16. Vertrauen

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Ehe ich mich versah, befand ich mich in der Umarmung meines besten Freundes. Kurz zuckte ich zusammen, als er die verfärbten Stellen, die Max mit seinen Tritten und Schlägen zurückgelassen hatte, dabei berührte, versuchte aber, mir nicht allzu viel anmerken zu lassen. Ich wollte nicht, dass Tobi sich Sorgen um mich machen musste. Tim war ein paar Schritte zurückgetreten und wurde jetzt von dem Omega wütend angefunkelt.

»Lass deine verdammten Finger von ihm. Glaubst du ernsthaft, nachdem Max ihn gerade schon so zugerichtet hat, dass du jetzt auch noch ...«, fauchte mein bester Freund, doch bevor er weitersprechen konnte, unterbrach ich ihn, um das Missverständnis aufzuklären.

»Tobi. Es ist okay. Er hat nichts getan.«, versuchte ich zu erklären, doch Tobi sah mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen ungläubig an. Hinter Tobi konnte ich sehen, dass auch Veni inzwischen an der geschlossenen Tür lehnte, so dass niemand sonst mehr hereinkommen konnte.

»Wirklich«, versicherte ich ihm erneut.

»Stegi, ich habe es doch gesehen!«, empörte er sich sofort. Wieso glaubte er mir nicht? Er schien wohl den Alpha im Allgemeinen fast genauso wenig zu vertrauen wie ich. Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass es auch bei ihm so schlimm ist. Zumindest bei Veni scheint er ja ganz offen zu sein. Aber der scheint wohl eine Ausnahme darzustellen. Obwohl er Tim bis jetzt ja auch vertraut gehabt zu haben schien. Aber anscheinend nicht so sehr, wie es den Anschein gemacht hatte.

»Ich habe nichts gemacht, was Stegi nicht gewollt hätte.«, verteidigte Tim sich gerade, doch Tobi unterbrach ihn mit einem unfreundlichen Zischen.

»Es stimmt, Tobi«, ergriff nun auch ich erneut Partei, »Es war okay. Tim wollte sich bloß ansehen, was Max angerichtet hat. Er hat mir geholfen«

Tobi bedachte mich mit einem seltsam nachdenklichem Blick.

»Na dann. Tut mir leid, Tim, es sah einfach nach etwas anderem aus ...«

»Glaubst du wirklich, ich hätte Stegi jetzt hier vergewaltigt?«

Tim grinste leicht. Er war Tobi nicht böse. Und Tobi hatte die Situation ja auch nur falsch aufgefasst. Wahrscheinlich hatte es für einen unwissenden Zuschauer wie Tobi in diesem Moment echt so aussehen müssen.

»Nee. Eigentlich. Aber wer weiß das schon. Du bist ein Alpha«, erklärte Tobi leicht zerknirscht.

»Autsch«, hörte ich es fast gleichzeitig von Tim und Veni murmeln. Sofort musste ich grinsen, was meine Schmerzen im Gesicht nur noch stärker werden ließ.

»Maaan! Ihr wisst, wie das gemeint ist.«, beschwerte sich Tobi und Tim nickte mit einem freundlichem Lächeln auf den Lippen, während Veni wortlos nach Tobis Hand griff und den Omega in seine Arme zog. Sofort lehnte sich mein bester Freund an den Alpha, der ihn um ein ganzes Stück überragte. Veni beugte sich zu ihm runter und legte seinen Kopf auf Tobis Schulter ab. Beide wirkten ziemlich glücklich. Und ja, ich musste zugeben, wahrscheinlich waren Veni und auch Tim tatsächlich nicht wie andere Alpha. Nein, ich glaubte inzwischen wirklich, dass die beiden und helfen wollten. Tim hatte es mir ja bewiesen und auch Veni wirkte zeitweise ziemlich besorgt.

»Okay, ich will ja nur ungern stören, aber die erste Stunde hat seit zwnzig Minuten oder so angefangen«, erhob auf einmal Tim wieder die Stimme und ließ sowohl Tobi als auch Veni leicht erschrocken aufsehen. Beide wirkten, als wären sie in eine komplett eigene Welt versunken gewesen.

»Ich würde sagen, Stegi, du gehst auf direktem Weg nach Hause.«

Ich wollte Tim gerade widersprechen, kam aber nicht weit, weil sofort Veni mir das Wort abschnitt.

»Vergiss es, Stegi. Wir werden es garantiert nicht zulassen, dass du jetzt so noch den Tag über in der Schule bleibst. Du kannst ja kaum noch stehen. Tim bringt dich nach Hause und ich begleite Tobi in die Klasse. Dann sollten die Lehrer hoffentlich weniger Stress machen.«

Angesichts der Tatsache, dass mir tatsächlich gerade gefährlich große schwarze Punkte vor den Augen tanzten, widersprach ich nicht und nickte bloß schwach.

»Stegi, wenn du Zuhause bist, leg dich bitte ins Bett. Ist bei dir jemand Zuhause? Eltern?«

Mich wunderte es etwas, wie sachlich Veni auf ein Mal klang und leicht verdattert schüttelte ich den Kopf.

»Okay. Nicht gut. Tim?«

Besagter nickte sofort.

»Klar. Ich bleibe da.«

»Das ist wirklich nicht nötig!«, lenkte ich ein, doch Veni ging nicht darauf ein.

»Doch, ist es. Wenn du eine Gehirnerschütterung oder sonst was hast ist es nicht gut, wenn etwas passiert und du alleine bist. Wir kommen heute Nachmittag nach der Schule vorbei und bis dahin bleibt Tim bei dir. Tobi und ich werden euch bei den Lehrern entschuldigen.«

Ich nickte schwach. Eine Wahl hatte ich ja eh nicht.

»Okay.«, stimmte ich leise zu

Tatsächlich wurde unser Plan, der eigentlich mehr Venis Plan war, genau so in die Tat umgesetzt und eine knappe halbe Stunde später befanden wir uns vor meiner Wohnungstür. Ich schloss mit inzwischen stark zitternden Fingern auf, ich hatte einfach unglaublich an Kraft verloren, selten war mir der Heimweg so anstrengend vorgekommen. Ich zeigte dem besorgten Tim meine Zimmertür und mit seiner Hilfe saß ich wenige Sekunden später auf meinem Bett. Ich hätte auch nie gedacht, dass jemals ein Alpha hier sein würde, hier, vor mir in meinem Zimmer stehen würde. Aber es war so. Tim war hier, er stand vor mir und er war ein Alpha. Und das merkwürdigste war, dass es mir nicht einmal etwas ausmachte. Tim vergewisserte sich drei Mal, dass mein Kreislauf okay war, bevor er schließlich den Raum verließ, damit ich mir Schlafsachen anziehen konnte. Als er zurückkam, hatte er eine Tasse Tee dabei, den ich gezwungenermaßen trank. Mir war warm. Einfach nur warm. Tim saß inzwischen neben mir im Schneidersitz auf dem Bett und bedachte mich mit besorgten Blicken. Er schien zu bemerken, wie sehr ich schwitzte, denn immer wieder musterte er meinen Schlafpulli, den ich inzwischen trug. Irgendwann brach er das Schweigen und ich konnte seine Augen funkeln sehen, während er zu mir sprach.

»Verdammt, Stegi, zieh doch einfach diesen riesigen Pulli aus, wenn dir so warm ist. Darin würde ich auch schwitzen. Ich fall schon nicht über dich her, sobald du nur ein T-Shirt trägst.«

Zögernd sah ich ihn an und nickte schließlich zögernd. Ich hatte beschlossen, ihm zu vertrauen. Und jetzt musste ich vertrauen. Ehe ich mich versehen konnte war Tim aufgestanden und wie selbstverständlich zu meinem Schrank gegangen, aus dem er jetzt ein einfaches schwarzes T-Shirt mit einem roten X herauszog und mir zuwarf. Mit einem letzten beruhigenden Lächeln verließ er erneut den Raum, damit ich mich beim Umziehen nicht so beobachtet fühlte. Zurück blieb nur sein verlockend herber Duft.

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An Tim:

Was war für dich das Schlimmste was Max einem Omega angetan hat?

Die Masse an allem. Am schlimmsten ist wohl, wie weit er es bei Stegi getrieben hat. Ich meine, er hat sich vollkommen das Gesicht zerschnitten wegen dem, was Max und die Anderen getan haben.


An Max:

Hast du Respekt vor Tim und wirst du Stegi jetzt öfter in Ruhe lassen?

Tim ist und bleibt ein Feigling. Wir werden ja sehen, was er davon hat.

Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #VenationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt