Chapter 2~Rhodos und Hunter

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Vor mir stand ein Junge, was für eine Überraschung, in einem langen braunen Mantel, der ihn aber eher frech aussehen liess.
Seine Kleidung war schwarz und eine schiefe silberne Kette spannte sich über seine Hose.
Er war mindestens zwei Köpfe grösser als ich und als ich wie erstarrt den Kopf hob, traf ich auf glühende Smaragdgrüne Augen, von denen ich das Gefühl hatte sie strahlten und leuchteten von innen heraus.
An seinem Hals rankten sich schwarze Äderchen hoch und ragten bereits über seinen markanten Kiefer, die hohen Wangenknochen wurden beinahe von den schwarzen Wimpern berührt, als er den Blick hob.
Er grinste schief und wirkte völlig entspannt, ganz anders als diejenigen die mir bisher begegnet waren.
Ich trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf, das war zu viel für heute, eindeutig.
"Ich...ich weiss was du willst."
Ich hob die Hand schützend vor mich, und schüttelte den Kopf während ich langsam rückwärts, in Richtung Stadt lief.
Er folgte jedem meine Schritte wie ein Raubtier und sein Blick liess mich nicht los, doch er sagte nichts.
"Ich mache das nicht mehr, ich habe aufgehört."
Presste ich heraus.
Spontaner Entschluss.
Sein Grinsen wurde breiter.
Wenn da nicht meine Angst gewesen wäre die Adrenalin durch meinen Körper pumpte, hätte er ziemlich heiss ausgesehen.
"Hast du nicht."
Sagte er schlicht und es klang wie eine Feststellung, was mich komplett verwirrte.
Ich hätte eine Drohung erwartet aber das hier...der Typ wirkte viel zu gelassen.
Und Gelassenheit folgte meistens Gewalttätigkeit, vor allem auf einem verlassenen Feld.
Ich drehte mich um ohne etwas darauf zu sagen und rannte los.
Ich war eine schnelle Läuferin, in der Schule gewann ich die meisten Wertrennen, das war aber auch die einzige Sportart in der ich gut war.
Ich hörte das Gras unter meinen Schuhen, die wild auf die Erde trommelten und hielt die Arme eng an meinem Körper, während ich über die leere Wiese rannte.
Es war dunkel, ich sah nur die Lichter der Strassenlaternen vor mir, er könnte überall sein.
Meine Haare flogen um mein Gesicht und meine Augen tränten von dem starken Wind, immer wieder meinte ich den Jungen zu sehen.
Er stand im Schatten irgendwo vor mir und beobachtete mich mit schief gelegtem Kopf.
Doch kein Mensch konnte so schnell sein, das war Einbildung, ich musste schneller rennen.
Ich schüttelte den Kopf und legte einen Zahn zu, das Brennen in meinen erschöpften Beinen ignorierte ich, bis ich das Hallen meiner Schritte auf dem Dorfplatz hören konnte, der ruhig und verlassen dalag.
Ich hielt am Brunnen an und drohte zusammenzuklappen, ich hatte heute zu viel Meiner Energie verpulvert.
Mein Herz pochte laut in meinen Ohren und hektisch drehte ich um mich selbst, versuchte in der Dunkelheit, die von überall her auf den Platz drängte, den Jungen auszumachen.
Vielleicht war er mir nicht weiter gefolgt, ich müsste schliesslich nur schreien um das halbe Dorf auf zu wecken.
Ich beruhigte meinen Atem und fuhr mir durch die wilden Haare, der Schock sass tief, das war definitiv der unheimlichste Tag in meinem ganzen Leben.
Ich lehnte mich an den glitschigen kalten Stein des Brunnens und leckte mir über die trockenen Lippen, kein Geräusch ausser dem Plätschern des Wassers war zu hören.
Und dann stand er wieder da.
Einige Meter vor mir, als hätte er sich seit vorhin nicht bewegt.
Nur an dem leichten zittern seines Halses konnte ich erkennen dass es ihn etwas Anstrengung gekostet hatte.
"Weisst du was ich über solche wie dich gehört habe?"
Über solche, es gab noch mehr wie mich?
Er schüttelte den Kopf.
"Nein gibt es nicht."
Ich nickte kurz in Gedanken, bevor ich bemerkte dass ich die Frage gar nicht ausgesprochen hatte.
Erschrocken machte ich einen Satz zurück.
"Wie..."
Er zuckte die Schultern.
"Man sagt wenn man euch tötet wird man ein Leben lang immun gegen jeden Fluch, ich wollte die Gelegenheit ja nutzen aber sie bestand darauf dich leben zu lassen."
Er schnaubte, als ginge ihm das gewaltig gegen den Strich.
Wer auch immer diese Sie war, ich war ihr gerade äusserst dankbar, auch wenn ich nur die Hälfte seiner Worte verstand.
"Lass mich einfach gehen, ich erzähle niemandem etwas."
Er sah mich mit einem undefinierbaren Blick an und kam langsam näher.
"Ich kann dich nicht gehen lassen und das weisst du."
Er wies auf die feinen Ranken die sich an seinem Hals hinaufbewegten.
"Du weisst was das ist."
Ich schüttelte den Kopf, aus Angst daran zu glauben, wenn ich es aussprach.
"Ein Fluch."
Kam es von ihm und er schien sich bitter an etwas zu erinnern.
"Dann heile ich dich und du verschwindest."
Ich gab mich geschlagen, nicht zuletzt weil ich lieber meine gesamte Energie verlor als mich länger mit solchen Hirngespinsten rum zu schlagen.
Er schüttelte den Kopf.
"Das geht nicht, der Fluch ist zu stark dafür, es setzt ihn nur um einige Tage zurück."
Er schien nachzudenken, während sich das Grün seiner Augen von innen zu verdunkeln schien.
Dann meinte er spöttisch.
"Ach was macht das schon aus."
Ich verstand nicht was das jetzt für ein Satz, war, aber im nächsten Moment hatte er meinen Arm gepackt, nicht fest, aber so befehlerisch dass ich nicht anders konnte als ihm hinterher zu stolpern.
"Denk nicht mal daran."
Sagte er, ohne sich umzudrehen, als ich gerade schreien wollte.
"Es würde uns nur beiden Probleme bringen."
Ich war vielleicht anders, aber niemals wäre ich so dumm, mich Widerstandslos verschleppen zu lassen, es war mir Wurst was er für Probleme bekam, ich wollte weg hier und mich in einer Ecke verkriechen.
Also schrie ich, laut und ziemlich glaubhaft panisch.
Allerdings nur kurz weil sogleich seine grosse Hand auf meinem Mund lag.
"Halt die Klappe."
Zischte er und zog mich um den Bauch näher zu sich.
Man musste vielleicht erwähnen dass ich gerade dabei war in der Nacht entführt zu werden.
Und dennoch durchfuhr mich ein Schauer als mein Körper gegen seinen gedrückt wurde, auch wenn er das nur tat damit ich ihm nicht entkam.
Seine Schwarzen Haare hingen ihm ins Gesicht und er sah sich wachsam um, die Lichter die angeknipst wurden interessierten ihn nicht wirklich.
Er lief einfach los, wenn ich mit den Schritten nicht mitkam hob er mich für eine kurze Weile einfach hoch.
So rannten wir die Strasse entlang, er zog mich mit und in meinem Kopf raste es, ich wollte doch nur in einem normalen Bett liegen.
Ich würde sogar diese normalen Partys mitmachen wenn das hier alles nicht passieren würde.
Doch natürlich wurde mein Wunsch nicht erhört.
Von wem auch.
Wir näherten uns dem Feldweg, und ich dachte ich sei verloren, ich dachte man würde meine Leiche zwei Tage später im Wald finden, doch gerade als wir an dem Juwelier Geschäft vorbei rennen wollte, trat der Schmierige Verkäufer heraus.
Sein Blick war grimmig und der Junge erstarrte in der Bewegung, zog mich hinter sich.
Hätte er es getan um mich zu schützen wäre das ja noch gegangen aber er wollte bloss dass ihm seine Beute nicht entwischte.
Der Juwelier war klein und stämmig, als er sich auf den schmalen Weg stellte und uns anfunkelte, schwand meine Hoffnung wieder.
Dieser Junge könnte ihn locker fertig machen.
Doch anscheinend kannte dieser den Mann und verkrampfte sich kurz, der...Fluch musste es wohl gewesen sein.
"Rhodos lass mich durch."
Sagte er, seine Stimme klang ruhig und bedrohlich.
Der Mann schüttelte mit einem Grummeln den Kopf, das viel zu tief für einen Menschen war.
"Du weisst was passiert wenn du es nicht tust."
Der Junge richtete sich auf und ich bemerkte wie der Mann kurz zögerte.
"Du bist stark Hunter, aber du bist verflucht, diese Menschenfrau kommt nicht durch das Tor!"
Donnerte seine Stimme, so laut dass die Häuser zu erzittern schienen, doch niemand kam heraus um nach dem Grund zu sehen.
Ich für meinen Teil war genauso geschockt wie man eben hätte sein können.
Dieser Mann war kein normaler Juwelier, das war mir nun auch klar.
seine Stimme war zu alt, zu mächtig um in so einen kleinen Menschen zu passen.
Der Junge der anscheinend Hunter hiess, verspannte sich merklich und kurz meinte ich, Schatten um seine Hände zucken zu sehen.
"Ich verbiete dir den Zutritt wenn du diese Menschenfrau mitbringst!"
Ein feines Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Jungen breit, provozierend und locker sprach er.
"Rhodos du kennst mich, ich gebe einen Scheiss auf Verbote."
Der Mann knurrte und begann zu zittern, während ich eilig etwas zurück stolperte.
Was zum Teufel war hier los.
Hunter drehte sich kurz zu mir um und zog mich wieder zurück.
"Das hast du nun davon."
Meinte er knapp und zog mich dann mit.
Wir rannten auf den linken Rand zwischen dem Mann und dem Haus zu, während dieser begann zu wachsen.
Er wurde grösser und die Klamotten fielen ab, seine Haut schien sich mit ihm zu verformen und bald wurden seine Arme breiter und stämmiger, seine Füsse so gross wie meine Arme und sein Kopf ragte beinahe aud derselben Höhe hervor wie das Dach des einstöckigen Hauses.
Als er zu uns nach unten sah, hatte er weisse Augen, keine Pupillen, einfach weiss.
Sein Gesicht war rund und fleischig, seine Finger dick wie ein Laternenmast.
Langsam drehte er sich um, während Hunter schneller wurde.
"Lauf."
Knurrte er mir zu, und das liess ich mir nicht zweimal sagen.
Ich hatte eigentlich nicht vor auf den Wald zu zu rennen, mein sicheres verderben, aber wie sollte ich bitte reagieren, wenn hier ein Halbriese, mit dem ich vor wenigen Stunden noch geredet hatte, herum tobte und nun begann uns nach zu rennen.
Ich spürte wie die gesamte Wiese bebte und meine Füsse vibrierten, die losen Steine hopsten auf dem Gehweg entlang, als wir aus der Stadt stürmten.
"Es ist verboten Hunter!"
Donnerte seine Stimme und liess mich beinahe nach vorne Schleudern.
Hunter rannte hinter mir, es war kein Anzeichen von Schwächung durch den Fluch zu sehen, zumindest zeigte er es nicht.
"Ich würde mich ja kratzen."
Antwortete er und seine Augen glühten kurz, während er grinsend zu dem halbriesen zurück sah, der uns nachsetzte.
Ich sah ihn mit fragendem Gesicht an.
"Aber es juckt mich nicht."
Wäre ich nicht in Lebensgefahr und sah gerade das unwirklichste das ich mir vorstellen konnte, hätte ich die Augen über den Miserablen Witz verdreht.
Doch sein Grinsen war so umwerfend und charmant dass ich mich daran erinnern musste, weiter zu rennen.
Ich sah bereits wie sich die Waldkette näherte, entdeckte die Dunkelheit dahinter und wollte nicht da rein.
Aber ich hatte die Wahl zwischen einem Halbriesen der mich zerdrücken würde und einem, wenigstens menschlichen Wald, in dem ich dem Jungen vielleicht entwischen konnte.
Also legte ich einen Zahn zu, ohne sichtliche Anstrengung war der Junge wieder neben mir, sein Gesicht lag im Schatten des Mondes, der seine schwarzen Haare glänzen liess.
Der Mann mit der Panzerartigen hellen Haut rannte uns weiter nach, er holte schnell auf, doch Hunter drehte sich abrupt um.
Er riss die Arme hoch und sofort begann es um uns herum zu beben, schwarze Rauchschwaden lösten sich aus jedem Teil des Boden und fanden ihren Weg zu Hunter, dessen Mantel in der Luft flatterte, seine Augen glühten wie brennende Smaragde.
"Hunter nein!"
Donnerte Rhodos Stimme und er hob die Hand, doch da stiess er die Schattenwand nach vorne und sie raste in einem unglaublichen Tempo auf den Halbriesen zu.
Dieser krachte hinein und wie tausend Schlangen schienen die Schatten nach ihm zu schlagen, während er so sein Tempo verlangsamen musste.
Ich starrte das Spektakel an und wurde dann von Hunter wieder in Richtung Wald gezogen, während der Juwelier noch immer mit den Schatten zu kämpfen hatte.
Hunters Gesicht war nun vor Anstrengung verzerrt, der Fluch schien sich durch das was er getan hatte ausgebreitet zu haben, die schwarzen Ranken erstreckten sich nun über seinen Linken Kiefer.
Weiter darüber nachdenken konnte ich nicht, denn der schwarze und bedrohlich wirkende Wald war nicht länger vor uns.
Wir brachen in diesem Moment durch das Gestrüpp.

Fluch der Küsse*beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt