Davor 18

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Er streicht mir sachte eine Strähne meines Haars hinter mein Ohr und sieht mich mit diesem Blick an, bei dem sich mir die Härchen auf den Armen aufstellen.

Wir sind alleine zu Hause. Mam besucht eine Galerie in einer anderen Stadt und Liam begleitet sie. Ich habe Jan eingeladen. Nach reichlichem Zögern. Nach unserer ersten Verabredung war es irgendwie... eigenartig zwischen uns.

Im Matheunterricht bemerke ich immer wieder, wie er mich von der Seite anschaut, und wenn ich zurückblicke, senkt er seinerseits den Blick, sodass direkter Augenkontakt zur Seltenheit geworden ist.

Deshalb genieße ich es jetzt, dass er mir nicht ausweicht. Er lächelt auf diese Jan-Art; blitzende Augen, ein hochgezogener Mundwinkel und ein ganz spezielles Leuchten, das sein Gesicht erhellt.

Ohne nachzudenken strecke ich eine Hand aus und lege sie ihm behutsam auf die Wange. Sie ist ein wenig rau von einem leichten Dreitagebart, der sich bildet.

Wir stehen noch immer in der Küche, die Mittagssonne fällt in einzelnen Strahlen durch die großen Fenster. Alles sieht ungemein freundlich und warm aus.

Jan hebt verwundert eine Braue, weicht jedoch nicht zurück. Im Gegenteil; er tritt einen Schritt vor und zieht mich sanft an sich. Er verschränkt die Hände hinter meinem Rücken und weil mir meine Position mit einem eingeklemmten Arm zwischen uns unangenehm ist, schlinge ich beide Hände um seinen Nacken.

„Was ist das mit uns?", murmelt er ein wenig heiser und lehnt seine Stirn an meine. Seit dem Moment auf der Klippe waren wir uns nicht mehr so nah. Es fällt mir also ziemlich schwer, mich auf seine Worte zu konzentrieren. Fast schon zu spät erwidere ich patzig: „Ich habe keine Ahnung. Ich meine, wir sind so verschieden. Es ist überhaupt schon ein Wunder, dass wir uns überhaupt unterhalten haben. Normalerweise...-"

Weiter komme ich nicht. Er drückt plötzlich seinen Mund auf meinen und lässt mich so verstummen. Nach einigen Augenblicken bewegt er seine Lippen ganz leicht und jagt mir so einen Schauer über den Rücken.

Der Kuss bleibt ganz vorsichtig und... hm. Zart wäre wohl das passendste Adjektiv. Als wir uns schließlich voneinander lösen, kann ich mein Lächeln nicht abschalten. Seine Hände liegen noch immer um meiner Taille, meine Hände noch immer um seinen Hals.

Seine grünen Augen haben winzige goldene Sprenkel, was ich erst von Nahem sehe. Er atmet noch immer schwer.

„Alles okay?", erkundige ich mich nach einer Weile.

„Mehr als perfekt", kommt die Antwort ohne das geringste Zögern.

Die Zeit danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt