63. Ungläubig

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Die Tage verstrichen und ich verbrachte die Nachmittage erneut damit, mich nach einem Job umzusehen, mit dem ich meinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Tatsächlich hatte sich aber herausgestellt, dass es immer noch ein Ding der Unmöglichkeit zu sein schien, als Omega einen Halbtagsjob zu bekommen und als auch Tim mitbekommen hatte, was ich in dieser Hinsicht trieb, hatte er mich - er war eben immer noch ein Alpha, gegen den ich als Omega schwer standhalten konnte - überredet, meine Bemühen aufzugeben.

Und auch wenn Max' Sticheleien wieder angefangen hatten, nicht mehr nur in der Schule jetzt, sondern auch bei Tim Zuhause, so war es seit Tim und ich zusammen gekommen waren nicht mehr zu Handgreiflichkeiten zwischen Max und mir gekommen. Und das war auch auf jeden Fall besser so, denn auch zwischen Louis und Dennis hatte sich nicht viel geändert und unser Freund, von dem wir inzwischen nicht mehr wussten, ob er das überhaupt noch war, verbrachte immernoch all seine Zeit mit Louis und damit Max' Gruppe.

"Alles klar?"

Tim lag auf seinem Bett und sah fragend in meine Richtung, während ich mich auf dem Fußboden ausgebreitet hatte. Arme und Beine von mir gestreckt lag ich auf dem Teppich und dachte einfach nur nach. Auf Tims fragenden Gesichtsausdruck und seinen fast schon besorgten Tonfall hin jedoch richtete ich mich auf, sodass ich zurückgelehnt dasaß.

"Was? Ja, klar. Ich denk' bloß nach gerade."

"Worüber?", wollte Tim mit einem Lächeln auf den Lippen wissen, doch ich zuckte bloß mit den Schultern. Einladend klopfte Tim neben sich aufs Bett und rutschte ein Stück zur Seite, sodass ich mich neben ihn legen konnte. Das tat ich auch und ließ zu, dass Tim mich näher zu sich zog, bis ich mit dem Kopf auf seiner Brust lag. Lächelnd schloss ich die Augen und genoss Tims Berührungen, während er mit einer Hand mit meinen Haaren spielte. Fast schien er in Gedanken versunken kaum mehr seine Umgebung wahrzunehmen, als seine Hände plötzlich an meinen Brustkorb lagen und mich halb hochhoben, während ich umgedreht wurde und schließlich auf dem Bauch auf Tims Brust lag. Bevor ich irgendwie reagieren konnte hatte Tim seine Lippen kurz auf meine gedrückt und lächelte mich nun an. Für einen Moment vergaß ich alles, worüber ich mir gerade noch den Kopf zerbrochen hatte und verlor mich in seinen Augen. Einige Sekunden lang sahen wir uns einfach nur an und das genügte mir auch fast schon, bis ich doch noch wie in Zeitlupe meinen Kopf näher an Tims senkte und meine Lippen vorsichtig auf seine legte. Es war ein liebevoller, vorsichtiger und zärtlicher Kuss und als ich mein Gesicht in Tims weicher Haut vergrub und seinen wundervollen Duft genoss wurde mir wieder einmal klar, wie glücklich der Alpha mich machte.

"Danke", flüsterte Tim in diesem Moment neben meinem Ohr und auf mein fragendes Brummen zog er mich näher zu sich.

"Das war das erste Mal, dass du mich von dir aus geküsst hast.", erklärte Tim und kurz runzelte ich die Stirn, bis mir auffiel, dass er recht hatte. Ich hatte unsere Küsse genossen, jeden einzelnen, doch war jeder von Tim aus gekommen. Er war der Alpha. Und so war es - seit unserem ersten Kuss, mit dem alles hier begonnen hatte - bis jetzt auch immer er gewesen, der die Initiative ergriffen hatte. Und einem kleinen Teil von mir, meinem Omega-Teil gefiel das sogar. Gefiel es, sich einfach einer Person hingeben zu können, sich fallen zu lassen und sich um nichts mehr sorgen zu müssen. Dem Teil von mir, den ich bis jetzt immer sehr gut verdrängt hatte. Bis jetzt. Bis Tim.

Ich hatte wieder selbst die Initiative ergriffen, von mir aus Tim geküsst, auch wenn sein Verhalten ja wohl eine klare Einladung dazu gewesen war, und nicht einmal gemerkt, dass es etwas besonderes war. Und wo andere Alpha wütend geworden wären, schließlich hatten wir Omega nur zu parieren und, direkt gesagt, den Arsch hinzuhalten, auf jeden Fall schon mal alles aber keine Eigeninitiative zu ergreifen und ansonsten sich möglichst unsichtbar zu machen, da war Tim anders. Er hatte sich gefreut, dass ich ihn geküsst hatte, war geradezu begeistert gewesen. Und genau dafür war ich ihm unendlich dankbar und liebte ihn bloß umso mehr. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich zu irgendetwas zwang, im Gegenteil. Wenn ich ein schlechtes Gewissen hatte, weil er vielleicht mehr wollen könnte als das, zu dem ich momentan bereit war, merkte er das jedes mal, beruhigte mich und versicherte mir immer wieder, dass ich so viel Zeit hatte, wie ich brauchte. So viel Zeit, bis ich bereit war.

Und so war es auch gekommen, dass es zwischen uns kaum weiter gekommen war als unsere Küsse und das stetige kuscheln. In den nun über zwei Wochen, die wir zusammen waren und ich quasi in Tims Zimmer lebte, hatte er mich nicht einmal oberkörperfrei gesehen. Während Tim immer nur in Boxershorts schlief, trug ich selbst nachts Shirt (immerhin kurzärmlig, was für mich schon ein enormer Vertrauensbeweis war) und Hose. Inzwischen hatte Tim mich mit viel gutem Zureden und Versprechen dazu gebracht, dass ich, solange wir in seinen Zimmer waren, kaum mehr einen Pulli trug. So auch gerade, wieder einmal, trug ich tatsächlich ein kurzärmliges T-Shirt und genoss das direkte Gefühl von Tims warmer, weicher Haut auf meiner, das ich in den letzten Wochen so lieben gelernt hatte.

Irritiert sah ich auf, als Tim plötzlich eine Hand von mir löste, nur um sie kurz darauf über meine Augen zu legen, wehre mich jedoch nicht gegen die plötzliche Blindheit. Was auch immer Tim vorhatte, er würde mir nicht schaden. Dessen war ich mir sicher.

Während sich auch Tims zweite Hand von meinem Körper löste und irgendwo neben seinem Bett Schubladen auf- und zuzuziehen schien, drückte er mir immer wieder schnell hintereinander kurze Küsse auf die Lippen und den Rest meines Gesichts. Noch ehe ich seine Berührungen auf meiner Haut wahrnahm, waren sie auch schon wieder vorbei. Plötzlich hielt er mitten in der Bewegung inne und ich stoppte kurz das Atmen, gespannt wartend auf das, was nun kommen würde. Tims Hand über meinen Augen drückte nun zart auf meine eh schon geschlossenen Lider, dicht gefolgt von seinen Lippen. Ich verstand die stumme Aufforderung und ließ die Augen geschlossen, auch als Tims Berührungen verschwanden. Als nächstes spürte ich seine Hand an meiner und wie er leicht meine geschlossenen Finger auseinander zog, bis meine Hand geöffnet war. Er legte etwas hinein und schloss meine Finger darum, bevor er einen Kuss auf den Handrücken drückte. Es dauerte kurz, doch als ich den Gegenstand in meiner Hand erkannte, rollte ich mich von Tim herunter und fuhr ungläubig auf, bis ich kerzengerade neben ihn saß. Meine Augen waren verwirrt ungläubig aufgerissen und starrten auf den Gegenstand, den ich fallen hatte lassen und der nun neben mir lag.

Ein Halsband.

Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #VenationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt