»Können wir reden?«, hörte ich Tims angenehm tiefe Stimme so nah an meinem Ohr, dass nur ich es mitbekam. Fast unmerklich nickte ich, bevor ich mich von dem Alpha auf die Beine ziehen ließ. Jetzt war meine Chance gekommen. Ich würde mit Tim reden müssen, mich bei ihm entschuldigen müssen. Ich war so unglaublich dumm gewesen.
»Leute, ich bring' Stegi nach Hause. Ich glaube, es ist am besten, wenn du heute nicht mehr in den Unterricht gehst, okay?«, wandte er sich an mich und ich nickte widerspruchslos. Innerlich gab ich Tim recht, ich konnte kaum mehr stehen und jedes Körperteil tat mir weh. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, noch weiter hier in der Schule zu bleiben.
»Danke, Leute. Danke, Mik«, murmelte ich erschöpft wie ich war, während sie sich alle von mir verabschiedeten und mir gute Besserung wünschten. Noch bevor ich einen Schritt gehen konnte, hatte Tim seinen Arm um meine Taille gelegt und stützte mich so, während er mich behutsam in Richtung des Schultores schob. Die wenigen Meter bis zur Bushaltestelle kamen mir vor wie mehrere Kilometer und ich war unendlich erleichtert, als ich mich endlich auf die Bank bei dem Bushäuschen setzen konnte. Normalerweise nahm keiner von uns im Sommer den Bus, zum einen weil es für Tobi und mich alleine eh zu gefährlich gewesen wäre, zum Anderen aber, weil zwar in der Nähe von Tims Haus eine Haltestelle war, es sich aber kaum lohnte für diese kurze Strecke auf den Bus zu warten. Nach der Schule mit dem vollkommen überfüllten Bus die eine Haltestelle zu fahren dauerte in etwa gleich lang, wie den Weg einfach zu gehen. Wenn der Bus mal wieder Verspätung hatte, sogar länger. Da Tim aber bemerkt hatte, wie schwer mir jeder Schritt fiel, was bei meinem Humpeln aber auch keine Kunst war, hatte er mich geradewegs zur Bushaltestelle gelotst, auch wenn der nächste Bus erst in dreißig Minuten kam. Als Tim direkt neben mir Platz nahm, atmete ich erleichtert aus. Er wirkte tatsächlich kein bisschen sauer oder beleidigt, obwohl er allen Grund dazu hätte. Im Gegenteil, der Alpha redete die ganze Zeit beruhigend auf mich ein und versprach mir leise, dass wir bald Zuhause wären, während er mir half, mich auf die Bank zu legen und meinen Kopf auf seinen Schoß zu betten. Beruhigend fuhr er immer wieder mit seinem Daumen der Hand, die auf meinem Kopf lag, über meine Stirn und würde das Wissen, mich entschuldigen zu müssen, mich nicht wie unter Strom gesetzt halten, wäre ich bestimmt eingeschlafen. So zählte ich stumm von zehn bis null runter, mit dem festen Willen, mich bei null bei ihm zu entschuldigen. Mit jeder Zahl wurde ich nervöser und als die Null durch meinen Kopf ging, atmete ich einmal tief durch und schloss für einen kurzen Moment die Augen, ehe ich leise »Tim?« murmelte. Sofort hörte die Bewegung seiner Hand auf und braune Augen musterten mich besorgt.
»Was ist los? Ist irgendetwas? Sollen wir zum Arzt?«
Ich schüttelte stumm den Kopf. Nein, was ich sagen wollte hatte nichts mit meinen Verletzungen zu tun.
»Es tut mir leid, Tim. Ich war so unglaublich dumm. Ich vertraue dir, wirklich. Ich weiß auch nicht, was auf einmal mit mir war. Es tut mir so leid.«
»Psssshht. Stegi, es ist okay. Denk nicht weiter darüber nach. Es war genauso mein Fehler. Ich hätte niemals mit diesem Halsband anfangen dürfen. Es tut mir so leid, ich hätte nicht gedacht, dass du es so schlimm finden würdest. Ich wollte dich doch bloß beschützen. Aber ich werde dich niemals dazu zwingen. Wenn du es irgendwann trägst, dann nur weil du es willst.«
Ich atmete ein paar mal erschöpft durch, bevor ich mir meine Antwort Wort für Wort zurecht gelegt hatte.
»Das Halsband an sich ist nicht so schlimm. Ich hatte einfach auf einmal das Gefühl, dass du mich verändern und zu einem dieser dummen Omegas machen wollen würdest.«, gab ich zu. Tim schaute bloß ungläubig.
»Nein. Stegi, denk so etwas niemals. Würde ich einen hirnlosen Omega wollen, würde ich mir einen holen. Aber ich will dich, so wie du bist und so wie du dich von dir aus entwickelst. Und niemanden anders.«
Ich lächelte unbewusst. Wie hatte ich jemals glauben können, dass Tim so wäre wie andere Alpha? Der Tim, der hier die süßesten Ansprachen hielt, damit ich mich besser fühlte. Tim war der beste Freund, den ich mir vorstellen konnte.
»Dass du so reagieren würdest hätte ich vorhersehen müssen, Stegi. Du bist einfach überfordert. Versteh mich bitte nicht falsch, das ist überhaupt nicht negativ gemeint. Dein ganzes Leben hat sich in den letzten Wochen geändert. Natürlich ist man dann verwirrt und zweifelt auch. Und ich war so ein Idiot und habe dir genau dann einen Grund zum Zweifeln gegeben, als du eigentlich absolute Sicherheit gebraucht hättest.«
Wie konnte ein Mensch nur so unglaublich gutherzig sein? Ohne groß nachzudenken fasste ich einen Entschluss.
»Tim?«, nuschelte ich leise, doch nicht um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Die, so war ich mir sicher, hatte ich schon lange. Nein, ich sagte seinen Namen, um mir selbst Mut zu machen und einfach um des Klanges willens.
»Krieg ich noch eine Chance? Gibst du mir das Halsband noch einmal? Ich will es tragen.«
»Stegi, du musst das wirklich nicht. Das ändert nichts an unserer Beziehung. Ich bin nicht sauer, wenn du es nicht tragen willst. Ich verstehe dich. Du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, nur weil...«
Weiter kam er nicht, denn ich unterbrach ihn erneut.
»Doch, Tim. Ich will es. Und wenn es nichts an unserer Beziehung ändert ist das nur noch ein Grund mehr. Ich gehöre dir und das darf ruhig auch jeder sehen.«
Ich hätte mit vielem gerechnet, aber nicht mit Widerspruch.
»Nein, Stegi. Du gehörst nicht mir. Du gehörst nur dir selbst, vergiss das nicht, okay? Behaupte niemals, dass du irgendwem gehören würdest, denn das stimmt nicht. Setzt dich nicht selbst so herab. Du bist nicht irgendein Gegenstand, den man besitzen kann. Du gehörst ZU mir, ja. Aber du gehörst nicht mir.«
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Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #Venation
Hayran KurguHauptnebenpairings: #Kostory, #Venation ~ Als Alpha ist es Tims Aufgabe, einen Omega zu finden, mit dem er für immer zusammenleben möchte und sich um ihn zu kümmern und ihn zu beschützen. Stegi jedoch hasst sein Schicksal, er möchte kein Omega...