkeln, etwas Fantasie und ich flog in den Himmel hinein, immer weiter zu den Sternen hinauf.
Dann spürte ich die ersten Zweige und Blätter unter meinen aufgerissenen Zehen.
Hustend und mit pochender Kehle hielt ich kurz an, um mich an einem Baumstamm festzuhalten.
Das nasse Moos daran vermischte sich mit dem Blut, dass an meinem Arm hinunter lief.
Irgend eine dunkel glänzende Flüssigkeit. Irgendwie ganz schön.
Mein Kopf drehte sich noch ein letztes Mal zum Schloss. Das Gefängnis in welchem ich meine Freunde und meinen Seelenverwandten zurück liess.
Ein Stich in mein Herz, dann noch einer.
„Scheisse verdammt."
Murmelte ich, als ich sah wie die Lichter im Schloss hell wurden und Glocken geläutet wurden.
Ich hatte noch einen Vorsprung, aber nur wenn ich jetzt weiter rannte.
Ich hatte mich lange genug in den Wäldern aufgehalten, wo das Elbenreich ungefähr lag konnte ich erahnen.
Doch wenn ich mich richtig erinnerte musste ich von meiner Lage aus durch den Dunkelwald, wenn ich nicht einen riesigen Umweg machen wollte.
Und da spätestens in einigen Minuten Hunde und Reiter nach mir ausgesandt werden würden, konnte ich mir das nicht leisten.
Also rannte ich wieder los, zwang meinen Körper weiter zu rennen, obwohl jegliche Kraft in ihm verbraucht war.
Der Dunkelwald war gefährlich, das hatte ich gelernt. Der Ort der Schatten, früherer Lebensort der Elafrÿs. Bevor sie alle starben...
Mehr taumelnd als wirklich rennend, schleppte ich mich die nächsten Stunden durch die Wälder.
Vorbei an umgekippten Stämmen und durch kratzende Büsche, deren Stacheln sich in mir verankerten.
Ich hörte die Baumkronen rauschen und die Tiere umher huschen. Sie wunderten sich bestimmt, wer ihre Nachtruhe störte.
Irgendwann zog ich mich nur noch von Baum zu Baum vorwärts, an jedem machte ich eine kleine Pause, weil ich sonst umkippen würde.
Meine Zunge könnte jederzeit zu Staub zerfallen, so trocken war sie. Und meine Augen brannten wie die Hölle.
Das war jedoch meine innere Kraft, die vergeblich versuchte nach aussen zu gelangen.
Gerade stolperte ich zu einer breiten Linde, als ich es hörte.
Bellen.
Meine Augen weiteten sich und Panik rüttelte mich noch einmal wach.
Sie waren mir auf der Spur.
Und mit Hunden würde es Sekunden dauern, bis sie mich gefunden hatten. Erst recht, wenn ich hier kur rum stehen würde.
Ich sah im Dunkeln die ersten glitzernden Rüstungen zwischen den Sträuchern aufblitzen und klammerte meine Hände an die trockene Rinde.
Die Pferde schnaubten laut in die Nacht hinein und übertönten vorläufig mein Schnaufen.
Panisch sah ich mich um.
Ich musste mich irgendwo verstecken, doch wo war es sicher? Überall konnten sie mich finden, hier nahmen die Bäume stark ab.
„Scheisse, nein."
Sie durften mich nicht erwischen.
Das alles durfte nicht umsonst gewesen sein.
Mein gehetzter Blick huschte über Sträucher und kleine Fuchshöhlen, begleitet von meinem eskalierten Puls, der in meinem Blut für Hochstimmung sorgte.
Meine Schläfe schmerzte und mir war schwindelig, als meine Augen plötzlich das Waldstück vor mir erfassten.
Das Gras wirkte wie von Asche überzogen und die Böume dahinter waren nur noch wage Umrisse, so dunkel war es hinten.
Die Nacht war zwar düster, doch die Sterne leuchteten dennoch einen Weg durch den Wald hier.
Dort jedoch nicht. Es war nur pures Schwarz, dass mir wie eine gähnende Leere entgegen starrte.
„Der Dunkelwald."
Flüsterte ich beinahe ehrfürchtig.
„Die Hunde haben was! Los!"
Ich hörte den Radau hinter mir, wiehernde Pferde und Hufe die über den Waldboden trommelten.
Dann entdeckte ich den ersten Hund.
Das Biest hatte rot unterlaufene Augen und Ohren so lange wie seine Stummelbeinchen seinen Körper über dem Boden hielten.
Er hatte die Zähne gefletscht und als er bellte flog seine Spucke nach allen Seiten.
Er roch meine Angst.
„Scheiss drauf."
Meinte ich zu mir selbst. Zu verlieren hatte ich sowieso nichts mehr.
Und auch wenn ich nicht wusste wieso, hatte ich das Gefühl dass der Wald vor mir vielleicht mein sicherer Hafen war.
Irgendwie absurd. Es war nur ein Wald.
Dennoch fixierte ich meine Hoffnung darauf und stiess mich vom Baum ab, sodass mich alle Reiter sehen konnten.
Dann spurtete ich los, so schnell meine Beine mich tragen konnten, über die freie Wiese auf die Dunkelheit zu.
In meinen früheren Tagen wäre ich niemals freiwillig auf die Finsternis zu gerannt, ich mochte Dunkelheit nicht einmal.
Doch jetzt winkte sie mir erstaunlich verlockend.
„Er will sie lebend! Zielt auf ihre Beine!"
Schrie eine tiefe Stimme, gedämpft durch den Helm des Reiters.
Niemals, lebend kehrte ich dahin nicht zurück, zumindest noch nicht jetzt.
Ich trieb meinen Körper noch ein letztes Mal an, nicht aufzugeben und sich zu bewegen.
Ich war so müde, alles in mir wollte sich einfach nur noch hinlegen und schlafen.
Trotzdem liess ich mich vom Rückenwind tragen und schoss auf den Wald vor mir zu.
„Bitte, bitte, lass es mich schaffen."
Flehte ich die Stille an und spürte wie der Boden unter meinen Füssen unter den Hufen der Pferde erzitterte.
Sie würden mich kriegen.
Ich warf mich in dem Moment in die Luft, als der Kiefer eines der Jagdhunde knapp hinter meinem Bein zuschnappte.
Mein Körper flog durch die Luft und noch im Flug konnte ich sehen wie ich von der Dunkelheit verschluckt wurde.
Dann knallte ich unsanft auf den Boden und schlitterte noch etwas über die Blätter, bevor ich schlotternd aufstand und hinter mich sah.
Ich stand einige Meter hinter der Grenze.
Ich konnte durch das schwache Licht des Mondes die Reiter sehen, die ihre panischen und scheuenden Pferde im Zaum hielten und die Hunde, die wild bellten.
Jedoch wagte es keiner, die Grenze zu übertreten.
Ob es ihre Angst war oder etwas anderes konnte mir egal sein.
Ich atmete aus und hätte weinen können vor Erleichterung, wenn ich das nicht schon lange wegen Trauer und Erschöpfung getan hätte.
Jetzt waren keine Tränen mehr da.
„Ich habe es geschafft.
Ich hab es geschafft!"
Jubelte ich krächzend und beinahe tonlos, während ich mich um mich selbst drehte.
Dann wankte ich weiter, Schritt für Schritt, so langsam dass ich sicher nicht umfallen konnte.
In meinem Kopf hämmerte das beständige Ziel, zu den Elben zu gelangen.
Einen Fuss vor den anderen setzend, bahnte ich mir einen Weg durch die Dunkelheit.
Und das meinte ich auch so.
Egal wohin ich meinen Kopf drehte, es herrschte nur Schwärze, die Umrisse der Bäume war knapp zu erkennen, doch sonst schien die ganze Umgebung wie von Pech übergossen.
„Krass." murmelte ich und stellte mir vor, dass dies mal meine Vorfahren gewesen waren.
Das Schwarze Zeug dass die Pflanzen nicht mehr atmen liess.
Da wurde man ja richtig stolz.
Um zu lachen hatte ich aber nicht mehr genug Kraft.
So trottete ich weiter.
Man würde denken die Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Das war hier jedoch nicht der Fall.
Damit ich nicht einfach dem Drang nach Schlaf und Ruhe nachgab, hielt ich mir mein Ziel vor Augen.
Die versteckte Stadt der Elben, die von diesem wunderschönen Fluss durchzogen war.
Darauf freute ich mich. Dort zu sitzen und mich zu erholen. Auch wenn die Schuld mich bestimmt belasten würden.
Entschlossen stapfte ich über den Waldboden, der kein einziges Geräusch von sich gab. Er schluckte meine Schritte wie ein grosser, flauschiger Teppich.
Dann horchte ich plötzlich auf.
Die Bäume begannen sich im Wind hin und her zu wiegen, erkennen tat ich das nicht mit meinen Augen, sondern an den Geräuschen.
Die Blätter raschelten und zweige Knackten.
Obwohl ich keinen Wind spüren konnte, begannen die Bäume ein Lied zu singen.
Die einzelnen Geräusche vereinten sich zu einem Sturm aus Rascheln, welches in meinen Ohren dröhnte und sich immer enger um much zusammen zog.
Ich hatte das Gefühl in einem Wirbelsturm zu stehen, der den Rest der Welt nicht mehr zu mir durchdringen liess.
Und irgendwann, nachdem ich jegliche Orientierung verloren hatte, hörte ich etwas, was sich anhörte wie eine Stimme.
Und dann ganz deutlich.
Ein Wispern.
Versteckt zwischen dem Lärm der Natur und dennoch so laut dass sie aus meinem Kopf kommen könnte.
„Sheya! Hilf uns..hilf uns sheya!"
Drängten die Stimmen und ein stechender Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus.
„Was zum..."
Murmelte ich und spürte wie Schatten begannen, an meinen Beinen hin und her zu streichen. Sie rissen an meinen Kleidern und leckten wie Flammen an mir empor.
„Hilf uns Sheya! Sheya!"
Die Stimmen wurden schriller, bis sie sich in einen Chor schreiender Leute verwandelten, die sich einen Weg in mich hinein bohrten.
Dann öffnete ich abrupt die Augen und starrte entgeistert an mir hinunter.
Dann durchfuhr mich Panik und ich begann zu zittern.
„Nein..."

Was hat es wohl mit den Stimmen auf sich? Und weswegen ist sie so schockiert? Lasst mich eure Antworten hören Sternchen
Ich freue mich mega, dass ihr auch jetzt so zahlreich dabei seid und ich kann euch garantieren, es wird noch eine Menge auf euch zukommen!
Bis bald
Tala

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt