Davor 2

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Eine sanfte sommerliche Brise weht über das goldene Weizenfeld, beugt einige Halme im Wind. Ich sitze auf einer alten, gemütlichen Steppdecke, die ich bis hier her geschleppt habe. Ich fröstle. Es ist bereits Abend, die wärmende Sonne verabschiedet sich hinter den malerischen bewaldeten Hügeln und lässt nichts als einen Abglanz der heutigen Hitze zurück.

Ich drehe mich um, wartend.

Wenn er nicht da ist, fühle ich mich leer. Und das, obwohl wir erst seit drei Monaten fest zusammen sind. Wie kann ich ihm nur so verfallen sein? Was ist es, was mich so an ihn bindet?

Diese Fragen stellen sich mir schon viel zu lange, und dass ich darauf keine Antwort weiß, hinterlässt ein nagendes Gefühl, das mich schier in den Wahnsinn treibt.

Plötzlich legen sich zwei Hände auf meine Augen und versperren mir die Sicht. „Falls du meinen Freund gesehen hast, kannst du ihm gerne mitteilen, dass ich hier seit zwei Stunden auf ihn warte.", zische ich erbost. Doch am Ende des Satzes muss ich leider lächeln, was meinen schmollenden Ausdruck völlig zu Nichte macht.

„Du bist immer so ernst, Lia. Du musst noch aufpassen, dass sich keine Falten auf deiner Stirn bilden.", raunt er mir zu und nimmt gleichzeitig die Hände von meinem Gesicht. Ich lehne mich vorsichtig an ihn. Er küsst meine Schläfe. „Sorry, Lia. Nick wollte mich nicht gehen lassen.", entschuldigt er sich. Ich muss mich nicht umdrehen, um mich zu versichern, dass er zerknirscht aus der Wäsche guckt.

„Jetzt bist du ja da", beschwichtige ich ihn und es ist eine ganze Weile still. Warme Geborgenheit erfüllt mich, wandert durch meinen ganzen Körper.

„Dein liebstes Geräusch.", meine ich und stupse ihn leicht mit der Schulter an. Nicht lange und er entgegnet: „Was würdest du sagen?"

Ich drehe den Kopf, sehe ihm in die Augen. „Das Prasseln vom Regen auf ein Wellblechdach. Oder das Quietschen des alten Schaukelstuhls meiner Oma."

Er lehnt seine Stirn an meinen Nacken und flüstert: „Ich glaube, das absolut Schönste, was ich je das Glück hatte zu hören, war das Klicken des Auslösers meines ersten Fotoapparat. Oder das Knirschen, wenn man mit seinen Schuhen Abdrücke im Schnee hinterlässt."

Ich murmle eine Zustimmung. Auch ich mag den Schnee. Tausende unterschiedliche Schneeflocken, die sich zu flauschigen Wattebäuschchen zusammenfügen und dann still zu Boden fallen.

Die Zeit danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt