Chapter 9~Der Schlüssel zur Freiheit

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Kein Ton entwich seiner Kehle, dafür war ich zu schnell.
Ich tötete ihn kurz und schmerzlos, ein einfacher Fluch direkt auf sein Herz gerichtet.
Es hörte auf zu schlagen und das war es auch.
Er sank in sich zusammen, atmete nich einige Mal ein und war dann ganz still.
Etwas angeekelt wich ich von ihm zurück und strich meine Finger an meinem Mantel ab.
„Gute Nacht."
Murmelte ich dann und riss den Schlüsselbund von seinem Wams.
Dann drehte ich mich zur Türe und hielt inne.
Mit gerunzelter Stirn wandte ich mich nochmals dem Toten Kerkermeister zu und rückte seinen Kopf etwas gerader.
Zufrieden nickte ich.
Dann steckte ich den Schlüssel ins schloss und hörte das Klicken, als ich aufschloss.
Mein Herz begann schneller zu klopfen, jetzt würde ich sie endlich wiedersehen.
Ich stiess die knarrende Türe auf und blickte auf den vertrauten Gang.
Zwischen den Zellen waren steinerne Säulen angebracht an denen die Fackeln brannten wie vor wenigen Wochen, als ich noch hier sass.
Ich trat langsam ein, die Pfützen am Boden sogen sich in meine Stiefel und ich rutschte beinahe auf Strohhalmen aus, die wild verstreut herum lagen.
Mein Blick wanderte zu meiner alten Zelle.
Sie war leer. Nur das Loch, durch welches ich entkommen war, war zugemauert.
Das fiel als Fluchtweg also schonmal weg.
Dann drehte ich mich zur Zelle links von mir.
Die Fackeln erleuchteten sie nur bis zur Hälfte und ich konnte einen rasselnden Atem hören.
Mit wenigen Schritten war ich bei den Gittern und öffnete sie mit dem Schlüssel.
„Bist du da?"
Flüsterte ich leise, weil ich nach allem ihren Namen noch immer nicht wusste.
Keine Antwort.
Jetzt wurde ich unruhig.
„Ich bin's, Sheya. Gib mir ein Zeichen, wenn du hier bist."
Flüsterte ich, während ich mich näher an die dunkle Ecke wagte.
„Sheya? Was tust du hier?"
Erklang eine schwache, kratzige Stimme und kurz darauf ein schreckliches Husten.
Dann wieder ein pfeifendes Einatmen.
Ich packte mir die Fackel und lief über das Stroh zu der Hexe.
Jetzt konnte ich sie deutlich sehen.
Im Licht des Feuers schloss sie die Augen.
Mir wurde eiskalt.
Überall prangten Striemen von Peitschenhieben an ihrem Körper, viele davon waren entzündet.
Ihre Lippen waren aufgesprungen, ihre Wangen so bleich wie die einer Leiche.
Schweiss stand ihr auf die Stirn geschrieben und ihr Körper lag kraftlos in meinen Armen, als ich sie etwas aufraffte.
„Was haben sie mit dir gemacht..."
Hauchte ih erschrocken und sie verzog die Lippen zu einem schwachen lächeln.
Blut tropfte.
„Der König mag es nicht, wenn man seiner wertvollsten Gefangenen zur Flucht verhilft. Und an Jemandem muss er ja seine Wut auslassen."
Sie krümmte sich und hustete, als würde sie gleich ihre Seele aus dem Leib spucken.
„Es tut mir so leid, dass ich so lange gebraucht habe."
Das schlechte Gewissen nagte an mir und ich legte meine Hand auf ihren Arm.
„Du bist gekommen. Das ist mehr, als ich erwartet habe. Und du hast dein Volk befreit. Meinen Mann. Hast du Julien gesehen?"
Ich wusste es ehrlich nicht.
„Lass mich dich heilen, dann kannst du selbst nachsehen gehen."
Meinte ich sanft lächelnd und sie schüttelte den Kopf, während sie ihre Finger in meinen Umhang krallte.
„Du kannst eine Hexe nicht heilen, mein Kind. Unsere Kräfte würden sich in mir gegenseitig auffressen. Wenn du mich wirklich raus holen willst, dann musst du es so tun."
Ich biss die Zähne zusammen.
Das würde deutlich schwerer werden.
Doch ich würde mich davon nicht abhalten lassen.
Ich hatte mir geschworen sie raus zu holen und das tat ich auch.
Schnell schloss ich die Ketten an ihren Füssen auf und hievte sie auf meine Schulter. Dann schleppte ich sie raus auf den Gang, wo ich sie an eine Mauer lehnte und ihr eine Fackel in die schlaffe Hand drückte.
„Ich bin gleich zurück, wir gehen hier zusammen raus, okey?"
Sie nickte schwach.
„Lexa."
Ich runzelte die Stirn.
„Was?"
„Mein Name. Ich heisse Lexa."
Ich musste lächeln.
„Schön dich endlich kennen zu lernen, Lexa."
Dann huschte ich weiter und hoffte, die übrigen Gefangenen nicht zu wecken, denn ich konnte sie nicht alle befreien. Das war zu auffällig und wer wusste, was sonst noch für Gesindel da unten hockte.
Als erstes war ich bei meinem Wolf, der bereits winselnd an der Mauer kratzte.
Ich schloss die Türe auf und wurde beinahe umgeworfen.
Ein Fellbüschel auf schmalen Beinen zerquetschte mich beinahe an der hinteren Wand und ich schnappte nach Luft.
Obwohl mich der schwere Körper beinahe zerdrückte, wurde mir trotzdem so wahnsinnig warm ums Herz.
Sein Winseln und wie der Wolf mit dem Schwanz wedelte, war wirklich allerliebst.
Es tat so gut, meinen Gefährten wieder bei mir zu haben, wo ich doch so lange ohne ihn hatte sein müssen.
„Hey, alles gut mein Grosser. Jetzt bin ich wieder da!"
Ich vergrub meine Hände in seinem tiefen, schwarzen Fell, welches selbst jetzt noch matt glänzte.
Durch unser Band spürte ich, dass auch das intelligente Tier eine unglaubliche Erleichterung spürte.
So lange hatte ich ohne meinen besten Freund sein müssen und jetzt würde ich ihn nicht mehr alleine lassen.
Er vergrub seine Schnauze an meiner Schulter und legte die Ohren nach vorne, während er mit den Pfoten wild auf den Boden schlug.
Ich spürte die Rippen unter dem dicken Fell, all die kraftvollen und prächtigen Muskeln waren verloren, durch das wochenlange, unbewegliche Stehen in einem winzigen Kerker.
Ich hatte ihn da rein gezogen und ich war verantwortlich dafür.
„Alles wird gut."
Flüsterte ich und spürte das Stechen im Herz, als ich meinen mageren Schattenwolf wieder loslassen musste.
Er spürte was ich vorhatte und trabte mit langsamen Schritten und gesenktem Kopf zu Lexa, welche er dann winselnd an stupste.
Ich blickte zu ihr zurück und Ace machte so lange weiter, bis sie schwach ihre dünne Hand hob und ihn kraulte.
„Danke Ace."
Murmelte ich und warf dann in jede Zelle einen Blick.
Einige waren leer, einige waren besetzt mit schlafenden Wesen, in der Ecke zusammengerollt und wahrscheinlich halb erfroren in dieser kühlen Nacht.
Sofort beschlich mich ein schlechtes Gewissen, dass ich einfach weiter lief und, vielleicht zum Teil Unschuldige, einfach in ihrem Verderben liess, obwohl ich die Möglichkeit hätte, ihnen zu helfen.
Aber die Zeit rann mir zwischen den Fingern durch und ich hetzte mit so leisen Schritten wie möglich den Gang entlang.
Dann endlich erkannte ich die Geschwister in derselben Zelle.
Sie waren angekettet, jeweils an ihren Händen an die Wand hinter ihnen.
Hunter sass mit gesenktem Kopf aber aufrechter Haltung da, Leena hatte sich auf dem zusammen gekratzten Stroh zusammengerollt.
Ihre langen Haare verteilten sich auf dem schmutzigen Boden und ich hörte ihr regelmässiges atmen.
Und sah ihre aufgeschrammten Arme und die schattigen Gesichter.
Mit feuchten Fingern suchte ich aus den schweren, metallenen Schlüssel den richtigen raus und steckte ihn ins Schloss, welches mit einem lauten Quietschen aufsprang.
Innerhalb einer Sekunde hatte Hunter den Kopf gehoben und spannte die Ketten durch, als er knurrend aufsprang.
Seine Fesseln hemmten wahrscheinlich wie bei mir seine Kräfte.
„Sheya?"
Fragte er dann und verliess seine angespannte Einstellung, um sich an die Wand zu lehnen und sich durch die fettigen, dunkeln Haare zu streichen, die beinahe mit den Schatten ins Unkenntliche verschmolzen waren.
Ich schluckte und es war kurz, als würde ich in die Zeiten meiner Kindheit zurückversetzt werden. Die Momente, in welchen ich meinen Schwarm gesehen hatte und meine Arme wie verrückt zu zittern begonnen hatten. Nicht dass Hunter mein Schwarm war. Ich freute mich nur, in wieder zu sehen. Genau wie Leena.
„Ja, ich hole euch jetzt hier raus."
Ich musste leicht grinsen, als ich Hunters erleichtertes Nicken mitbekam.
„Wurde aber auch Zeit. Ich dachte schon ich muss hier unten sterben, nachdem ich doch endlich meine Kräfte zurück habe."
Ich machte mich hastig atmend daran, seine Fesseln zu lösen und als er sich aufrichtete, überragte er mich wieder ein ganzes Stück.
Er rieb sich mit funkelnden Augen die Handgelenke.
„ah ja. Jetzt spüre ich meine Kräfte wieder.
Wie ich das vermisst habe."
Ich grinste nur, weil ich genau wusste, wie es sich anfühlte.
Dann tappte ich über das Stroh zu meiner Freundin rüber und bückte mich.
„Warte, ich mach dich los."
Nuschelte ich und griff nach der Kette um ihren schlanken Fuss.
Doch sie zog ihn weg.
Verwirrt hob ich den Kopf.
Sie hatte den Blick von mir abgewandt und ihre verfilzten Haare warfen dunkle Schatten auf ihr schmales Gesicht.
„Leena?"
Fragte ich perplex und fragend, doch sie reagierte nicht.
Was war denn los? Wollte sie hier nicht raus oder was! Beunruhig linste ich zu Hunter hoch, der sich am Nacken kratzte.
„Joa...Warte lass mich besser machen."
Obwohl ich gerne gefragt hätte, was Leenas Problem war, schwieg ich nur und stand auf um ihrem Bruder Platz zu machen.
„Na komm Kleine."
Hunter klang sanft, so wie immer wenn er mit seiner kleinen Schwester sprach.
Das bewundere ich so an dem starken Jungen, wie sich doch ein weicher Kern in seinem Innern verbarg. Und ich hatte auch das Gefühl, dass er ihn mir bisher nun ein wenig gezeigt hatte.
Mit einem Fingerschnipsen sprangen die Ketten auf, gesprengt von den zahlreichen Schatten hier unten.
Dann half er Leena auf und ihr abgemagerter Körper hing schwer auf Hunters Schulter.
Es tat weh, das so zu sehen.
„Na los, gehen wir."
Hunter nickte mit dem Kinn in Richtung Tür und schien der Einzige zu sein, der seine innere Kraft beibehalten hatte.
Sofort trat ich aus der stinkenden Zelle und vorbei an den anderen Insassen, die mittlerweile aufgewacht waren.
Lexa hatte sich bereits, auf Ace's breitem Rücken abgestützt, auf den Weg zur Tür gemacht, Hunter folgte mit Leena.
Ich hatte dasselbe vor, doch dann zögerte ich.
Die Insassen streckten ihre schmutzigen Arme durch die Gitter, flehten nach ihrer Freiheit, die ich in den Händen hielt.
Ich war mir grosse Macht unterdessen gewohnt, aber nicht solche Macht über andere.
Ich hatte keine Zeit alle aufzuschliessen und vielleicht waren auch echt üble Gestalten darunter.
Doch ihre flehenden Rufe nach dem Schlüssel in meiner Hand dröhnten in meinen Ohren.
„Mist."
Ich konnte es einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, den Schlüssel nicht dafür einzusetzen, wofür er gedacht war.
Ich sah abwechselnd von den rostig roten, alten und klobigen Schlüsseln zu den Gefangenen, die ihre Hände nach mir ausstreckten, als würden sie versuchen, nach der Freiheit zu greifen.
„Befrei die Anderen!"
Rief ich dann dem Gefangenen in Lumpenkleidern zu, der mir am nächsten war und warf den gesamten Schlüsselbund in seine Zelle.
Gierig stürzte er sich auf ihn und begann sogleich mit rabenschwarzen Fingern das Schloss zu öffnen.
Sie würden es bestimmt nicht alle aus dem Schloss schaffen, die Wachen würden einige von ihnen einfangen. Aber einige würden entkommen.
Und zudem stifteten sie Unruhe und lenkten so von dem Verschwinden meiner Freunde und mir ab.
Kurz schüttelte ich den Kopf und konnte nicht zu meinen Freunden laufen, welche in der kleinen Türe schon nicht mehr zu sehen waren.
Ich stand Menschenleben sonst nie berechnend gegenüber. Nur jetzt.
Ich wurde von einigen angerempelt, die sich gegenseitig auf die Beine halfen und wispernd und mit eingerosteten Stimmen jubelte.
Dann steckte Hunter den Kopf durch die Türe und winkte mir hastig.
„Beweg dich Sheya! Ich will nicht zurück hier rein."
Seine Stimme legte in mit den Hebel um und ich raffte mich zusammen.
Dann rannte ich mit weiten Schritten durch den hallenden Gang und vorbei an der Leiche, die ich getötet hatte.
Und ich spürte noch immer kein schlechtes Gewissen, als ich den Gang hinauf rannte und in der Dunkelheit verschwand.

Wieso fühlt sie sich wohl plötzlich nicht mehr schlecht?^^ Hoffentlich fandet ihr das Kapitel spannend und für anständige Rückmeldungen bin ich immer offen :) ich freue mich auf eure Kommis
Tala

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt