Davor 28

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„Hallo"

Er hat den Kopf schief gelegt und dieses Jan-Grinsen auf den Lippen, das mich jedes Mal halb wahnsinnig werden lässt.

Ich weite meine Augen und sehe überrascht auf. Karlie stößt ihren Ellbogen in meine Rippen, sodass ich keuche.

„Hi", bringe ich mühsam heraus. Lächerlich, wie dämlich ich mich anstelle. Karlie schüttelt den Kopf und meint lässig: „Coole Party. Ich wusste gar nicht, dass du so viele Leute kennst! Wir haben sogar ein Geschenk. Los Lia, gib es ihm!"

Wundervoll, wie idiotisch ich mich in seiner Gegenwart benehme. Mit einigen Sekunden Verspätung, in denen ich damit beschäftigt bin, ihn anzustarren, fische ich endlich das kleine goldene Päckchen aus meiner Tasche und überreiche es ihm verlegen.

Er wiegt es in den Händen und sieht mich dabei amüsiert an. Ach Gott, wie funktioniert die Atmung schon wieder? Während er mit der Verpackung des Geschenks beschäftigt ist, wirft mir Karlie einen mahnenden Blick zu. „Stell dich nicht so an!", soll das bedeuten.

„Wow", haucht Jan beeindruckt und sieht dabei nur mich an, „Die sind ziemlich gut geworden. Ich meine, den Lichteinfall musst du genauer einrechnen, aber ansonsten, einwandfreie Arbeit, Lia!"

Meine Brut schwillt vor Stolz an. Er hat einmal erwähnt, dass Fotografie zu einer seiner Leidenschaften gehört, also habe ich kurzerhand einige Fotos von Karlie und mir geschossen. Mit der Kamera meiner Mam. Einer alten Schwarzweißkamera.

Er lächelt und schaut sie sich der Reihe nach an. „Vielen Dank, Lia! Und natürlich Karlie."

Karlie lässt die Luft durch die Zähne entweichen. „Ihr seid so drollig! Du, wie du immer so breit grinst, wenn du sie siehst und sie, wie sie zur Salzsäule erstarrt, sobald du auch nur in der Nähe bist. Wieso, verdammt noch mal, seid ihr kein Paar?"

Sie duckt sich rechtzeitig unter meinem Schlag weg und stöckelt in die Richtung von Nicks Haus. Jan und ich sind allein. Und ich habe Gänsehaut. Und zittere. Und habe weiche Knie.

„Ich fasse es nicht, dass du dir gemerkt hast, dass ich gern fotografiere.", bricht er endlich das Schweigen. Da die Sonne bereits untergegangen ist, sind die Lampen, die von Nicks Haus herrühren, die einzige Lichtquelle weit und breit.

Ich senke den Blick zu meinen Füssen und beiße mir auf die Lippen. „Ich merke mir alles, was du sagst.", murmle ich und bin so überrascht über meinen Mut, dass ich gespannt die Luft anhalte.

Es ist fast schon kitschig, als er mit seinem Daumen unter mein Kinn fährt, es hochhebt und mich so zwingt, ihn anzusehen. Wow. Ich bin einfach nur baff. Und ich habe nicht einmal die Zeit, mich wiederholt zu fragen, weshalb er ausgerechnet mich will, als er seinen Mund auf meinen drückt.

Und dieser Kuss ist anders, als die anderen, die wir auf der Klippe und in meiner Küche hatten. Weniger zart, eher heftig, ehrlich und... leidenschaftlich.

Ich verschränke die Hände in seinem Nacken und ziehe ihn noch näher zu mir. Meine Augen schließen sich automatisch und meine Atmung setzt für einige Sekunden aus.

„Lia, was bitte machst du hier?", will eine kleine nervende Stimme in meinem Kopf wissen.

Es ist nicht so, dass ich viel küsse, oder überhaupt jemals geküsst habe, aber bei ihm bin ich mir einfach sicher, bei dem, was ich tue. Ich weiß, dass ich alles richtig mache. Es klingt verrückt, aber ich habe absolut keine Bedenken, Fehler zu machen. Es ist pure... Intuition, dass er der Richtige ist, aber ich weiß, dass ich dieses Gefühl noch nie in meinem Leben verspürt habe und ich praktisch süchtig danach bin, mich so zu fühlen.

So frei und leicht, als würde ich schweben.

Ich löse mich von ihm, doch nur so weit, dass ich ihn immer noch im Arm halten kann. Seine Augen glühen auf diese vertraute Art, die zu sehen, mich schlichtweg nur glücklich macht. Ich lächle leicht und streiche ihm durch das braune, seidige Haar.

„Alles Gute zum Geburtstag", flüstere ich mit krächzender Stimme.

Jan schüttelt grinsend den Kopf und umfasst mit beiden Händen mein Gesicht. Behutsam streicht er mit den Daumen über meine Wangen. „Du bist ziemlich unglaublich, weißt du das?", lacht er leise und lehnt seine Stirn gegen meine.

Auf einmal bin ich ganz kribbelig. Seine Stimme lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen und seine Haut, die meine berührt, sendet elektrische Stöße aus.

Der intensive Moment wird zunichte gemacht, als Karlie jubelnd ihr Getränk hebt und so die ganze Partygesellschaft auf uns aufmerksam macht. Sie legt Nick einen Arm um die Schulter und pfeift durch die Zähne.

Von überall her wird Beifall geklatscht, was meine Wangen rot werden lässt. Ich vergrabe mein Gesicht peinlich berührt in Jans Lederjacke und warte darauf, dass er sich von mir losmacht. Aber stattdessen legt Jan den Arm fester um mich und als ich vorsichtig hochschiele, kann ich sehen, dass er breit grinst.

Karlie reckt beide Arme in die Lüfte und tanzt ausgelassen herum. Ich schüttle lächelnd den Kopf. Verrückte, liebe, bescheuerte Karlie.

„Was heißt das jetzt?", erkundige ich mich leise, ängstlich.

Jan wendet sich mir zu, das Lächeln, das er mir nun schenkt, beinhaltet Grübchen und typisches Augenleuchten.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung.", antwortet er, „Aber ich bin mir sicher, es ist etwas Gutes."

Die Zeit danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt