Danach 19

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„Lianna, Telefon für dich!". Mams Stimme dringt durch die geschlossene Tür meines Zimmers. Einige Sekunden lang überlege ich, sie einfach zu ignorieren, entscheide mich jedoch anders. Seufzend erhebe ich mich von meinem bequemen Ohrensessel.

Überraschenderweise meldet sich Pia Braun nach einem wenig optimistischen Begrüßungslaut meinerseits.

„Pia aus der Selbsthilfegruppe, hallo", meint sie und ich kann ein Lächeln in ihrer Stimme hören, „Du hast die letzten Male gefehlt und ich wollte mich nur versichern, dass mit dir alles in Ordnung ist."

Nett. Ausgesprochen nett sogar. „Klar.", antworte ich nach einem Moment der Stille.

Ich höre sie in der Leitung schwer seufzen.

„Lass das", sagt sie heftig. Ich zucke zusammen. Was ist jetzt in sie gefahren? Meine Stimme hat höflich geklungen.

„Hör auf, so zu tun, als kämst du alleine damit klar. Ich weiß, dass es dir beschissen geht. Mir geht es nämlich genau so. Ich weiß, wie du dich fühlst. Als ob ein Gewicht unaufhörlich auf deine Brust drückt. Alles tut dir weh, obwohl du völlig gesund bist. Das alles wäre ja noch zu ertragen, aber das Schlimmste ist, dass du überall an sie erinnert wirst. Du kannst sie nicht vergessen.", sagt sie.

Ihre Stimme zittert und bricht an einigen Stellen und ich höre, dass sie weint. Erst da wird mir bewusst, dass auch mir Tränen über das Gesicht laufen.

Einige Minuten ist es still in der Leitung. Wir beide versuchen, uns zu beruhigen.

„Danke, Pia"

„Keine Ursache, Lia. Wir Selbsthilfe-Typen müssen zusammenhalten. Du kannst mich jederzeit anrufen, falls du jemanden brauchst, um zu reden", erwidert sie mit einem Lächeln in der Stimme.

Ich hole tief Luft. „Wir sehen uns bei Aaron."

Pia lacht und meint dann, ernster jedoch: „Ich zähle auf dich."

Die Zeit danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt