Danach 43

15 5 0
                                    

„Fräulein Sommer.", begrüßt mich Herr Forster freudig und reicht mir seine Hand, „Wie schön, sie wieder einmal in den geheiligten Theaterhallen zu sehen."

Ich nicke lächelnd. Ich muss zugeben, dass er mir gefehlt hat. Seine raue, tiefe, seriöse Stimme und seine Art, ausladende Gesten mit den Armen zu machen. Durch und durch Schauspieler.

Ich ignoriere das Getuschel der anderen Schüler und setze mich auf meinen gewohnten Platz im Stuhlkreis, gleich gegenüber Forsters.

Es ist verwirrend, in einem Kreis aus Stühlen zu sitzen und nicht gezwungen zu werden, über seine Gefühle zu reden, oder zu erfahren, wessen Verwandte, wem gestorben sind.

Leon nimmt neben mir Platz.

„Niemand ist während deiner Abwesenheit auf diesem Stuhl gesessen", meint er und sieht mich dabei freundlich an.

„Das wäre nicht nötig gewesen.", antworte ich.

Wäre es wirklich nicht. Leon ist seit Jahren das erste Mal richtig freundlich zu mir. Er hasst jeden und jeder hasst ihn.

Die Tatsache, dass jetzt sogar er mich behandelt, als wäre ich aus Zucker, regt mich ziemlich auf.

Ich mochte seine herablassenden, sarkastischen Bemerkungen, die einem stets signalisierten, dass er ein Ego besitzt, das genauso groß, wenn nicht grösser als er selbst ist. Und Leon ist riesig.

Doch ich schlucke meine Gereiztheit hinunter und grinse ihn an.

„Tja, Frost, jetzt bin ich wieder da und schnappe dir jede nur erdenkbare Hauptrolle vor der Nase weg, dass du er bereust, mir Ehre gezollt zu haben.", scherze ich und boxe ihn gegen den Arm.

Er legt den Kopf für einen Moment schräg. Wahrscheinlich fragt er sich, ob ich das ernst gemeint habe. Doch dann lächelt er.

„Wie früher.", entgegnet er.

Ich kann es nicht verhindern. „Nicht ganz.", bemerke ich bitter und spüre den Knopf in meinem Magen.

Leon zuckt schuldbewusst zusammen und entschuldigt sich hektisch. Doch ich winke ab. Ich bin die Entschuldigungen leid.

Alles, was ich will, ist spielen. Hier und jetzt. Und dieses Gefühl wieder verspüren, dass ich alles sein kann, was ich will.

Die Zeit danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt