42. Geburtstag

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Nachdenklich sah ich mich in dem Zimmer um, das jahrelang das meine gewesen war und nun von den hellen Strahlen der frühmorgendlichen Sonne erhellt wurde. Ich zwang mir ein leichtes Lächeln auf die Lippen, inzwischen spürte ich die Taubheit, die sich bei jeder Regung in meinem Gesicht breit machte, kaum mehr. Entschlossen schulterte ich den grauen Rucksack, den ich gestern noch gepackt hatte und warf einen letzten Blick in den Spiegel an meiner Wand. Wie immer trug ich, trotz des guten Spätfrühlingswetters, lange Hosen und einen großen Pullover. Meine Haare hatte ich unter einer Kappe gebändigt und die Narben in meinem Gesicht schienen schon wieder recht gut zusammengewachsen. Die Tube mit der Salbe, die meine Eltern mir gegeben hatten, lag auf der Kommode neben der Tür. Nein, ich wollte nicht, dass die Wunden problemlos verheilten. Ich wollte Narben behalten. Ich biss mir leicht auf die Lippe und wandte mich vom Spiegel ab. Es war so weit. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich seit zwölf Minuten achtzehn war. Volljährig. Vor achtzehn Jahren, zwölf Minuten und ein paar Sekunden, um sieben Uhr zwei war ich geboren. Achtzehn Jahre lang hatte ich mein Leben gelebt und jetzt würde für mich ein neues Leben beginnen. Es würde wirklich nicht leicht werden, dessen war ich mir bewusst, aber ich würde das Beste daraus machen.

Als ich aus meinem Zimmer trat und die Tür hinter mir zuzog, schlossen mich sofort meine Eltern in ihre Arme. Sie schienen ziemlich aufgelöst, ihnen schien mein erzwungener Auszog fast noch mehr zuzusetzen als mir selbst. Sie würden mir nicht mehr helfen dürfen. Ich würde das alleine durchstehen müssen und das wussten sie. Ich hatte das hingenommen, doch meine Väter schienen immer noch Schwierigkeiten zu haben, das zu akzeptieren. Sie wollten mich gar nicht gehen lassen, umarmten mich abwechselnd und gaben ihr bestes, dabei ihre Tränen zurückzuhalten. Ich war jetzt schon zu spät, würde sicherlich nicht pünktlich zum Unterricht kommen. Aber das war heute egal. Es dauerte noch einmal eine ganze Ewigkeit, bis sie mich endlich widerwillig losließen. Noch bevor ich schließlich endgültig unsere Wohnung verlassen konnte, steckte mein Papa mir einen Umschlag zu. Ich sah ihn fragend an, doch er schüttelte bloß den Kopf.

»Später«, erklärte er, bevor ich mich endgültig verabschiedete.

Der Rucksack lag mit ungewohntem Gewicht auf meinen Schultern, doch nicht so schwer, dass es sonderlich unangenehm wäre. Ich hatte bewusst gepackt. Das was ich brauchen würde, nicht mehr und nicht weniger. Noch bevor ich bei der Schule ankam, öffnete ich den Umschlag meines Papas. Als ich den Inhalt entdeckte, musste ich leicht lächeln. Zwischen den Papierschichten lagen bunte Scheine, meine Eltern hatten mich mit Geld für die nächsten Wochen ausgestattet.

Ich würde das alles gut überstehen. Ich würde mein zukünftiges Leben gut meistern. Da war ich mir sicher. Und dessen war ich mir auch immer noch sicher, als ich an der Schule ankam und sofort Tobi über den Weg lief.

Wortlos drückte mein bester Freund mich an sich.

»Auf ins Abenteuer«, murmelte er leise und ich nickte zustimmend.

Ich würde das alles gut überstehen, mit Hilfe meiner Freunde würde alles gut werden.

Dessen war ich mir vollkommen sicher.

Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #VenationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt