Chapter 1~Glückstage und Regenschirme

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Eigentlich hätte heute ein normaler Tag sein können.
Einer der wenigen in meinem Leben.
Ich lebte wie alle Menschen, am Morgen aufstehen, In die Schule gehen, zum Nebenjob und Abends müde vor dem Fernseher einschlafen.
Wie die meisten Jugendlichen kam dazwischen vielleicht noch die ein oder andere Party aber das war irrelevant.
Ich hatte mich mit meiner Freundin Elli verabredet, naja Freundin nicht wirklich, eher eine quirlige Bekannte der es nichts auszumachen schien, wie merkwürdig ich mich verhielt.
Wir hatten uns vorgenommen für den nahenden Frühling einzukaufen, uns frisch zu machen für die Strandpartys, für die wir endlich alt genug waren.
Ich hatte gedacht heute sei mein Glückstag.
Praktisch jedes Mädchen war der Meinung dass ihr Glückstag dann war, wenn sie von Jemandem geküsst wurde.
Und da begann meine Andersartigkeit, denn ich, Sheya Darkbloom , hatte wohl schon als Baby beschlossen meinen Glückstag dann einzunehmen wenn ich nicht geküsst wurde.
Das klang merkwürdig, selbst nach neunzehn Jahren Erfahrung.
Ich hatte ein schönes Leben, daran lag es nicht, ich wurde zu nichts gezwungen oder genötigt, ich hatte nicht einmal Eltern die mir Hausarrest erteilen konnte.
Was nebenbei bemerkt nur ein schwacher Trost dafür war, dass sie mich ohne mit der Wimper zu zucken auf der Strasse aufgesetzt hatten.
In der Nacht. Im Winter. Auf einer Waldstrasse in der so gut wie Niemand durch kam.
Aber ich hatte schon damals nicht den Willen gehabt zu tun was jedes andere Baby getan hätte.
Heute erinnere ich mich nicht daran, wie ich es geschafft hatte plötzlich vor einer Tür zu liegen und doch ziemlich Babymässig zu schreien.
Aber um wieder zum Anfang zurück zu kommen, heute war definitiv nicht mein Glückstag.
Leider.
Während Elli mich fröhlich plappernd durch die Gegend zog fühlte ich mich beobachtet.
Sie redete immer, was gut war, da ihr dann nie auffiel wie verklemmt ich war und dass ich nie wirklich zuhörte, was sie über den Regenschirm ihres Hundes, ja ihr Hund hatte einen Regenschirm, erzählte.
Wir liefen die Strasse entlang, das Dorf hier war eine Art Grenze von der Stadt und dem angrenzenden Wald, den die meisten wegen Erdbeben und Erdrutschen eher mieden.
Es war schön hier, im Gegensatz zu all den anderen an meiner Schule lechzte ich auch nicht danach, so bald als möglich in die mehr bevölkerte Grossstadt zu flüchten.
Der Weg war gepflastert und das Wasser dass über den Rand des Brunnens auf dem Dorfplatz lief, sammelte sich in den Rillen.
Die Häuser waren hier maximal zweistöckig, aber es passte zu einer typischen Shopping Strasse.
Überall tummelten sich Jugendliche, probierten an Ständen Hüte und Sonnenbrillen an, traten mit frisch gekauften kurzen Hosen aus einem Laden oder sammelten sich vor der Eis Bude.
Ich pflegte eher die Einsamkeit, aus dem einfachen Grund dass sowieso das ganze Dorf darüber bescheid wusste was meine Macken waren.
Doch jetzt war ich unter vielen Menschen, mir wurden viele Blicke zugeworfen und viele Leute machten eine kleine Abzweigung auf ihrem Weg an mir vorbei.
Ob es mich störte? Ja tat es, gewaltig.
Aber ich war damit aufgewachsen und ich hatte mich auch nicht in eine dieser, nach Aufmerksamkeit egal welcher Art lechzender Mädels verwandelt, die bereit waren alles zu tun um aufzufallen.
Ob Positiv oder Negativ war dabei ja nicht so wichtig.
Aber Gerüchte hatten sich dennoch verbreitet, niemand konnte es nachvollziehen, und jeder Junge stritt es ab es getan zu haben, was ja auch die Wahrheit war.
Aber angeblich hatte man mich mit einer ganzen Reihe Verehrer in verschiedenen Gassen gesehen, wir wie rum gemacht hatten.
Da hatte es mich nicht erstaunt dass mir die Jungs hier nach einigen Tagen dasselbe angeboten hatten.
Aber damit konnte ich leben, ab und zu liess ich mich sogar auf ein Date ein, auch wenn ich den Typen nach einigen Malen vollständig vergrault hatte.
Und trotzdem war heute nicht mein Glückstag.
Ein Mann mit einer Art James Bond Aufmachung hielt sich im spärlichen Schatten auf und folgte uns, Elli hätte nicht einmal eine Atombombe wahrgenommen wenn man sie uns präsentiert hätte.
Sie war viel zu begeistert von diesem Regenschirm.
Aber ich bemerkte ihn, nicht zuletzt weil er mich mit rot umrandeten, eisig blauen Augen anstarrte und mich nicht aus seinem Blickfeld verschwinden liess.
Das war unheimlich, und jedes anständige Mädchen hätte Hilfe geholt.
Aber ich hatte mich als Sheya Darkbloom vorgestellt, dieser Name trat für das pure Gegenteil aller gut bedachten Reaktionen ein.
Es war das Dümmste was man tun konnte und dennoch war das Einzige worüber ich mich so aufregte, dass mein Glückstag doch nicht heute war.
"Elli, ich komme gleich wieder, holst du mir auch ein Eis?"
Fragte ich und klopfte ihr kurz auf die feste Schulter.
Ihr runder Kopf drehte sich verwirrt zu mir während ihr Mund, selbstständig wie immer, noch immer von, wer hätte das gedacht, dem Regenschirm , erzählte.
Ich lief aus der Sonne, die strahlend vom blauen Himmel auf mich hinabschien und meine Haut angenehm wärmte.
Als ich in eine der kleinen Gassen abbog, in die der Hinterausgang eines Restaurants zu den Mülltonnen führte, war es wieder schattig und feucht.
Ich lief noch einige Meter und blieb dann in der Mitte stehen.
Es roch nicht sonderlich angenehm, was nicht zuletzt an den Ratten lag die in den Ritzen des Abflusses verschwanden.
Ich verschränkte die Arme.
Und nein, ich zittert nicht wegen meinem schlechten Entscheid mich alleine in eine dunkle Gasse mit einem Fremden zu wagen.
Stattdessen richtete ich entschlossen den Blick auf den hochgeklappten Kragen des Mannes, der auf mich zugestapft kam.
"Was willst du?"
Diese Frage war ziemlich unnötig, wie mir in derselben Sekunde auffiel in der ich sie ausgesprochen hatte.
Aber dennoch zeigte ich ihm damit dass er sich auch einen besseren Zeitpunkt hätte aussuchen können.
"Sheya?"
Ich schnaubte.
Jetzt hatten die auch noch unter den Verfluchten meinen Namen herumerzählt.
"Höchstpersönlich."
Meine Stimme klang hochmotiviert, wenn es darum gegangen wäre jemanden zu Tode zu langweilen.
"Dann weisst du was ich brauche."
Er klappte die Kapuze nach hinten und hob den Kopf.
Er sah normal aus, wie ein etwas verschwitzter Junge etwas über meinem Alter, wenn da nur nicht die spitzen Zähne gewesen wären, die sich über seine Lippen erstreckten.
Und diese eisigen Augen, deren roter Rand zu tränen schien.
Der Typ hielt sich an der Wand fest und keuchte, anscheinend ging es ihm genauso mies wie all den anderen, die mich aufsuchten.
Ich seufzte.
"Und was bekomme ich dafür?"
Fragte ich und er grinste.
"Ich habe davon gehört dass du teuer bist."
Ich verzog das Gesicht.
Das hörte sich vollkommen falsch und eklig an.
Ich fühlte mich billig, ja es hörte sich an als würde ich auf den Strich gehen.
Aber da war die Tatsache dass ich die Lippen dieser Jungen und Frauen nie berührte.
Es war extrem unheimlich und jeder normale Verstand wäre zusammengekracht, wenn er jeden Tag merkwürdige und spezielle Wesen getroffen hatte, die einen Kuss verlangten und danach abhauten.
Erst recht die Wirkung des "Kusses" wie man ihn nannte, hätte mich verstören sollen.
Tat es auch, doch nun nachdem ich Jahrelang damit lebte war es mir zu blöd geworden, mir jeden Tag, jede Sekunde Gedanken darüber zu machen was mit mir nicht stimmte.
Spätestens als ich aus dem Heim geschmissen wurde hatte ich andere Sorgen und wollte auch mein Leben nicht von so etwas unwirklichem bestimmt werden lassen.
Also hatte ich es als Teil meines Alltags eingespeichert und lebte so ganz gut.
Und auch wenn es unfreundlich war, diese "krank wirkenden" Leute zu einer Bezahlung aufzufordern, ich fand es war mein Recht etwas zu verlangen, wenn ich täglich eine sehr untypische Aktivität ausführen musste.
Ich hatte eine Zeit lang eine Phase gehabt in der ich mich strikt geweigert hatte, doch diese Menschen konnten sehr unfreundlich werden, wenn ich sie nicht mit diesem "Kuss" beglückte.
Und schon wieder klang es selbst in meinen Gedanken billig.
"Ich will deinen Kuss, du kannst dafür leben."
Ja, es wäre wirklich sehr Märchenhaft gewesen, ich wäre gerne eine Prinzessin gewesen, deren Prinz sie um einen Kuss bat.
Aber der letztere Teil liess diese Seifenblase ganz schnell zerplatzen, denn ich hatte genug Erfahrung um zu wissen dass er es tun würde.
Eigentlich war es irre, solchen Psychos zu helfen, ich wusste sogar dass die meisten gefährlich waren, ich kam nur nie dahinter.
Also hob ich die Hände.
"Alles klar."
Ich biss die Zähne zusammen und stellte mich vor den Jungen, meinen Rücken an der Wand und er vor mir, sodass ich das merkwürdige vibrieren seiner Haut spüren konnte.
Ich hatte schon andere wie ihn gesehen, die Haut färbte sich blau und sie vibrierten stärker, alle von ihnen hatten diese komischen Zähne die mich all zu stark an die Vampirfilme erinnerten, die ich mit Elli immer ansah.
Aber meine Fantasie hatte gar keinen Grund mit mir durchzugehen, weil ich das nämlich bereits regelmässig alleine schaffte.
"Was muss ich tun?"
Der Junge klang nervös und Angst schwang in der Stimme mit.
Ich verdrehte die Augen.
"Die klappe halten."
Alles klar.
Ich stand einem wahrscheinlichen durchgeknallten Mörder gegenüber und schnauzte ihn an.
Aber das konnte ich mir nur erlauben weil ich wusste dass es ihm miserabel ging und er danach so schnell es ging verschwinden würde.
Er schloss die merkwürdigen und tränenden Augen und öffnete die Lippen.
Ich atmete durch und tat dasselbe, lehnte mich etwas vor uns spürte seinen Atem.
Ich lenkte es nicht, ich wusste auch nicht wieso es immer zur richtigen Zeit einsetzte, aber etwas regte sich sofort.
In meinem Bauch begann eine art kalter Tornado zu wüten und dann spürte ich wie mein Atem kälter wurde, wie kleine Kälteflocken klebte sich der Rauch an meiner Luftröhre fest.
Es fühlte sich so an als würde ich kleine Glitzerpartikel ausspucken, als mein Atem sich silbrig färbte und sich mit dem des Jungen vermischte.
Ich hatte das Gefühl als würde ein Teil meiner selbst aus mir hinausgehoben und schwebte zu dem Jungen, wo es sich um seinen Atem zu schlingen schien.
Mein Körper schien zu schweben und gleichzeitig zu fallen, es war ein Gefüjl als würde ich Achterbahn fahren.
Ich wurde geleitet und hatte das Gefühl im Universum herumzueilen, schwerelos und dennoch von der unendlichen Weite geplättet.
Die Energie floss mit meinem Atem aus mir heraus, meine Beine begannen zu brennen wie nach einem Marathon und ich lehnte mich an die Wand.
Gleichzeitig konnte ich fühlen wie ich wieder einatmete, seltsamerweise machte es mir nichts aus für eine Minute auszuatmen ohne Luft zu holen, in diesen Momenten schien ich keinen Sauerstoff zu brauchen.
Mit dem Einatmen konnte ich beinahe sehen, Wie sich der silberne, fein verstrickte Atem sich schwarz gefärbt hatte, als hätte man ihn in dunkle Farbe getaucht.
Er verschwand wieder und ich hatte wie immer das Gefühl dass er sich zu dem mittlerweile riesigen schwarzen Ball in meinem Bauch gesellte und mit ihm verschmolz.
Ich keuchte und lehnte mich zurück, während der Junge die Augen öffnete und tief Luft holte.
Er hatte aufgehört zu vibrieren und als er mich ansah, waren es wieder frisch leuchtende blaue Augen, die mich mit einem etwas Eisblauen Stich ansahen.
Das Rot war verschwinden, genauso die feinen Äderchen darum herum.
"Der Fluch ist weg."
Murmelte er beinahe ungläubig und ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, bevor er mich kurz ansah und nickte.
Dann schien ihn Luft zu erfassen und im nächsten Moment war er verschwunden.
Ich hätte schreien und mich verrückt machen sollen, wieso das passiert war und wie so etwas überhaupt möglich war.
Aber wie gesagt, ich war nicht normal.
Auf welche Art konnte sich jeder selbst denken.
"Gerngeschehen."
Murmelte ich und stand taumelnd auf, die einzige Nebenwirkung war dass ich extrem viel Energie verloren hatte.
Doch da half Zucker, und voraussehend wie ich war hatte ich Elli damit beauftragt, mir reichlich davon zu besorgen.
Und da stand sie auch, am Ende der Gasse und starrte mich mit offenem Mund an, die beiden Eistüten in ihrer Hand tropften auf den Boden und ihr Blick zeigte nicht viel mehr als Bahnhof.
"Was..war denn das?"
Fragte sie als ich auf sie zueilte und ihr schnell das Eis abnahm, um es in mich rein zu schaufeln.
Ein Grund wieso ich Elli gerne um mich herum hatte, war dass sie wahnsinnig schnell vergass, wenn ich ihr etwas anbot.
Also richtete ich meinen Blick auf den nächstbesten Juwelier Laden und tat so als wäre heute mein Glückstag.
"Schau mal diese Kette! Ist sie nicht der Hammer?"
Das glitzernde Ding in dem spiegelnden Schaufenster war viel zu protzig, aber Elli schien es zu gefallen.
Sie war abgelenkt und drückte ihre runde Stupsnase an dem Fenster platt.
Wie gesagt.
Sheya Darkbloom, hundert prozentige Erfolgsquote.
Vielleicht lag die Erfolgsquote auch etwas zu hoch, denn ich bekam Elli nicht mehr von diesem verdammten Fenster weg.
Sie musste jeden der Steine beobachten und sich genauestens bei dem Verkäufer über den Preis informieren, der sogar nach aussen gekommen war, weil er leichte Beute gewittert hatte.
Ich stand nur daneben und hatte das Gefühl dass mich meine eigene kleine Pechwolke verfolgte und sich ab und zu mit etwas Regen über mich lustig machte.
Das geschah natürlich alles wieder nur in meiner Fantasie, denn die Sonne schien in das Schaufenster und brach in dem Klunker von Kette, die wohl auch meinen Hals brechen würde.
Doch in dem Moment als das Sonnenlicht zurückgeworfen wurde und mich traf, da ich eben vor dem Fenster stand, durchzuckte ein Glühender Schmerz meinen Arm und ich zog ihn zischend zurück, worauf ich schnell und instinktiv zur Seite trat.
Als ich auf meinen nackten Arm sah, war er gerötet, als hätte ich mich verbrannt oder wäre zu länge in der Sonne gelegen.
Entgeistert starrte ich darauf und danach zu Elli und dem schmierigen Verkäufer, die mich beide fragend ansahen.
Ich konnte bereits sehen wie es in ihren Hirnen ratterte, also verdeckte ich den Fleck so gut es ging und lächelt unecht.
"Sonnenbrand, was soll man da machen, ich war schon immer empfindlich."
Ich zuckte die Schultern und legte einen möglichst belehrenden Unterton mit rein.
Darauf erhielt ich nur einen verständnislosen Blick vol Elli, bevor sie sich wieder dem Verkäufer zuwandte, dessen braunes Hemd voller Öl Spritzer war.
Wahrscheinlich arbeitete er nicht nur als Juwelier.
Komisch zwar dass der Juwelier keinen edlen Anzug trug aber was sollte es mir ausmachen, vielleicht war er zu reich und geizig dafür.
Als die beiden im Gespräch versanken runzelte ich die Stirn und lief langsam näher ans Schaufenster.
Der Stein der an der protzigen silbrigen Kette auf dem Hals der Puppe lag, glitzerte in allen Farben und war in die Form eines grossen Herzens geschliffen worden.
Ich kniff die Augen zusammen und legte die Hand an das, ohnehin schon etwas schmutzige Fenster.
Der Juwelier Laden war der letzte an der Strasse, danach mündete sie in einen Feldweg der über eine schöne grüne Wiese in den Wald führte, auch wenn den Weg meistens niemand einschlug.
Ich war mir zwar merkwürdige Dinge gewöhnt, aber auch ich hatte Grenzen.
Vor allem wenn mich das gebrochene Sonnenlicht in einem Stein verbrannte.
Ich war allerdings zu überrumpelt als Panik schieben zu können was hier mit mir vorging.
"Was ist das für ein Stein?"
Ich deutete auf den Klunker und
der Verkäufer beobachtete mich mit zusammen gekniffenen Augen, als würde er überlegen ob ich ihn stehlen würde, wenn er es mir sagte.
Als Zeichen meiner friedlichen Absicht nahm ich schnell die Hand davon und sah ihn fragend an.
Sein Blick wanderte zu meinem Arm und er runzelte die Stirn, liess sich dann aber wahrscheinlich meine Ausrede in den Kopf schiessen und nickte kurz mürrisch.
"Der? Das ist ein Kunzit."
Ich nickte langsam und bemerkte dass der Stein gar nicht so Farblos war, sondern rosa glitzerte und beinahe ins violette überging, je nachdem wie das Lucht darauf strahlte.
"Von dieser Art hab ich noch gar nie gehört."
Er nickte und schien mich durch seine militärisch kurzen Haare mit dunklen Augen zu durchbohren.
Aber das war ich mir gewohnt, ich wurde von den Leuten hier oft misstrauisch betrachtet.
"Das liegt daran dass sie selten sind, ihre Farbe macht sie zu einem beliebten Schmuckstück, aber sie sind auch dementsprechend teuer."
Er sah wieder zu Elli die etwas niedergeschlagen zu dem Stein schielte.
Ihre Sorgen unterschieden sich aber ganz klar von meinen, denn ich hatte noch immer mit dem brennenden Schmerz auf meiner Haut zu kämpfen.
"Komm Elli, wir gehen, es sollte noch ein Film im Kino laufen."
Das Kino hier war nicht mehr als eine umgebaute Scheune bei der das Bild an ein etwas schmutziges Laken projiziert wurde, aber den Studenten reichte es völlig, jeder nahm es in Kauf, wenn er dafür nach dem Abschluss in die grosse Stadt konnte.
Ich war nicht wild darauf, mich auf die stechenden Heuballen zu setzen und mich mit, nach Bier riechenden tanzenden Jugendlichen rum zu schlagen, aber es war das Einzige was mir einfiel, um von diesem Stein zu verschwinden.
Und das taten wir auch.
Das hiess für mich, den gesamten Nachmittag in der muffeligen Scheune sitzen, kleine Strohhalme zu einem Kunstwerk vereinigen und zusehen, wie die anderen in den Heuballen herum tobten.
Der Film der lief warf Schatten auf die Wände des Stalles, vor allem als es langsam Nacht wurde.
Ich fragte mich was alle daran fanden, zusammen im Heu zu verschwinden und zu trinken, dadurch fühlte man sich vielleicht cooler aber es sah einfach nur bescheuert aus, wie sie danach ohne Orientierung herum torkelten.
Vielleicht aber auch nur für mich, da ich mir anderes gewöhnt war, was ohnehin tausend mal merkwürdiger war, also sollte ich nichts dazu sagen.
"Sheya? Willst du auch?"
Ellis Wangen waren rot und ihr Blick abwesend, so wollte ich definitiv nicht werden.
Sie hielt mir einen roten Pappbecher unter die Nase und ich schon ihn langsam von mir weg.
"Nein, passt schon."
Ich verzog angeekelt das Gesicht als sie alles auf einmal hinunter kippte und ihr sogar etwas in den strohigen braunen Haaren hängen blieb.
"Du bist echt merkwürdig Sheya."
Lallte sie und ich hob eine Braue, während ich weiterhin an der Puppe aus Stroh arbeitete, die schon verdammt echt aussah.
Was sollte ich darauf sagen, ich denke es war richtig offensichtlich dass es wahr war, also wieso verleugnen.
Ich zuckte bloss die Schultern und beobachtete, wie sie sich wieder zu den tanzenden Leuten unter mir begab, meine Beine hingen etwas über dem Boden und ich liess mich zurück sinken, um an das alte und knarrende Dach der Scheune zu sehen und die Musik auszublenden, die neben dem Film lief.
Gerade als es mir halbwegs gelang packte mich eine Hand an meinem Handgelenk und ich schrie leise auf.
Es war wohl doch nicht so leise gewesen denn die halbe Scheune drehte sich zu mir um, die wechselnden Schatten liessen die Leute noch mehr taumelnd aussehen als ohnehin, was aber an ihren Schatten lag, die an der Wand flirrten.
Ich rutschte ab dem Heu und liess die Puppe fallen, fuhr zu der Person und machte die knochigen Finger von meinem Arm los.
Dort stand, in der Scheune voller Jugendlichen, vor mir, eine alte Frau.
Ihr Haar war strähnig und weiss, ihre Augen bläulich und matt, als wäre sie kurz davor zu erblinden und sie sah mich leer an.
Sie hatte die dünnen Lippen geöffnet und Zahnstummel kamen zum Vorschein, was mich zurück weichen liess, während sie ihren Arm zurück zog, der nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien.
Die Haut war eingefallen wie Pergament, dass jeden Moment reissen konnte, mein Blick haftete geschockt an der Frau.
"du."
Flüsterte sie und wies mit dem Finger auf mich, ihr gelblicher Nagel machte das Bild der Hexe aus Hänsel und Gretel alle Ehre und ich stiess mit dem Rücken an den Heuballen.
"Ich kenne sie nicht."
Presste ich hervor und sah bereits, wie sich einige lachend über uns lustig machten.
Konnte ich ihnen nicht verübeln, wen packte schon mitten im Fest eine alte Frau am Arm.
"Er kommt."
Hauchte sie und ihre Stimme klang verheissungsvoll, während sie eifrig nickte.
"Er braucht ihn."
Ich kniff die Augen zusammen, als mir klar wurde wovon sie redete.
Dem "Kuss."
Dennoch tat ich als verstände ich es nicht, einmal Leben retten am Tag reichte mir, ich war sogar nach drei Eisbechern noch etwas ausgelaugt.
"Wer kommt?"
Hallte es zu uns rüber.
"Einer deiner Verehrer?"
Gelächter machte sich breit und der Junge schlug bei seinem Kumpel ein, was in ihrem betrunkenen Zustand gefährlich schwankte.
Ich sah ihn böse an und wünschte mir dass Blicke töten konnten.
Doch natürlich starb er nicht.
Dumme Fantasie.
Stattdessen näherten sich die kalten Finger der alten Frau wieder meinem Arm, sodass ich panisch auswich.
Ich konnte einen vermutlichen Killer heilen, aber vor der Berührung einer alten Frau hatte ich Angst.
Sehr normal.
Aber sie war auch nicht normal, was mir wohl als einzige mit grossen Augen auffiel.
Während alle anderen Schatten verzerrt an den Holzbalken tanzten besass die Frau keinen.
Egal wie ich mich reckte und streckte da war keiner.
Das wurde mir unheimlich und als sie es bemerkte, lächelte sie fein.
"Schlaues Mädchen."
Wisperte sie und nickte zufrieden.
Ich riss die Augen auf und wusste nicht wie reagieren.
Ich war zweigespalten, einerseits wusste ich nicht was es mir bringen würde auszurasten weil mir eh niemand glauben wüde aber andererseits konnte ich jetzt auch nicht denken dass das das normalste auf der Welt war und ich es einfach vergessen sollte.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mein Bauch verkrampfte sich, als sie mich erneut packte.
Sie war erstaunlich stark für ihre zierliche Grösse, und zog mich einfach raus, egal wie ich mich dagegen stemmte, sie schaffte es mich aus der Scheune zu schleifen.
Die anderen schien es nicht zu interessieren, die Musik lief von drinnen munter weiter und dröhnte in den rabenschwarzen Himmel, von dem die Sterne und der Mond hell auf die Wiese strahlten.
Das Gras bewegte sich silbern und sanft, die Bäume bildeten eine schwarze Front.
Hätte ich nicht gerade zu viel Angst und Schock zu verarbeiten hätte es vielleicht sogar noch schön ausgesehen.
Friedlich.
"Lassen sie mich los!"
Schrie ich, doch meine Stimme klang nur noch gedämpft, als die Frau etwas murmelte und ich fasste mir erschrocken an den Hals.
So etwas konnte nicht sein, das gab es nicht und auch wenn etwas in mir das Gegenteil behauptete sträubte ich mich dagegen, so etwas zu glauben.
Die Gedanken in meinem Kopf hämmerten und als ich es erneut versuchte kicherte die Frau und liess mich los, doch kein Wort kam über meine Lippen.
Starr sah ich zu ihr, doch sie lächelte nur wissend, bevor sie sich humpelnd über den nassen Feldweg in Richtung Wald begab.
Ich sah ihr nach, konnte keinen Zentimeter meines Körpers bewegen und sah wie die kleine Frau im Wald verschwand und von den Schatten verschluckt wurde.
Wäre heute noch der Freitag der 13., dann hätte ich garantiert noch einen Mann mit Kettensäge erwartet.
Aber es reichte auch so dass ih vor Angst zitterte.
Als die Frau aus meinem Blickfeld verschwand, löste sich meine Stimme und ich atmete hörbar ein.
"Nein, so etwas gibt es nich, ich bin verrückt."
Murmelte ich, aber was war denn das was ich jeden Tag tat?
Es kam dem Wort ganz schön nahe.
Magie.
Die existierte doch nur in den Märchen, die irgendwelchen Hirngespinsten von verrückten Leuten entsprungen waren.
Doch Zweifel machte sich in mir breit, von irgendwoher mussten diese Leute das aber auch haben, und ich bewies es mir ja jeden Tag erneut.
Ich schüttelte den Kopf, jetzt war schluss damit.
Schluss mit diesen Leuten, Schluss mit meiner Fantasie, ich wollte endlich normal sein.
Und alles verdrängen, bevor man mich noch in eine Psychiatrie steckte, so machten wir es mit allem was wir nicht kannten und was uns Angst machte.
Weg sperren.
Ich sammelte mich und atmete tief ein und aus.
"Ich gehe jetzt da rein. Trinke etwas. Tanze und mache was auch immer ich kann."
Nahm ich mir vor und drehte mich um, Hauptsache vergessen.
Aber da ich meine Stimme nun wieder hatte, hallte mein Schrei auf der ganzen Wiese wieder.

Was denkt ihr, was hat sie gesehen?
Und ist euch neben der Frau auch noch etwas anderes in diesem Kapitel aufgefallen? Wenn nein, denkt an den Juwelierladen, aber nicht an den Stein^^
Ich bin ja verwirrend ich weiss xD
Aber bleibt gespannt, ich hoffe es gefällt euch und ihr blättert fleissig um^^
Love
Tala

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt