37. Geruch

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Sobald ich mich alleine und in Sicherheit wusste, atmete ich einmal tief durch. Die Blicke der Alpha erdrückten mich, wie sie es schon immer getan hatten. Genau genommen waren Veni und Tim die einzigen Alpha, bei denen ich es nicht hasste, wenn sie mich auch nur ansahen. Beide waren einfach anders als alle anderen Alpha und Veni hatte ja sowieso Tobi. Und Tim ... Tim war einfach Tim. Ich hatte selten einen Menschen erlebt, der so hilfsbereit und fürsorglich seinen Freunden gegenüber war, wie er. Er war einfach kein Alpha. Also doch, irgendwie auch schon, er hatte die klassische Statur eines Alphas, groß und muskulös und er hatte auch die Ausstrahlung eines Alphas, die auch Tobi und mich das ein oder andere Mal schon ziemlich beeindruckt, ja sogar eingeschüchtert hatte. Aber was wirklich zählte, sein Benehmen, glich in keinster Weise einem Alpha. So hatte er auch jedes Mal, wenn er gemerkt hatte, dass er irgendwie zu dominant geworden war und Tobi und mir zu viel Respekt eingeflöst hatte, ohne es zu wollen, einfach nur durch sein Auftreten, sich sofort entschuldigt und bemüht, es wieder gut zu machen. Und einfach durch seine liebevolle Art war das bis jetzt immer nach spätestens zwei Minuten auch schon wieder vergessen. Vor Tim konnte man einfach keine Angst haben. Nicht, wenn man zu seinen Freunden gehörte. Und dennoch war er einer der Leute, die man beim besten Willen nicht als Feind haben wollte. Ja, er hatte es sogar geschafft, sich von Max und dessen Freunden Respekt zu verschaffen. Und das, obwohl Max sein Bruder war. Und damit waren wir wieder beim Thema. Max und seine Freunde, die in diesem Zimmer waren, Tim, der vor der Tür Wache schieben wollte und ich, der für die Alpha duftete wie ein Räucherstäbchen. Bloß eben in ... gut. Und noch dazu war ich natürlich fast auf dem Höhepunkt meiner Läufigkeit, weshalb ich zusätzlich, als ob ich nicht schon genug Probleme gehabt hätte, noch damit zu kämpfen hatte, dass meine Instinkte alle danach schrieen, mich dem erstbesten Alpha um den Hals zu werfen. Aber natürlich, warum sollte es auch einmal einfach sein?

Es war ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen, dass mich nur dieses dünne Holzbrett mit Klinke und Schloss von einer ganzen Gruppe Alpha trennte und ich vergewisserte mich drei Mal, dass die Tür auch wirklich verriegelt war, bevor ich mir vorsichtig den Pulli abstreifte und übertrieben ordentlich zusammenlegte, um die Zeit, bis ich mich weiter entkleiden musste, möglichst heraus zu zögern. Aber es half alles nichts, Mission »Meinen Geruch minimieren« musste irgendwann einmal starten und so stand ich tatsächlich nach einigen Minuten unter der Dusche und versuchte, die richtige Wassertemperatur zu finden. Wahllos griff ich nach irgendeinem der Shampoos, die hier standen und roch daran. Sofort kam es mir bekannt vor und ich wusste, dass es Tim gehörte. Da er einerseits bestimmt nichts dagegen haben würde und es anderseits wahrscheinlich auch nicht gerade schlecht war, um meinen eigenen Geruch etwas zu verdecken, gab ich eine große Portion davon auf meine Handinnenfläche und verteilte es großzügig in meinen Haaren, die nach wenigen Sekunden durchfahren schon schäumten. In Gedanken versunken verteilte ich den weißen Schaum auf meinem ganzen Körper, bis ich irgendwann wieder unter dem einst warmen Wasserstrahl stand, der inzwischen erschreckend kalt geworden war. Warum mussten die Duschen in Jugendunterkünften auch immer so kurzlebig sein? Dieses Mal brauchte ich dank der Temperatur nicht mehr sonderlich lange, bis ich bibbernd und in eines der sauberen Handtücher, die hier über der Heizung und Stangen an der Wand hingen, eingewickelt mitten im Bad stand. Sobald ich meine Boxer und den Pulli und die Jogginghose von Tim übergezogen hatte, betrachtete ich mich nachdenklich im Spiegel. Die Beine der Hose waren bis zu den Knien aufgeschoppt und dennoch rutschten sie bei jedem Schritt so runter, dass meine Fersen mehr in der Hose als außerhalb waren und aus dem Pulli schauten nicht einmal meine Fingerspitzen heraus. Außerdem hätte ich wohl in alle Richtungen zweimal in dieses Kleidungsstück gepasst. Kurz fragte ich mich, wie Tim dieser Pulli passte, so riesig war er jetzt auch nicht und erst recht nicht dick. Und trotzdem fühlte ich mich wohl. Zumal Pullis in Übergrößen ja nun wirklich keine Neuigkeit für mich waren.

Als ich so mein Spiegelbild betrachtete, erschien es mir auf einmal total paradox. Man konnte fast schon sagen, dass ich süß aussah, in den viel zu großen Klamotten eines anderen Jungen, ja, ich würde wirklich süß darin aussehen. Und ich sah bestimmt auch süß darin aus, so lange man mir nicht ins Gesicht sah. Denn mein entstelltes Gesicht war wirklich alles andere als süß und machte den Anblick, der sich mir im Spiegel bot, eher noch gruselig. Ja, blasse Haut, Augenringe, zerschnittenes Gesicht und regungslose Mimik. Ich erinnerte mich selbst ein wenig an eine Horror-Puppe, die so lange süß anzusehen war, wie man nicht ihr gruselig verzerrtes Gesicht sah. Ich schloss kurz die Augen und atmete einmal tief durch, bevor ich mich mit entschlossenem Gesichtsausdruck abwandte. Ich hatte genau das erreicht, was ich doch eigentlich erreichen wollte. Ich war nicht länger der kleine, süße, hübsche Stegi, ich war eine gruselige Horrorfigur. Mit diesem Gedanken trat ich schließlich gestärkt aus dem Bad heraus und stolperte fast über Tim, der ungelogen genau in der Tür saß.

»Wow. Vorsicht«, warnte er mich, ein wenig zu spät. Ich grinste, auch wenn das Gesicht des Horror-Stegis sich dabei taub anfühlte. Tim schloss konzentriert die Augen, während er tief Luft einsog.

»Ich weiß nicht, ob ich das jetzt gut oder schlecht finden soll, aber den Duft ist viel schwächer geworden. Man riecht ihn aber immer noch.«

Erneut roch er kurz, dann grinste er.

»Und mein Shampoo«, stellte er fest, doch ich zuckte bloß mit den Schultern. Als ich gerade meine alten Klamotten aus dem Bad gegriffen hatte, um sie in meinem Koffer zu verstauen, kam eine Gestalt von einem der Betten der Anderen auf uns zu.

»Macht mal Platz, ihr Turteltäubchen«, grinste Basti und noch ehe er sich an uns vorbei ins Bad drücken konnte, hatte Tim mich mit einem kräftigen Handgriff hinter sich geschoben, so dass Basti nicht einmal in meine Nähe kam. Wortlos schob er mich mit einer Hand in meinem Rücken zu unseren Schränken, wo er erneut den meinen aufschloss und ich meine Sachen im Koffer verstauen konnte.

»Du hast ein bisschen etwas von einem Bodyguard«, meinte ich zu Tim, der mit verschränkten Armen abwechselnd mich vor meinem Schrank und Max, der auf seinem Bett lag und mit seinem Handy beschäftigt war, musterte.

»Stets zu Diensten!«, meinte Tim nur, verbeugte dich gespielt tief und brachte mich damit zum leisen Auflachen. Die nächste Zeit verbrachten wir beide auf Tims Bett sitzend und bis auf ein paar nervige Kommentare und Blicke von Max und seinen Leuten hatte ich tatsächlich meine Ruhe. Irgendwann, es war schon weit nach Mitternacht und es war tatsächlich langsam Ruhe eingekehrt, jeder lag nur noch untätig auf dem Bett, Leo-Lennard und Nils schliefen, soweit ich das sagen konnte, schon und Max und Basti hatten seit Ewigkeiten keinen Ton mehr von sich gegeben, bloß Tim und ich, die inzwischen auch lagen und nicht mehr saßen, unterhielten uns noch im Flüsterton, legte Tim ohne Vorwarnung beide Arme um mich und zog mich näher an sich heran. Ohne ein Wort vergrub er seine Nase in meinen Haaren.

Was mich dabei am meisten überraschte, war nicht, dass oder warum er das tat, sondern, dass es mich nicht im Geringsten störte. Im Gegenteil sogar, nachdem ich den ganzen Abend so nah neben einem Alpha verbracht hatte, sehnte mein ganzer Körper sich geradezu nach diesen Berührungen und es dauerte keine Sekunde, bis ich mich in der Umarmung entspannte und auch genüsslich Tims Geruch in mich aufsog. Die nächsten Minuten sagte keiner von uns Beiden etwas, bis Tim irgendwann ein leises »Gute Nacht, Stegi«, murmelte. Erst jetzt wurde mir klar, dass auch an mich sich der Schlaf schleichend heran gestohlen hatte und ich, würde ich nicht jetzt in mein eigenes Bett umziehen, auch einschlafen würde. Mein Verstand sagte mir zwar, dass das keine gute Idee war, schließlich war Tim immer noch ein brünftiger Alpha, aber es war mir egal. Ich genoss das Gefühl von Tims Nähe und der Geborgenheit, die er ausstrahlte und wollte das noch nicht aufgeben.

Und so kam es, dass ich wenig später tatsächlich, mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, in den Armen eines Alphas einschlief.

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An die Evolution:

Kann es sein, dass manche Menschen Mischlinge sind, also dass sie zum Beispiel Alpha-Figur haben, aber Omega-Geruch oder so?

Nein. Bis jetzt ist das noch nie vorgekommen. Ganz so schlampig geh ich bei meiner Arbeit nicht vor.


Wo sind deine Geschwister Leben und Tod? Die waren zuletzt in Kandada. Ziemlich verrückt....

Ich glaube, momentan Sibirien.


Gibt es Tiere und wenn ja sind die "Menschen " immer noch Allesfresser ?

Ja und ja

Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #VenationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt