Chapter 1~Stille

4.6K 360 52
                                    

Es war Nacht. Schon wieder.
Durch das kleine Fenster im Kerker konnte ich zwischen schweren Gitterstäben den Mond sehen. Und die Sterne.
So frei und hell leuchtend, als wollten sie die Dunkelheit vertreiben, die hier überall um mich herum herrschte.
Es war kalt hier in der Zelle, die steinere und nasse Wand drückte in meinen unterkühlten Rücken und ich starrte hinaus, in der Hoffnung dass das schwache Licht des Mondes mich etwas wärmte.
Doch es reichte gerade mal dafür, dass ich die Steine der Mauer sehen konnte, die voller Kratzer und Markierungen waren. Ich war nicht die Erste hier drin.
Langsam zog ich die Beine an, so verlor ich weniger Wärme. Das hatte ich in den unzähligen Nächten gelernt, die ich in diesen Kerkern hier verbracht hatte.
Es waren seit der Machtübernahme des Namenlosen Wochen vergangen. Die Zeit verfloss langsam hier unten, und dennoch musste es lange gewesen sein.
Ich atmete leise aus und fragte mich, ob es anders gekommen wäre, wenn wir uns nicht eingemischt hätten.
Doch das brachte jetzt auch nichts mehr.
Ich drehte den Kopf nach links, wo die schweren und rostigen Gitterstäbe den Blick auf den langen Gang freigaben.
Dort wurde ich jeden Tag abtransportiert und zum König gebracht.
Es waren die Momente die ich immer am meisten fürchtete.
Die Momente in denen ich Wesen hätte weh tun sollen, allein zu seinem Vergnügen. Als eine Unterhaltung.
Ich hatte mich all die Wochen gewehrt und niemals auch nur einem der unschuldigen Wesen vor mir ein Haar gekrümmt. Der Nachteil davon, ich bekam dann die Wut des Königs zu spüren.
Jeden Tag das Gleiche. Und mein Hass wuchs ins Unendliche. Trotzdem konnte ich wegen der magischen Handschellen die ich Tag und Nacht tragen musste, meine Kräfte nicht nutzen.
Es fühlte sich wie ein Stau an.
Ab uns zu liess er zu dass ich mich selbst heilte. Und die dunkle Masse in mir stieg ständig an, unterdessen war es ein ganzer Stau, sodass beinahe kein Platz mehr in meinem Innern für Essen war.
Wovon ich auch nicht all zu viel bekam.
Es war schrecklich und trotzdem hatte ich noch Glück.
Bisher hatte er nie den Stein eingesetzt, der mich töten könnte. Wahrscheinlich wollte er es zuerst mit ‚leichten' Methoden versuchen. Ich wusste aber dass ich dem nicht mehr all zu lange entging.
Da ich ewig in dieser kalten Zelle sass, hatte ich auch genug Zeit mich mit Hunter auseinander zu setzen.
Er und seine Schwester waren zusammen in einer Zelle, jedoch weit hinter der meinen, irgendwo im Gang, wo die Fackeln an der Wand aus waren.
Ab und zu war er anwesend, wenn ich wieder gequält wurde.
Seine Miene war jedes Mal wütend geworden.
Es stand ihm, das Gesund sein.
Durch seine Aktion mich vor dem Tod zu retten und sich selbst zu opfern, hatte ihn tatsächlich geheilt.
Und ich hätte zu gerne seine wahre Stärke einmal gesehen, doch natürlich achtete der Namenlose stehts gut darauf, dass Hunter am besten gefesselt war.
Und Cole, der Junge für den ich Gefühle hatte stand nur reglos daneben. Jedes Mal. Mit zusammengepressten Lippen versuchte er meine Blicke zu ergattern, doch ich vermied sie.
Was er getan hatte war unverzeihlich.
Ab und zu dachte ich über die Verbindung zu Hunter nach.
Ich spürte sie, jedes Mal und viel stärker, wenn er im Raum war.
Selbst jetzt wusste ich dass er in der Nähe war, obwohl ich das nicht wissen sollte.
Dieser Stein hatte etwas in uns verändert, davon war ich überzeugt.
Ich war nur nie dazu gekommen ihn zu fragen, ob es ihm auch so erging wie mir.
Ich glaube ich sass ziemlich lange an die steinerne und verkratzte Wand gelehnt, denn auf einmal flutete spärliches Licht meine Zelle.
Es war Morgen.
Sofort stellte sich jedes Härchen an meinen Armen auf.
Am Morgen holten sie mich.
Jeden Tag.
Und da war auch schon das knacken der Türe, die zum Gang führte.
Sofort rutschte ich zurück in die Ecke und meine Fesseln ratterten auffällig.
Ich konnte ihnen sowieso nicht entkommen, aber ich wehrte mich dennoch jedes Mal.
„Du weisst doch wies abläuft. Mach es nicht noch schlimmer Kleine."
Murrte einer der grossen, stämmigen Wachen in der Rüstung die der Namenlose seinen Vasallen nun vorschrieb.
Ich zischte ihn nur an wie eine Verrückte und trat erfolglos nach ihm.
Er wuchtete mich auf seine Schulter als wäre ich eine Feder und schleifte mich aus der Zelle und durch den Gang.
Vorbei an der Hexe in der Zelle gegenüber von mir, die mich jede Nacht seltsam anglotzte aber nie ein Wort sagte.
Sie bemitleidete mich, ich sah es in ihren müden Auen, die in dem fahlen und eingefallenen Gesicht heraus stachen.
Ich hatte auch Mitleid mit ihr, schliesslich hatten sie ihre eigenen Artgenossen weggesperrt.
Als ich schlussendlich wie jeden Tag mit den Knien voran auf den Boden vor dem neuen König gestossen wurde, spürte ich sofort dass Hunter nicht hier war.
Sonst war er es immer.
Das liess meinen frisch gefassten Mut zu erneutem Widerstand etwas sinken.
„Ahhh da ist sie ja. Schlechte Neuigkeiten Sheya."
Der Namenlose trat die Stufen zu mir hinab. Dabei schleifte der schwarze Seidenmantel hinter ihm her, wie ein leiser Begleiter.
Auch mein Begleiter war bei mir.
Da Ace ohne mich verkümmern würde, stand er in einer engen Zelle neben der meiner.
So dass ich ihn jedoch nicht berühren konnte.
Die ersten Nächte hatte er noch laut geheult, doch mittlerweile kamen nur noch winselnde Töne von nebenan, was mir das Herz brach.
Verächtlich sah ich zu ihm hoch, worauf sofort die Wache meinen Kopf wieder nach unten drückte. Ein Wirbel an meinem Nacken knackste und ich atmete langsam ein.
„Weisst du ich wollte dir Zeit geben. Ja das wollte ich wirklich. Aber ich habe wichtige Dinge zu tun.
Meine Herrschaft festigen..."
Ich unterbrach ihn.
„Wie wäre es damit dich selbst aufzuhängen? Wäre sicher lustig."
Spuckte ich aus und wartete auf irgend eine Art von Schmerz, doch der König winkte nur lachend ab.
„Nun, weiter im Text. Ich brauche deine Stärke jetzt. Und da du dich bisher geweigert hast, lasse ich dir keine Wahl mehr."
Ich schluckte. Was hatte er nun vor?
Ich sah seine lackierten Schuhe direkt unter meiner Nasenspitze stehen. Ich fühlte mich nicht einmal mehr gedemütigt, so sehr war ich mir das schon gewohnt.
„Du kannst dich vor mir schützen. Aber nicht vor dir selbst."
Ich erwischte Cole aus den Augenwinkeln, dessen Gesicht bleich geworden war und sofort begann die Angst in meinem Bauch zu pochen.
Passte gut zur Dunkelheit darin.
Ich wurde zurück gezogen und meine Haare fielen zurück über meine Schultern.
Nun stand ich aufrecht da und konnte endlich die anderen Wesen im Saal sehen.
Neben den Wachen und den Hexen die immer da waren, standen heute noch fünf andere hier.
Ein Zwerg, irgend ein Elb und drei Dämonen, vermutete ich.
Sie alle waren in dreckige Lumpen gehüllt und sahen gebrochen aus. Doch die Angst loderte immer noch in ihren Augen. Wahrscheinlich konnten sie sich nicht entscheiden, vor wem sie mehr Angst haben sollten. Dem Namenlosen oder mir.
Dann kamen zwei Hexen auf mich zu, mit einer Injektionsnadel und einem Schlauch.
Ich zuckte zurück.
„Was machst du?"
Schrie ich ihn an, verzweifelt über meine Hilflosigkeit, als sie die Nadel in meinen Arm einführten.
„Wusstest du dass Hexen älter als die meisten Wesen hier werden?"
Der dunkle König lief langsam vor mit hin und her, mitten im Kreis der fünf Gefangenen, die um mich herum standen und zitterten wie Espenlaub.
„Glücklicherweise hat die eine oder andere Erfahrungen mit Elafrÿs gemacht. Und deshalb bin ich zu dieser wunderbaren Methode gelangt, dich endlich zu dem zu machen was ich brauche."
Oh sie sollten wohl doch besser vor mir Angst haben.
„Du kannst mich nicht zu einem Monster machen, nur weil du eines bist."
Ich reckte den Kopf stolz, auch wenn das viel zu viel von meinen Kraftreserven kostete.
Er lachte und nickte einer jungen Hexe mit teuflischem Funkeln in den Augen zu.
Sie hob eine Kanne mit einer etwas silbern schimmernden Flüssigkeit darin an und begann, sie in den Schlauch zu füllen.
Ich geriet in Panik.
„Oh doch, genau genommen kann ich das sogar sehr gut, liebe Sheya."
Die Flüssigkeit näherte sich mir immer weiter, langsam floss sie durch den Schlauch, mit Schrecken verfolgt von mir und den fünf Gefangenen.
„Das ist eine Zuckerlösung, Sheya. Lustig wie so etwas einfaches, zu so etwas gefährlichem führen kann."
Er rieb sich die langen Hände. Seine Fingernägel waren voller schwarzem Dreck, ich wollte gar nicht wissen, woher er diesen hatte.
„Ohgott."
Murmelte ich, als mir klar wurde was er tat.
„Oh ja!"
Erfreut klatschte der namenlose Herrscher dieses Landes in die Hände. Wie ein kleines Kind.
Aber genau dieses kleine Kind brachte mich gleich dazu; zu explodieren.
Zucker lud mich zwar auf, aber ich hatte nie darüber nachgedacht was passierte, wenn ich zu viel davon bekam.
Schweiss brach aus, meine Stirn begann sich heiss anzufühlen, als mich die Injektion erreichte.
Ich hatte Angst die Kontrolle zu verlieren. Bisher hatte ich es geschafft, doch was passierte jetzt? Würde ich diesen Unschuldigen weh tun?
Und würde sich das nicht verbreiten und Angst vor mir schüren?
Meine Gedanken wurden unterbrochen, als mein Körper plötzlich ein wahres Hochgefühl zu spüren bekam.
Ich fühlte mich so fit und stark, ich hätte Baumstämme ausreissen können.
„Schön nicht wahr? Die wenigen Momente, bevor seine Wirkung wirklich einschlägt."
Meinte der neue König hämisch und mit klarem Kopf blitzte ich ihn an.
„Ich werde dich umbringen!"
Versprach ich ihm, doch verfehlte mein Ziel, ihm Angst zu machen.
„Ich denke du wirst nicht kontrollieren können, wen du tötest, meine Liebe."
Er stand direkt vor mir und strich mir eine fettige schwarze Haarsträhne aus dem schmalen Gesicht.
Wie mich diese Bewegung anekelte.
Ich fuhr zusammen, als das Zucker plötzlich die Krallen auszufahren schien.
Es klebte sich an mein Inneres wie eine Wand aus Stärke, die mich dazu drängte, die enorme Spannung abzubauen, die in mir herrschte.
Ich keuchte auf und krümmte mich, weil mein Bauch sich plötzlich zusammenzog, sodass ich beinahe keine Luft mehr bekam.
Die fünf Gefangenen zuckten zurück, wurden jedoch von emotionslosen Wachen wieder vorgestossen.
„Was machst du mit mir?"
Flüsterte ich mit trockenem Mund, während sich meine Blutbahnen an Armen und Händen schwarz zu färben begannen.
Ich spürte wie meine Kontrolle über den riesigen, und von Zucker genährten, schwarzen Ball langsam schwand.
Er breitete sich langsam in meinem ganzen Körper aus, als müsse er es zuerst noch erfassen, dass ich ihn nicht mehr zurück hielt.
„Bitte nicht."
Flüsterte ich zu mir und hoffte darauf, dass mein Körper es schaffte, irgendwie noch eine Blockade zu errichten.
„Geht...weg."
Ich schnappte nach Luft, als meine Augen zu brennen begannen.
Ich sank zu Boden und ballte die Hände zu Fäusten, worauf meine Knöchel blutig aufsprangen.
Als ich den Kopf hob, konnte ich das Spiegelbild meiner pechschwarzen Augen in denen meiner Opfer sehen.
In mir begann es zu pochen, die Energie pulsierte wie ein elektrischer Strom, der nicht aufgehalten werden konnte.
Panisch versuchten die Männer in Ketten an ihren Wärtern vorbei zu kommen.
Sie kratzten und bissen, denn sie wussten was das zu bedeuten hatte.
Genau wie ich.
Der Namenlose und all die Hexen jedoch entfernten sich nun in einen sicheren Bereich.
Weg von mir.
Nur die Gefangenen waren nun noch nahe genug, dass ich sie töten würde.
„Bitte..."
Flehte ich stimmlos.
„Ich will das nicht tun!"
Ich wusste dass man mich nicht hörte und trotzdem stiegen mir die Tränen in die Augen.
Ich hatte meine Gabe nutzen wollen um anderen zu helfen.
Stattdessen wurde mein Körper von mir weggerissen und für böse Zwecke missbraucht.
Ich konnte das nicht einfach zulassen.
Ich begann dagegen anzukämpfen und stiess einen unterdrückten, tiefen Schrei aus, der die Wände zum Zittern brachte, so viel Kraft lag darin.
Dann schien mein Körper zu explodieren, meine Haut schien sich zu teilen. Mit solch einer Wucht rauschte auf einmal all die dunkle Energie aus mir heraus.
Ich warf den Kopf zurück und schrie, denn ich hatte das Gefühl in tausend Fetzen gerissen zu werden.
Dennoch sah ich die dunkle Welle aus mir heraus rauschen, wie die Wellen eines Tsunamis.
Nur Schattenhafter. Und Blitzschnell.
Sie rauschten durch die Wärter und Gefangenen hindurch, färbte ihre Haut schwarz wie Asche und verflüchtigte sich dann einige Zentimeter vor den Füssen des Königs.
Als ich mich soweit erholt hatte dass das Brennen in meinen Gliedern aufhörte, sah ich mit Tränen in den Augen zu meinen Opfern.
„Das interessante ist, sie sind noch da, ihr Bewusstsein spürt genau, wie langsam alles an ihnen aufgelöst wird.
Aufgefressen von der Dunkelheit die in ihnen steckt.
Sie löscht jeden Lebensfunken aus, Sheya."
Hörte ich die Stimme des Königs von weit her.
Doch ich konnte nur die aufgerissenen und schmerzerfüllten Augen der Betroffenen ansehen, deren Körper sich langsam in kleine Teile zerteilte, die langsam auf den Boden schwebten.
Das schlimmste war dass sie schwiegen, kein Ton kam über ihre Lippen.
Und dennoch fühlte ich ihre Schmerzen, ich konnte es ihnen ansehen.
Bis zu dem Punkt als sie alle in sich zusammensanken und nichts als ein Häufchen Asche  übrig blieb.
Das war auch der Moment, indem sich meine Augen verdrehte und ich von Dunkelheit verschluckt wurde.

So, liebe Sternchen und liebe neuen Leser, willkommen beim zweiten Band der Reihe.
Hoffentlich kann ich euch auch dieses Mal eine Geschichte auftischen, die euch genauso fasziniert und überrascht wie beim ersten Band^^
Cole und Hunter bleiben natürlich aktuell, doch eine längst vergessene Macht wird wieder auferstehen^^
Und Ace wird auch nicht mehr der sein, der er war, worüber sich einige bestimmt freuen, hehe :3
Lasst euch überraschen meine Sternchen
Love you
Tala

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt