Chapter 8~Der Tod in Person

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Ich sah wie Pfeile und Armbrüste auf mich gerichtet wurden, doch ich liess mir nichts anmerken.
Ich atmete den kühlen Wind tief in mein Lungen ein und hoffte, dass er auch die Unruhe in mir einfror.
Meine Hände zitterten, doch zum Glück waren sie in der Mähne des trabenden Tieres versteckt.
„Halte ein! Fremder!"
Erklang ein lauter Ruf und ich linste unauffällig an der schwarzen Festungsmauer hoch.
Kurz unter dem hohen Turm war eine Plattform angebracht, gleich über dem Tor, von dem man gemütlich in den Wald hinter mir gelangen konnte, ohne die unten liegende Stadt passieren zu müssen.
Wenn man ein verhasster König war, war das wahrscheinlich ziemlich praktisch.
Nur zur Sicherheit wägte ich meine Chancen ab, falls es schief laufen würde.
Drei Wachen standen auf der Plattform, alle hatten die Waffen auf mich gerichtet.
Zwei Hexen sassen an den Fenstern im Turm. Und ich war mir sicher, dass es noch versteckte Verstärkung geben würde.
Die Männer konnte ich täuschen, doch ich musste meine innere Magie so ruhig wie möglich halten. Ansonsten würden diese Hexenbiester das spüren.
Ich hielt mein Pferd gleich unter dem Turm an, mit nur wenigen Sprüngen zum Tor.
„Wieso begehrst du Einlass hier oben?"
Ich hörte das Klicken einer Waffe und schloss die Augen.
Es war nur ein Test, sie würden einen Fremden ohne Waffen nicht sofort erschiessen. Oder doch?
Auf jeden Fall durfte ich much nicht wehren, auch wenn alles in mir nach Verteidigung schrie.
Ein Pfeil streifte meine Kapuze und stach dann zischend in die Erde, wo er mit zitterndem Holzstab stecken blieb.
Ich tat so, als würde ich zusammenzucken, so wie es jeder machen würde, der normal war.
Na super, jetzt bezeichnete ich mich schon als abnormal.
Ich seufzte leise und wartete einen kurzen Moment, bevor ich mir sicher war, dass meine Stimme so klang wie beabsichtigt.
„Verzeiht...ich, ich bin geschickt worden um die Kerkermeister...etwas zu erquicken, wenn ihr versteht."
In meiner Stimme schwang sowohl Ehrfurcht als auch etwas versautes mit. Ich war selbst erschrocken von mir, wie überzeugend das rüber kam und beschloss, diesen Moment aus meinen Erinnerungen zu streichen.
„Oh ja, wir verstehen! Da hat er mal wieder Glück der alte Tristan!"
Ich schwieg und bedankte mich bei dem Idioten für den Namen meines Opfers. Das würde mich bestimmt vertrauenswürdiger machen.
„Sie kann rein!"
Schrie der eine Mann nach oben und beugte sich dann über den Rand der Plattform.
„Und wenn du fertig bist, kannst du uns hier oben ruhig auch mal besuchen!"
Gegröle seiner Kameraden ertönte.
„Ich schaue ob es sich einrichten lässt."
Frech liess ich ein helles Lachen erklingen und machte mich innerlich über den Wachmann lustig.
Sie waren bereit, ein Heer abzuwendenden, aber luden den Tod in Person zu sich ein.
Dumme Wesen.
Ich runzelte die Stirn. Seit wann dachte ich so abschätzig über andere Wesen? Das war erst so seit die anderen Elafrÿs in meiner Nähe waren.
Langsam und ratternd öffneten sich die Metalltore und schwenkten nach innen rein.
Die Stacheln an der Aussenseite blitzten sauber und spitz, davon wollte ich lieber nicht aufgespiesst werden.
„Bis später junge Dame!"
Rief mir der eine Nach und schob sich den Helm etwas aus dem Gesicht, doch ich antwortete nicht mehr.
Mein Pferd überschritt jetzt die Grenze ins Schloss und damit war der erste Schritt getan.
Jetzt musste ich nur noch in den Kerker finden.
Um Zeit zu sparen, bewegte ich mich regelmässig auf dem Rücken des massigen Pferdes, welches mit gemächlichen Schritten durch die Halle aus Stein lief.
Dann kam mir einer der überall an den Seiten des runden Raumes stehenden Soldaten entgegen und wies mich stumm an, abzusteigen.
Ich tat wie mir geheissen und schenkte ihm mein unschuldigstes lächeln.
Er war nicht beeindruckt, also musste ich wohl noch etwas üben.
„Danke mein Herr."
Flüsterte ich ergeben und knickste vor ihm.
Das gefiel ihm schon eher. Sagen tat er trotzdem nichts und führte das Pferd nur zu einer Stange an der einen Mauer, wo er es anband und mit Stroh etwas abrieb.
Im Vorbeigehen zählte ich kurz die Wachen. Es waren sieben, alle gut bestückt und wahrscheinlich darunter auch magische Wesen.
Dann liess ich mir die Kapuze etwas mehr ins Gesicht rutschten und machte mich an den Abstieg.
Es gab nur eine grosse Treppe, die gewunden nach unten führte, aus dem Turm ins Schloss hinein.
Ich hielt mich mit den Händen an den nassen, steinigen Wänden fest und Fackeln warfen ihr tanzendes Licht auf die Felswände und die langen Stufen, welche alles andere als eben waren.
Meine Schritte klangen laut wieder und mein unruhiger Atem sass mir selbst im Nacken, als würde ich verfolgt werden.
Doch ich spürte, dass dies nicht der Fall war.
Die Schatten des Feuers tanzten auf meinem Gesicht, als ich am Ende der langen Treppe angekommen war und ich linste aus der offenen Tür.
Hier war ich schon gewesen, es war nur ein Katzensprung von meinem alten Zimmer entfernt, an welchem ich erstmals die Bilder meiner Geschichte an der Decke gesehen hatte.
Ich hatte mich oft gefragt, was die zwei Wachen vor der Öffnung zum Turm wohl bewachten, hatte es aber nie herausfinden dürfen.
Die zwei Wachen. Ich drückte mich flach an die Wand und konzentrierte mich dann.
Ich hob eine Hand und streckte meine Finger, bevor ich mich darauf konzentrierte, eine kleine Menge der dunkeln Masse aus Schatten und Flüchen, aus meinen Fingern schweben zu lassen.
Ich lenkte die Schatten wie sich windende Schlangen.
Sie waren leise und die Wachen, die auf der anderen Seite der Mauer standen, merkten nicht wie sie sich an ihren Rüstungen hinauf schlängelten und sich bei der ersten Gelegenheit auf ihre ungeschützte Haut stürzten.
Ich konnte das alles sehen, obwohl vor meinem Gesicht nur eine Mauer und die Treppe war.
Ich konnte den Weg der Schatten beobachten, weil sie ein Teil von mir waren.
Es war ganz still, einige Minuten lang.
Dann setzte das keuchen ein und wenige Sekunden später war es wieder ruhig.
Die unauffälligste Methode zu töten.
Als ich ihre schlaffen Körper hinter die Mauer im Turm zerrte, erinnerte ich mich an den ersten Mann, den ich schwer verletzt hatte.
Ich hatte mir Vorwürfe gemacht und hatte Angst vor mir selbst gehabt.
Jetzt verspürte ich keine Scham, geschweige denn Mitleid mit den Männern, denen ich gerade das Leben gestohlen hatte.
Was war nur mit mir los. Die Elafrÿs veränderten mich, doch wie konnte ich das stoppen?
Der Gedanke quälte mich auch noch, als ich an die Wand gedrückt die schönen, prächtigen Gänge des Schlosses entlang huschte.
Das Gold war genauso prächtig wie früher und die Gänge sauber geputzt.
Doch die einst so grünen Pflanzen überall, waren abgestorben und liessen den Ort düster und unheilvoll wirken.
In demselben Augenblick in welchem eine Wache ihre Runde auf dem Gang drehte, auf welchem ich mich aufhielt, bog ich nach links ab.
Ich hatte mich daran erinnert, wie ich aus dem Kerker hier raus geschleppt worden war. Und von hier war der Thronsaal nicht mehr weit entfernt.
Also musste es diese Treppe sein, die in das tiefe Schwarz hinunter führte und die nach nasser Luft und verrottendem Stroh roch.
Hier gab es keine Fackeln mehr, es war nur Dunkelheit und ich musste mich mit zittrigen Händen vortasten, damit ich nicht über die Stufen stolperte.
Es roch ekelhaft und ich zwang mich; meine Nase nicht zuzuhalten.
Dann erstarrte ich mitten in der Bewegung.
Die Dunkelheit um mich herum machte mir keine Angst, immerhin konnte ich über sie Herrschen.
Nein, ein ganz anderer Gedanke hatte sich in meinem Kopf festgefressen.
In einem der obigen, prächtigen Gemächern schlief der Namenlose Thronverräter.
Ich war mir sicher dass ich ihn und seine Wachen überwältigen konnte, bevor mehr Wachen eintrafen.
Es war nur all zu verlockend, selbst wenn ich dann wahrscheinlich mein Leben geben müsste.
Aber dann würden sie vermutlich auch meine Freunde töten.
Und ich war schliesslich gekommen um sie hier raus zu holen, nicht um meine Rachegelüste zu erfüllen.
Ich fluchte leise vor mich hin und machte mich an den weiteren Abstieg.
Ab und zu streiften meine Finger Spinnweben oder andere, klebrige Dinge, doch ich biss nur die Zähne zusammen.
Was wäre ich für eine Elafrÿ, wenn ich mich von sowas vertreiben lassen würde.
Nach einer Weile, in der ich dachte das Ende dieser Treppe niemals zu erreichen, entdeckte ich den Schwachen Schein einer Fackel.
Ich hielt inne und schon meinen Kopf langsam über die Kante der Mauer.
Vor mir lag ein kleiner runder Raum, von dem nur eine Türe weg führte.
Sie war aus dickem Holz und mit Metallgittern an der Öffnung in der oberen Mitte versehen.
Unter der Fackel, die ihr schwaches Licht auf das tropfende Wasser an den Rändern der Wand warf, sass ein Wachmann.
Auf einem hölzernen Schemel, nicht gerade bequem.
An seinem braunen Wams hing ein schwerer Schlüsselbund und meine Augen griffen förmlich gierig danach.
Er schlief, schnarchende Geräusche dröhnten durch den Raum.
Er war ziemlich fettleibig, sein runder Eierkopf war ihm auf die Brust gekippt und seine Nasenflügel blähten sich bei jedem Einatmen.
In seiner linken Hand hielt er ein Kurzschwer und neben ihm ruhte eine Armbrust.
Ich könnte versuchen mich an ihm vorbei zu schleichen.
Doch die Gefahr bestand dann, dass er aufwachte und Alarm auslöste.
So sehr es mir auch missfiel, ich musste mein Spiel mit ihm spielen.
Ich atmete einmal tief die modrige Kerkerluft ein und trat dann mit einem breiten Lächeln aus dem Treppenhaus hervor.
Laut. So dass er aufwachte und sich an der Mauer fest halten musste, um nicht vom Stuhl zu fallen.
Ekelhaft.
„Was willst du!"
Halb verschlafen aber sofort auf den kurzen Stummelbeinchen hielt er mir sein Schwert entgegen und schwenkte es drohend.
Sie hatten wohl nicht den Besten der Besten für diesen Job angestellt.
Aber wert erwartete auch, dass ein Gefangener durch das Schloss, an Wachen vorbei hinaus zu spazieren versuchte.
„Tristan? Ich bin als Vertretung für die andere geschickt worden."
Ich lächelte sanft und nahm die Kapuze ab.
Aber nur soweit, dass er das Schwarz meiner Haare sah, das weisse jedoch unter dem Mantel verborgen blieb.
Er blinzelte einmal verwirrt, der schweiss auf seinem kahlen Schädel glänzte unter dem Schein des Feuers.
„Maria? Was hat sie denn?"
Fragte er und steckte das Schwer in seine Scheide zurück, bevor er mich mit dem Kopf zu sich nickte.
„Sie wurde heute Nacht woanders gebraucht, aber ich versichere euch Herr, es wird euch an nichts fehlen."
Mit langsamen, gut durchdachten Schritten kam ich auf ihn zu, ein verführerisches Lächeln auf den Lippen.
Wie ein Wolf, der sich seinem nichts ahnenden Opfer näherte, bevor er dann zuschnappte.
„Dich habe ich hier aber noch nie gesehen."
Meinte er und kratzte sich am Kragen, während er einen kurzen Kontrollblick durch das Gitter in die Kerker warf.
Ich überwand meinen Ekel und drehte sein Gesicht zu mir.
„Das kann ich mir gut vorstellen. Ich bin nur für besondere Zwecke gedacht."
Säuselte ich und strich mit meinen langen Nägeln langsam sein Gesicht entlang.
Er schloss die Augen und nickte eilig.
Eine Hand auf seine dicke Brust gelegt, führte ich ihn zurück zum Stuhl und stiess ihn darauf, während ich vor ihm stand und lächelte.
„Also bist du eine ganz Spezielle."
Murmelte er und ich musste grinsen.
Dann beugte ich mich tief zu ihm runter, bis ich ihm genau in die Augen sehen konnte.
Er riss die seinen Auf und schnappte nach Luft.
„Auf eine gewisse Art, ja."
Hauchte ich und konnte in seinen panischen Augen das Spiegelbild meiner schwarz glühenden Augen sehen.

Denkt ihr die Flucht wird gelingen, oder wird sich noch etwas in den Weg stellen?^^
Bin gespannt auf Rückmeldungen und ich hoffe, dass ich euch immer noch ein Kopfkino bescheren kann, auch in diesem zweiten Band :3
Alles liebe
Tala

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt