Chapter 6~Das Loch in der Mauer

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Als ich im Dorf der Dämonen ankam war ich erstaunt. Es sah nicht viel anders aus als bei den Elafrÿs. Steinhäuser, etwas höher als die unseren standen im Kreis um einen grossen Ziehbrunnen herum, das Gras in der Mitte war zertrampelt und voller Gerümpel.
Ich hatte die Lichtung kaum betreten, als sich aus der Dunkelheit zwischen den Bäumen hochgewachsene Dämonen lösten und mir den Weg versperrten.
Sofort regte sich in mir ein Widerstand und die Lust, sie einfach beiseite zu fegen. Einfach, weil ich es konnte.
Doch ich riss mich zusammen und hielt das Pferd an, welches scheute.
„Ich bin Sheya Darkbloom, ich bin geschickt von der Königin der Blutstadt höchstpersönlich."
Die finsteren Gesichter der Dämonen veränderten sich kein bisschen.
„Absteigen."
Meinte der eine mit tiefer Stimme, der andere liess schwarze Funken aus seinen Fingern sprühen.
Das machte mir keine Angst, ich bräuchte nur in seine Augen zu sehen, damit er tot umfiele.
Ich nickte langsam und biss die Zähne zusammen.
„Na gut."
Ich schwang mich aus dem Sattel und setzte leicht auf dem Boden auf.
Als ich nach den Zügeln von Hunters Pferd griff, packte sie der eine vor mir.
Seine schwarzen Augen waren unheimlich kalt, wahrscheinlich war ich nicht gerade ihr Lieblingsmensch auf Erden.
Demonstrativ führte er das Tier weg zu einem der Ställe, während ich mit dem anderen zurück blieb.
Unterdessen waren auch einige Dämonen aus den Häusern gekommen.
Meine Anwesenheit war anscheinend deutlich spürbar.
„Mitkommen."
Der Mann in völligem Schwarz, lief einfach los und ich beschloss, ihm jetzt einfach zu folgen.
No risk, no fun, hatte es in der menschlichen Welt immer geheissen.
Keine Ahnung ob sie dieses Sprichwort hier kannten.
Die finsteren und kühlen Blicke der Einwohner trafen mich wie Speere.
Garantiert hätte ich früher an mir gezweifelt, doch jetzt prallten sie alle an einem unsichtbaren Schild ab und ich lief unbeeindruckt an ihnen vorbei.
Es war gut zu wissen, dass man die Mittel hatte, um sich zu verteidigen. Solange man sie auch wirklich nur zur Verteidigung brauchte.
„Sheya...was für eine überaus angenehme Überraschung."
Kellan stand neben dem Ziehbrunnen, hinter ihm eine Schar an mies gelaunten Dämonen.
Jetzt erkannte ich auch, was das Zeug war, das überall herum lag.
Waffen. Schwerter, Pfeile und Bogen lagen in Massen herum.
Na super.
Sie versuchten ja nicht einmal, es zu verstecken.
„Ich wünschte ich könnte dasselbe sagen."
Meinte ich trocken und entdeckte dann Leena neben Kellan.
Er hatte einen Arm um ihre Taille gelegt und ich verzog die Lippen.
Sie sah mich nicht an, spielte nur mit der Schulter ihres neuen Freundes.
Dumme Pute.
„Also, was führt dich zu uns?"
Kellan hatte selbstbewusst den Kopf gehoben und musterte mich mit einem gefährlichen Lächeln.
Jetzt reiss dich zusammen Sheya, dachte ich mir.
Jetzt ging es ein einziges Mal nicht um meinen Stolz, sondern darum, das Richtige zu tun.
Ich leckte mir über die trockenen Lippen.
„Ich bin im Namen von Königin Lexa gekommen, um mit euch Friedensgespräche zu führen..."
Kellan wollte etwas sagen, doch ich hob einen Finger.
Jetzt musste es raus, sonst würde ich noch an den Worten ersticken.
„Und ich möchte mich entschuldigen, dafür, dass ich euch auf meiner Reise der Heilung ausgelassen habe.
Mir ist bewusst, wieviele ich dadurch sterben lassen habe, doch ich hegte nie böse Absichten."
Es wurde Still.
Dann knackste Kellan mit den Gelenken.
„Ist das auch im Namen der Königin?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Das kommt allein von mir."
Er nickte langsam und liess dann den Blick über sein Volk schweifen, als müsste er nachdenken.
Doch Leena dachte schneller.
„Denkst du wirklich, eine einfache Entschuldigung macht es wieder gut, dass du dutzende Dämonen hast sterben lassen? Und dazu hast du noch die Elafrÿs zurück geholt, dann hättest du die Heilungen auch gleich lassen können."
Giftete sie und trat einen Schritt nach vorne.
Sofort reagierten alle Alarmglocken in mir darauf.
„Leena..."
Mahnend legte Kellan ihr ein Hand auf die Schulter.
„Lassen wir sie doch sagen, was sie zu sagen hat."
Leena schüttelte ihn ab.
Sie wartete anscheinend schon lange auf eine Gelegenheit, mir all das an den Kopf zu werfen.
„Nein, das ist nur irgendwelches Gesülze damit wir den Frieden wahren, den sie wieder zerstören will."
Ich presste die Lippen zusammen.
„Leena...du weisst so gut wie ich dass ich keine Wahl hatte, ich musste dem König helfen.."
Sie schüttelte den Kopf und ihre Augen leuchteten fast so intensiv wie die ihres Bruders.
Ach wäre er bloss hier.
„Bullshit!"
Schrie sie und die Schatten an den Bäumen begannen sich unruhig zu bewegen.
„Du bist genauso vergiftet wie der Rest deines Volkes! Ihr seid ein Fluch für uns alle hier!"
Ich ballte die Hände zu Fäusten.
Jetzt war aber mal genug.
„Ich bin mir sicher du hast deinen Zwergenfreund auch nicht sonderlich glücklich gemacht, als du dich an den nächstbesten Anführer ran geschmissen hast."
Kühl legte ich den Kopf schief.
Wow, ich wurde immer besser darin.
Ihre Wangen glühten und in ihren Augen blitzte der pure Zorn.
„Du hättest niemals herkommen sollen, Sheya! Wir wären alle besser dran gewesen, ohne dich."
Das tat weh.
Ihre Worte bohrten sich tief in mein Herz und dieses mal wehrte sie kein Schild ab.
Ich atmete leise ein, um den stechenden Schmerz zu erlösen, der sich in meiner Brust eingenistet hatte.
„Nungut, ich bin nicht hier um mit dir zu reden. Ich möchte mit dem Anführer reden. Und nur mit ihm."
Ich richtete die Augen auf Kellan, der seufzte und langsam auf ein Haus deutete.
„Natürlich. Lass uns reden."
Ich nickte langsam und setzte mich in Bewegung.
Ich lief hinter ihm her und an Leena vorbei, die ich keines Blickes würdigte.
Sie bebte vor Wut und ich konnte spüren, wie sie aus ihr heraus rauschte.
Im letzten Moment fuhr ich herum und hob die Hand.
Die Schattenkugeln die auf mich zugeschossen waren, zerplatzten an meiner Hand und lösten sich in Rauch auf, als ich sie weg wischte.
„Das hast du gerade nicht getan."
Knurrte ich und meine Augen färbten sich dunkel, was ich an meiner verbesserten Sicht feststellen konnte.
Kellan hielt sich weitläufig raus, und als zwei der Dämonen auf mich los gehen wollten, hielt er sie zurück.
„Das ist eine Sache zwischen ihnen. Mischt euch nicht ein."
Schlauer Junge.
Langsam liess ich der dunkeln Kraft in mir freien Lauf.
Ich hatte mir lange genug ihre Vorwürfe angehört.
Wenn sie dachte, ich sei so ein schlechtes Wesen, dann bewies ich ihr doch, wie recht sie hatte.
Ich riss die Arme hoch und es blitzte hell, bevor ein Lichtstrahl sie in die Brust traf und bis an die Waldgrenze zurück schleuderte.
Dort rappelte sie sich langsam auf.
Doch ich hatte nicht vor, sie zu Atem kommen zu lassen.
Blitzschnell bewegte ich mich, fühlte wie der Wind mich trug und wie es kein Halten mehr gab.
Sie hob die Hand und ein Schild aus den Schatten der Bäume schmolz sich zusammen.
Mein nächster Schlag liess ihn zersplittern und sie rollte sich blitzschnell zur Seite.
Der Fluch schoss in den Boden und es knallte, die Erde wackelte kurz.
Die Dämonen folgten uns nicht, als wir in dem Wald verschwanden, durch welchen ich erstmals in diese Welt gelangt waren.
„Du wolltest gegen mich kämpfen! Dann tu es!"
Donnerte meine Stimme und der Wind um mich fegte ganze Äste leer, die Blätter bildeten einen Wirbel um mich.
„Scheisse."
Fluchte sie und begann, mit den Schatten zu verschwimmen.
Schon stand sie weiter vorne.
So hatte sich Hunter immer bewegt.
Ich rauschte auf sie zu und riss meinen Arm los, als sie mit einer Schattenpeitsche auf ihn einhieb.
Ein kleiner Schnitt blieb zurück. Nichts ernstes.
„Du wirst nicht gewinnen, Leena!"
Schrie ich, als sie wieder verschwand.
Dann war es still und ich atmete leise aus.
All meine Sinne waren darauf abgerichtet, sie ausfindig zu machen.
Und dann hörte ich rechts vorne ein Rascheln.
Ich schlug die Hände zusammen und eine Druckwelle breitete sich aus.
Bäume wurden aus den Wurzeln gerissen und kippten um, sodass Leena hervor gestürzt kam.
„Verflucht, du Miststück!"
Keifte sie und schoss Schattenpfeile auf mich ab.
Ich wischte sie zur Seite, als wären es kleine Staubkörner.
„Ich bin also ein Miststück? Ich habe deinen Bruder geheilt und hunderte Verfluchte gerettet! Ich habe deinen undankbaren Arsch aus dem Verlies gerettet!"
Mein nächster Schlag schlug ihr die Beine unter dem Körper weg und sie prallte auf die Stöcke und Blätter unter ihr.
Stöhnend drehte sie den Kopf und hustete.
Ich stand direkt vor ihr, zwischen ihren Beinen.
„Du hasst mich, das ist okay. Doch versuch nie, nie wieder, mich anzugreifen!"
Sie drehte den Kopf weg, sodass sie mich nicht ansehen musste.
„Sheya.."
Begann sie dann, doch ich war so richtig in Fahrt gekommen.
„ich bin nicht perfekt, doch ich habe immer mein Bestes gegeben! Als du und die Dämonen die Füsse still hielten, haben mein Volk und ich gegen den Namenlosen gekämpft! Ich habe mich von Hexen verfolgen lassen seit dem Tag, an dem ich von euch in diese Welt entführt worden bin! Ich habe verdammt nochmal alles richtig gemacht!"
„Sheya!"
Schnauzte mich Leena an und deutete hinter sich.
Ich hob den Blick und blinzelte drei Male.
„Was zum..."
Flüsterte ich und ging von ihr weg.
„Was ist hier passiert?"
Flüsterte sie und stemmte sich langsam auf die Beine.
Taumelnd richtete sie sich auf und automatisch stützte ich sie, was wir beide wortlos zur Kenntnis nahmen.
Vor uns war die Türe in die andere Welt.
Doch irgendetwas stimmte nicht.
Es schien, als wären Teile aus der magischen Wand gerissen worden, die die zwei Welten trennte.
Brocken von glitzerndem, durchsichtigen Material lagen am Boden und eine ungute Energie lag in der Luft.
Als wäre gewaltsam durch die Wand gebrochen worden.
Das Gras darum herum war zertrampelt worden.
Leena lief um das Loch herum, doch ich konnte mich nicht bewegen.
Ich sah durch das Loch wieder in meine alte Welt.
Die Menschen, die in der Stadt hinter dem Wald wohnten, die vertrauten Gerüchte der anderen Seite.
Alles in mir wünschte sich, wieder dorthin zu gelangen, wo ich einfach das komische Ding war, das nirgends wirklich dazu gehörten, aber in Ruhe gelassen wurde.
Ein Leben dass so viel unkomplizierter gewesen war, als dieses, welches ich jetzt lebte.
Ich wurde eingehüllt von Erinnerungen, die ich so angestrengt vergessen hatte.
Der Geruch von Eis, das fröhliche Geplapper meiner Freundin und die normalen Feste, an denen nie irgendjemand ermordet wurde.
„Sheya! Hier!"
Widerwillig löste ich den Blick von der Welt hinter dem Loch in der magischen Mauer und drehte mich zu Leena.
Sie stand neben etwas grossem, was halb unter Blättern vergraben war.
„Was ist das?"
Ich lief schnell zu ihr und liess mich auf die Knie neben ihr nieder.
„Nicht was...wer."
Trauer lag in Leenas Stimme.
Ich wischte einige Blätter zur Seite und entdeckte, was es war.
Ein halber Riese war er.
Die fleckige Schürze eng um seinen festen Körper geschnürt, die langen Strähnen um ein kaltes, weisses Gesicht verteilt.
„Das ist Rhodos, oder?"
Sie nickte und schluckte.
„Der Wächter, der dafür sorgt, dass Niemand durch die Türe geht."
Ich nickte langsam und berührte die kalte Haut.
„Ich erinnere mich, er verfolgte mich und Hunter, als wir durch die Türe gingen."
Sie nickte und sah mich vielsagend an.
„Das ist nicht gut."
Flüsterte ich dann und entfernte mich etwas von der riesigen Leiche.
Beinahe wäre ich auf seine Hand gestanden, die so gross war wie ein Unterteller.
„Wenn der Wächter tot ist..."
„Dann bedeutete dass, dass irgendjemand gewaltsam in diese Welt eingedrungen ist."
Sprach Leena meinen Satz fertig und unsere Blicke trafen sich.
Das war ganz schlecht, und es wäre wohl besser, wenn wir sofort umkehrten und allen davon berichten würden.
Doch dann hörte ich, wie etwas durch den Wind schoss, leise pfeifend, und sich in meinen Rücken bohrte.
„Scheisse..."
Fluchte ich und zog einen Pfeil aus meiner Haut, dessen feine Spitze blutig war.
Leena riss die Augen auf.
„Weg.."
Flüsterte ich ihr zu, doch im nächsten Moment surrte auch ein Pfeil auf sie zu und traf sie mitten in die Brust.
Sie sank in sich zusammen und auch mir wurde langsam schwindelig.
Jemand betäubte uns...
Ich kämpfte mit aller Kraft dagegen an, doch irgendwann vergass mein Körper, dass er Beine hatte und ich fiel hart zu Boden.
Als ich mit dem Kopf unsanft aufschlug, piepte es und ich konnte schwarze Lederschuhe erkennen, die sich aus den Schatten der Bäume lösten und auf uns zukamen.
Dann stöhnte ich und schloss die Augen.

Wer könnte wohl eingebrochen sein? Und wieso?
Hoffe, das Kapitel war spannend und jetzt macht euch auf was gefasst!
Love you all
Tala

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt