Sie stand alleine vor mir und ich spürte die Augen meiner Artgenossen an mir haften.
„Die Elafrÿs existieren bereits sehr lange. Wir hatten unsere Beginne lange bevor die ersten Menschen aus ihren Höhlen krochen. Und wir sind ein stolzes Volk, weswegen ich sehr hoffe, dass du das akzeptieren wirst."
Ich starrte sie nur an, die Hand verkrampft in Ace's Fell vergraben.
Erst nach einigen Sekunden verstand ich, dass ich ihr eine Antwort geben musste.
Ich leckte mir über die trockenen Lippen und strich mein Hände immer wieder an meiner Hose ab.
„Ja...ich verspreche euch nicht verändern zu wollen."
Ich linste umher und erkannte zufriedene Blicke.
Einige der Elafrÿs hatten sich Tattoos stechen lassen. Zumindest sah es so aus, denn spezielle und anmutige Formen räkelten sich über ihre Hälse, Wangen oder Schultern.
Vielleicht sollte ich mir auch so eines zutun.
„Wieso bin ich hier?"
Fragte ich dann zögerlich, als Frieda mich nur anstarrte und bis in den Grund meiner Seele zu blicken schien.
„Vor vielen Jahren, bevor die Dunkelheit uns verschluckte, hatten wir auch eine König. Und davor viele andere."
Ich kniff die Augen zusammen und hörte mein Herz in meiner Brust schneller pochen.
Das begann nicht gut.
„Die Stärksten unter uns trugen Kämpfe aus, starben beim Versuch diese Krone auf ihrem Haupt tragen zu dürfen."
Aus ihrem Umhang zog sie mit äusserster Vorsicht und leicht zitternden, faltigen Händen etwas hervor, was in weichen, schwarzen Stoff gewickelt worden war und hielt es so, dass alle es sehen konnten.
„Und heute wird die Krone der Elafrÿs, unser ganzes Vermächtnis, endlich wieder einen Träger finden. Dich Sheya. Wir haben uns entschlossen, dass du unsere Anführerin sein sollst."
Ich stockte und biss die Zähne fest zusammen.
Während hunderte erwartungsvolle Blicke auf mir haftete und sogar der Wald innezuhalten schien, konnte ich nur an eines denken.
Was Leena zu mir gesagt hatte. War es eine gute Idee, mir so viel Macht anzuvertrauen? Vielleicht würde ich darin versinken und nie wieder auftauchen.
„Wieso...ich fühle mich geehrt, aber ich bin noch nicht lange in diesem Reich."
Begann ich und Friedas Augen glitzerten.
„Nein das bist du wahrlich nicht. Doch schon lange kam uns keine Elafrÿ mit deinen Kräften unter. Und du hast uns befreit, uns Hoffnung geschenkt und führst uns heute Abend in einen Krieg. Das ist all das, was ein Anführer tut."
Ich zwang mir ein Lächeln ab und sah dann zu Hunter, der mir nur zuzwinkerte.
„Und Ihr alle vertraut mir genug, um mich diese Krone tragen zu lassen?"
Ich drehte mich im Kreis und versuchte die Stimmungen aufzuschnappen.
Es blieb ruhig und höchstens einige Köpfe nickten.
„Das tun wir."
Frieda schlug langsam den schwarzen Saum zurück und zum Vorschein kam eine weisse, zierliche Krone.
Als hätte man weiss gefärbte Äste dünner Sträucher ineinander Verschlungen und zu einem Kreis geformt. Und in der vorderen Mitte prangte ein Stein.
Ein milchig silberner Stein, so gross die eine Kugel, geschliffen zu einem Vollmond, wie er runder nicht sein könnte.
Als ich genauer hinsah, schien es, als würde sich der Nebel der sich im Stein angesammelt hatte bewegen. Fliessend, als suche er einen Ausweg aus diesem Gefängnis.
„Dieser Stein trägt die Erinnerungen seit Anbeginn unserer Zeit in sich."
Bewunderndes Murmeln kam auf und ich war wohl nicht die Einzige, die ihn das erste Mal sah.
„Er speicherte jede Erinnerung, jeden Augenblick der Gefühle seiner Träger und auch ihre Kraft."
Langsam kam sie auf mich zu und hob die Krone wie ein Schwert.
Mit einem mulmigen Gefühl senkte ich den Kopf etwas und starrte auf das Gras unter mir, dessen Grashalme sich leiht im Wind bewegten.
Als würden sie begeistert hin und her wippen. Oder aber warnend den Kopf schütteln.
„Dieser Stein macht dich zur Mutter aller Elafrÿs. Er lässt dich spüren was mit deinen Artgenossen passiert. Und er lässt dich sehen, was Niemand von uns sieht."
Meinte Frieda feierlich, bevor sie langsam die Krone auf meine weiss schwarzen Haare sinken liess.
„Beweise dich Sheya. Denn dieser Krieg wird nicht der Letzte gewesen sein."
Flüsterte sie, als ich mich wieder erhob und ihr in die grauen Augen sah.
Bevor ich nachfragen konnte, was sie damit meinte, durchfuhr mir ein Blitz und mein Bewusstsein wurde mitgerissen.
Als würde mich ein Strom an Kraft aus meinem Körper in eine andere Zeit ziehen.
Eine Zeit in welcher ich nur ein Geist war und dennoch alles sah.
Ich schnappte nach Luft und verkrampfte mich.
Im nächsten Moment wich die Lichtung voller Elafrÿs einem leeren Landschaftsbild.
Es war nichts da, was ich hätte entdecken können.
Nur der Himmel mit seinen zwei Monden. Nein, drei Monden. Es gab drei von ihnen.
Ich spürte nichts, als würde mein Körper keine Nerven mehr besitzen. Ich war nur Stummer Zeuge einer Geschichte, die diese meiner Vorfahren war.
Dann hörte ich ein Donnern, von weit her und nicht fassbar.
Erst als ich den Kopf gegen Himmel hob, sah ich wie der eine Mond auf die Erde zustürzte.
Ich wollte mich schützen und weg rennen, doch ich konnte mich nicht bewegen.
Alles begann zu kribbeln und der Mond wurde immer kleiner, bis er in Form eines Eis auf den Boden knallte und Staub aufwirbelte.
Meine Augen wurden gross und ich konnte auf einmal auf das glitzernde, blaue Ei zuschreiten.
Darin schien das Universum gefangen zu sein, mit all seinen Planeten und Galaxien.
Irgendetwas in mir wollte dort hinein, wollte diesem Ei nahe sein.
Also streckte ich eine Hand aus, eine Hand die ich weder sah noch richtig spürte.
Und berührte das Ei.
Dann blitzte es und einen Moment sah ich nur weisses, gleissendes Licht.
Dann wurde ich nach hinten geworfen.
Als würde ich mich in einem waagrechten, freien Fall befinden, raste ich durch einen Tunnel.
Einen Tunnel aus blauen Fäden, die sich wie Netze um die Bilder aus Erinnerungen spannen, die an mir vorbei rasten.
Wie der erste Elafrÿ aus dem Ei kroch. Wie er die Pflanzen zum Wachsen brachte, indem er kleine Grashalme berührte.
Wie er das erste Mal auf seine Artgenossen die Zwerge und Elben stiess.
Wie aus einem von uns hunderte wurden.
Wie erste Häuser gebaut wurden und wie erste Versammlungen stattfanden.
Ich sah Liebe, ich sah Angst vor Feuer, dass die Wälder nieder brannte und ich sah Freude, wenn ein neues Mitglied der Gemeinde das Licht der Welt erblickte.
Eine Zeit lang waren die Erinnerung friedlich.
Schön, harmonisch, sodass es mich tief berührte.
Dann wurde die Zeit dunkler und stürmischer.
Ich sah Elafrÿs die Rüstungen schmiedeten, Stürme über das Land wehen und Heere Stellungen beziehen.
Ich sah Elben ihre Schwerter schwingen und Trolle brüllen.
Wir hatten gegen sie alle Krieg geführt. Viele Jahre.
Und irgendwann hatten wir sie alle besiegt.
Wir liessen ihnen ihren Platz, doch die Könige dieser Erde waren wir.
Wir alleine. Und wir zertrümmerten jeden Aufstand den es gab.
Die Geschichte flog an mir vorbei, immer schneller, sodass sich alles um mich herum drehte.
Dann musste ich die Augen schliessen, weil die Bilder so schnell wechselten, dass es weh tat.
Dann hörte ich nur nich das Schreien von Babys, das Klirren von Schwertern und das Knistern von Feuer, bevor es ruhig wurde.
Unheimlich ruhig. Und als ich die Augen langsam wieder öffnete, sah ich die Welt von oben.
Durch einen milchigen Schleier, der mich vom Leben abgrenzte.
Und es war nichts um mich herum. Ich spürte die Anwesenheit vieler anderer, doch ich war alleine.
Voller Angst.
Es traf mich wie ein Schlag, als ich verstand dass dies die Heimat meiner Artgenossen für beinahe 20 Jahre gewesen war.
Dann blitzte es wieder und als ich die Augen öffnete, kniete ich auf der Wiese, die Hände ins Gras gestossen und schwer keuchend.
Doch es war wieder ich.
Ich konnte Ace neben mir hocken spüren und ihn winseln hören.
Ich konnte die Elafrÿs sehen, die sich alle vor mir verbeugten und ich konnte Hunters Arme spüren, die mir wieder aufzustehen halfen.
„Was hast du gesehen?"
Frieda sah hoffnungsvoll aus.
Genauso wie die hundert Augenpaare, die eine Antwort von mir erwarteten.
„Wir..."
Wie sollte ich es ihnen sagen? Sie wollten Hoffnung und Stärke sehen.
Sie würden nicht wahrhaben wollen, dass sie all das angerichtet hatten und dass nicht sie die Opfer der Geschichte waren.
Also konnte ich es ihnen entweder erzählen und meine Krone verlieren, oder ein neues Zeitalter herbeiführen, in welchem es so weiterging wie bisher.
Ich entschied mich für eine dritte Möglichkeit.
„Ich sah wie wir siegten. Viele Male siegten wir. Und viele Male verloren wir Kriege, standen wieder auf und kämpften weiter.
Doch niemals haben wir uns mit anderen verbündet. Dafür wird es Zeit, denn heute kämpfen wir gegen einen Gemeinsamen Feind. Und gemeinsam werden wir auch gewinnen!"
Kurz war es ruhig, und alle starrten mich erwartungsvoll an.
Dann begannen die Schattenwölfe zu heulen. Tiefe, schaurige Töne drangen bis in den hintersten Winkel des Waldes und ich hob die Faust.
„Wir brechen auf!"
Dann brach Jubel aus und ich konnte tief in mir die Freude jedes Einzelnen spüren.
Und so wurde sie auch zu meiner eigenen.
Es war berauschend, zu spüren was all diese Elafrÿs empfanden, die sich auf ihre Wölfe schwangen und in die Hörner bliesen. Die Waffen kampfbereit auf ihre Rücken geschnallt.
„Gut gemacht."
Hunter tauchte neben mir auf und half mir auf Ace.
„Danke."
Murmelte ich und genoss seine Hände auf meinen nackten Armen.
„Erwarte abee nicht dass ich dich jetzt Majestät nenne."
Ich musste lachen und er grinste mich frech an.
Dann war es jetzt also soweit.
Wir holten uns zurück was die Hexen uns genommen hatten.
„Bist du bereit Wölfchen?"
Fragte Hunter und ich atmete tief ein.
„Ja."★
Um ehrlich zu sein war ich nie nervöser gewesen als in der Zeit, in welcher wir auf die Wiese zuritten, die sich ganz am Ende des Waldes befand und wo sich alle Territorien trafen.
Es war Zeit dass die dunkle Herrschaft des neuen Tyrannen endete, bevor er noch schlimmere Dinge anrichten konnte.
Und ich hoffte, die Überzeugung, das halbwegs und doch einzige Richtige zu tun, konnte ich auch in die Köpfe unserer möglichen Verbündeten bringen.
Ich ritt dem langen Zug voraus, kein einziger meines Volkes wollte im Dorf bleiben.
Sie alle wollten sehen was geschah und dabei sein falls gekämpft wurde.
Dabei hatte ich ihnen gesagt dass wir nicht hier waren um gegen die anderen Völker zu kämpfen, sondern um sie für uns zu gewinnen.
Ich hoffte sie respektierten meine Vorschrift.
„Halt!"
Rief ich, als Ace Pfoten auf das sanfte Gras aufsetzten und ich meinen Blick über die Wiese schweifen liess.
Eine einfache Wiede, keine Sträucher oder Steine, nicht einmal Wasser plätscherte.
Sie war gänzlich verlassen.
„Denkst du es ist eine Falle?"
Meinte Hunter neben mit, der bis zu meinem Schattenwolf vorgeritten war.
Das braune Pferd mit dem langen und elegant gebogenem Hals wieherte und spitzte die Ohren.
Argwöhnisch beobachtete ich den Wald um die Wiese herum und den Fuss der Bergkette, in welcher die Zwerge wohnten.
„Ich hoffe nicht."
Murmelt ich dann und liess den Blick zu meinen Artgenossen schweifen.
Genau wie Hunter waren sie darauf konzentriert, etwas auszumachen.
Irgendein Lebenszeichen zu finden.
„Ich finde nicht dass wir warten sollten...wenn sie nicht kommen dann..."
Erhob ein junger Mann die Stimme, als Ace's Ohren plötzlich zuckten und ich ihm mit einem Handzeichen zu verstehen gab, dass er seine Klappe halten sollte.
Murrend trat er zurück. Aber dann hörte auch er es.
Ein bebender Boden, tiefe und schwere Schritte die ihn erzittern liessen.
Meine Augen huschten zu der Schlammlandschaft, an deren Horizont sich riesige Gestalten langsam näherten und mit ihren schweren Keulen schlenkerten.
Dann hörte ich ein summen aus der Luft, wie tausend Bienenschwärme hörte es sich an.
Die Pferde scheuten und warfen die Köpfe hoch.
Das waren die Elfen, in einer riesigen und perfekt symmetrisch angeordneten Schar schossen sie vom blauen Himmel hinab auf einen freien Flecken auf der Wiese zu.
Während mein Volk hinter mir unruhig zu reden begann, leuchteten meine Augen auf.
Sie kamen.
Bald hörten wir das leise und beinahe überhörbare Rascheln von Elbenfüssen, die sich von Baum zu Baum angelten und wie Schatten am anderen Ende der Lichtung auftauchten und sich ordentlich formierten.
Ihre Rüstungen glänzten im Sonnenlicht und ihre Gesichter waren reglos. Nichtssagenden.
Dann wandten sich alle dem Berg zu, aus dessem hohlen Inneren schwere und schnelle Schritte zu hören waren.
Wie eine Armee von tausend Mann klang es durch das Widerhallen und flösste jedem hier Respekt ein.
Ich spürte eine Gänsehaut meinen Rücken hinauf kriechen und hob den Kopf, um genauso stolz und unerreichbar zu wirken wie die anderen Führer.
Die Zwerge zwängten sich durch eine verborgene Ritze im Berg, obwohl ich da keine sehen konnte.
Keine Ahnung wie sie wirklich aus dem Berg hierher gelangten, aber sie strömten jedenfalls auffällig und mit offenen Gesichtern auf die Wiese.
Kleine Männchen und Weibchen, die allesamt trotz ihrer Grösse sehr imposant wirkten.
Sie waren alle da, warteten an den verschiedenen Endungen der Lichtung auf einen Beginn der Versammlung.
Nur die Dämonen hatten sich nicht blicken lassen.
Als ich zu Hunter sah waren seine Gesichtszüge ernst und liessen sich keine Enttäuschung anmerken.
„Du solltest beginnen Sheya."
Meinte er dann und wandte die hellen grünen Auen auf mich. Ihr kraftvolles Leuchten war immer noch etwas zu viel für mich, wenn man bedachte, dass sie vor einiger Zeit kaum noch ein mattes Grün gezeigt hatten.
Ich nickte und atmete tief durch.
„Dann möge das Glück auf unserer Seite sein."
Denn das war es was wir brauchten. Glück.
Ich schnalzte mit der Zunge und mit angelegten Ohren trabte Ace los, auf die Mitte der Lichtung zu.
Die anderen Anführer taten es mir gleich.
Es war wie ein Pulverfass, welches jeden Moment hoch gehen konnte.
Die Anführer in der Mitte und ihre Anhänger am Waldrand, bereit sich gegenseitig anzuspringen wenn es sein musste.
Aber das durfte jetzt nicht passieren.
Denn das war unsere einzige Chance auf Verbündete.So, was vermutet ihr? Wie wird diese Versammlung ablaufen? ★ ich freue mich dass ihr immer noch so Zahlreich am lesen seid und hoffe, dass es so bleibt^^
Love you ♡
Tala ☽
DU LIEST GERADE
Fluch der Küsse*beendet*
Fantasy{Enthält die Fluch-Trilogie} •"Lass die Schmerzen verschwinden."Fordernd drückte er mich an die Wand. „Wie?" Hauchte ich. „Küss mich."• Sheya hat sich daran gewöhnt das in ihrem Leben manchmal merkwürdige Dinge passieren. Beispielsweise küsst sie Wi...