Die ersten beiden Stunden habe ich überlebt. Can konnte mich nicht töten. Selbst wenn, würde ich ihn einfach wieder in die Eier treten. Meine Freunde und ich gehen raus in die Pause. Saliha ist nach Hause gegangen, weil sie ihre Tage bekommen hat. Cathleen und Viyan haben gleich Geschichte und wollen am liebsten nicht hingehen, weil der Lehrer äußerst arrogant sein soll. "Weißt du was für ein Hund das ist? Wegen dem werden wir sicher durchfallen!", seufzt Cathleen. Ich glaube das Pech verfolgt sie, denn auf der Realschule hatten wir auch einen Geschichtslehrer der so drauf war, trotzdem habe ich eine Zwei bekommen, was ich nie erwartet hätte. "Packst du schon irgendwie. Schau einfach bei Viyan ab." Viyan liebt Geschichte, was ich nicht verstehen kann. Mich interessiert es nicht, wer vor 131 Jahren gestorben ist. Leider kann ich das Fach erst nächstes Jahr abwählen. Wann beginnt der nächste Streit? Ich will es wissen. Ich werde nicht zulassen, dass er mich so behandelt, wie seine Hündin oder Hündinnen, je nachdem wie viele er hat. Bis jetzt sind es zwei. Ich kriege was und wen, ich will. Anscheinend kriechen die Mädchen in seinen Arsch und das ist der Grund, warum er so selbstüberzeugt ist. Arschloch. Das Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken und langsam erhebe ich mich und laufe zum Biologie Raum oder versuche ihn zu finden, wie gesagt: Orientierungsstörung. "Junge, wo bin ich?", frage ich mich selber und drehe mich einmal um meine eigene Achse. Ich erblicke ein Mädchen, aus meinem Bio-Kurs und folge ihr, ohne dass sie es merkt. "Hat unsere Doktorin den Raum wieder nicht gefunden?" Ramazan, wer sonst? "Nein", sage ich und drehe mich leicht zu ihm. "Warte einfach auf mich, dann begleite ich dich, so gehst du auch nicht mehr verloren", neckt er mich. "Nein, du brauchst mich nicht zu begleiten", sage ich, während wir uns auf dem Weg zum Raum machen. "Keine Widerrede! Außerdem möchte ich dich besser kennen lernen", gibt er schlicht von sich und fährt sich durch seine hellbraunen Locken. "Wieso?", frage ich stirnrunzelnd. "Damit du mich nicht mobbst oder auf mich einschlägst! Zwei Beispiele habe ich ja", antwortet er mir lachend. Habe ich schon gesagt, dass ich ihn mag? Wir betreten die Klasse, in der sich meine Lieblingslehrerin und mein Erzfeind befinden. Ich setzte mich nach ganz vorne, was mir Ramazan nachtut. Frau Schnitzler beginnt mit dem Unterricht und erzählt uns etwas über die Knochen. Sie sind Druck- und Zugfeste, gut durchblutete Organe. Ich hätte nie gedacht, dass auch Knochen Organe sind, aber im Nachhinein ist es eigentlich logisch, alles im Organismus ist ein Organ. Frau Schnitzler verteilt Arbeitsblätter und bittet uns, sich jeweils ein Buch von hinten zuholen. "Ich hole dir eins mit Ramazan." "Heute sind wir wohl besonders freundlich." Ich ignoriere seine Aussage schmunzelnd und gehe nach hinten, wo zufälligerweise mein neuer Feind sitzt. "Du wirst es bereuen", murmelt Can, als ich zwei Bücher in die Hand nehme. "Ich bin bereit und freue mich, deine angebliche Rache irgendwann mal spüren zubekommen. Aber unterschätz mich lieber nicht. Ich will dich ja nicht an heute Morgen erinnern", trällere ich amüsiert. Er soll bloß nicht denken, dass ich mich vor ihm fürchte. Was er kann, kann ich schon lange. "Du hast so Glück, das wir nicht alleine sind." Mit einem schnaubenden Lächeln gehe ich wieder auf meinem Platz, gebe Ramazan sein Buch und schlage Seite vierundsiebzig auf, wo sich ein zwei Seitiger Text über die Knochen und deren Aufbau befindet. Auf dem Arbeitsblatt stehen diverse Fragen und drei Abbildungen. Einmal von dem Schädel, dem Oberkörper plus Arme und von den unteren Extremitäten, die man alle mit den passenden Knochen beschriften soll. Einfach, aber komplexer als in der Realschule, mit mehr als den Hauptknochen, die zur Allgemeinbildung dienen und dann noch auf Latein.
"Singular Os, Plural Ossa", murmele ich vor mich hin und beantworte die letzte Frage. Du wirst es bereuen. Will der mich töten oder was? Ich sollte mir schon mal einen Plan ausdenken, wie ich ihn wieder ärgern kann. Obwohl, spontan ist es am besten Ich muss ihn erstmal machen lassen, wissen was er macht, damit ich wieder zuschlagen kann. "Dr. Shana?", holt mich Ramazan aus meinen Gedanken und schaut mich vorsichtig an - wie süß. "Mh? Was ist?", frage ich Ramazan. "Kannst du mir bei den Handwurzelknochen helfen?" "Nimm einfach mein Blatt." "Bist die Beste", lächelt er mich dankend an. Was will Can gegen mich anwenden? Er kennt mich nicht, also kennt er auch nicht meine Schwächen. Hast du überhaupt Schwächen?, frage ich mich selber, ohne die Antwort zu wissen. "Noch fünf Minuten", meldet sich unsere Biologieleherin kurz zu Wort. "Hier dein Blatt, danke Doktor." "Kein Problem. Was hast du gleich?", frage ich. "Chemie, du?" "Ehrlich? Ich auch." Ich freue mich irgendwie, dass wir gleiche Fächer haben. Einfach, weil mir Ramazan immer sympathischer wird. "Kann es sein, dass du mich stalkst und immer in meiner Nähe seien möchtest?", fragt er gespielt arrogant. "Du hast zu viele Hoffnungen." Er fängt an zu schmollen und sagt nichts mehr. "Die Zeit ist um! Wer möchte die Ergebnisse vortragen?" Sofort zeige ich auf. Wenn mich das Thema nicht so brennend interessieren würde, würde ich nicht einmal ein Blick ins Buch werfen. Irgendein Mädchen wurde drangenommen, woraufhin Can drankommt. Fällt sie mir jetzt in den Rücken oder warum nimmt Can, statt mich ran? Pah! Als Can beim beschreiben des Rumpfes erst Manubrium sterni und dann die Clavicula erwähnt, ergreife ich die Initiative und korrigiere ihn, denn es ist genau anders rum. Idiot. Und er interessiert sich für die Medizin? "Frau Salih hat anscheinend den Fehler erkannt, könnten Sie bitte die Antwort vom Herrn Jamil korrigieren?" Ich fange an zu schmunzeln. Hehe. "Mit Vergnügen. Bis zu den Thorakalen Wirbeln war alles korrekt, nur kommt erst die Clavicula, dann das Manubrium sterni, gefolgt von der Scapula und dem Sternum. Ich denke, Herr Jamil kann jetzt wieder fortfahren, wenn er die anderen Knochen korrekt beschriftet hat", gebe ich stolz, herausfordernd und provokativ von mir. Nimm das, Gorrila-Can! "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich den Rest korrekt habe!", sagt Can knirschend und obwohl ich mit dem Rücken zu ihm gedreht bin, kann ich mir nur sicher sein, dass er sich dabei anspannt. Gut gemacht, Schwester! Die Lehrerin schaut verwirrt zwischen uns beiden hin und her und nimmt mich ran, nachdem Can zu Ende gesprochen hat - leider fehlerfrei. Als ich zu Ende gesprochen habe, flüstere ich zu Ramazan, dass er sich melden soll, was er sich tut und alles richtig beantwortet hat, von den Fragen her. Die Stunde endet und ich laufe aus dem Raum, um mich zum Chemieraum zu begeben. Leider weiß ich nicht, wo er sich befindet, also warte ich auf Ramazan, der auch gerade kommt, aber leider mit Gorilla-Can im Schlepptau. Dieser Junge ist echt groß. Locker ist er 1,93 Meter. Ramazan ist nur ein Kopf kleiner als er, was lustig aussieht. Na ja, wir wollen nicht über mich reden. Er könnte mir auf den Kopf kacken! "Da hat mich jemand vermisst! Leider bin ich an Babyboo-Can vergeben", sagt Ramazan und versucht Can einen Kuss zugeben. Can weicht aus und verzieht verstört sein Gesicht. Ich fange an zu lachen. "Mensch, Schatz! Schämst du dich immer noch? Egal. Später, wenn wir alleine sind, machen wir ganz viele andere Sachen", schnurrt Ramazan, weswegen ich noch stärker lache. "Junge, verpiss dich!", sagt Can verschreckt.
"Begleite mich bitte zum Chemieraum", bitte ich Ramazan, als ich mich endlich beruhigt habe und Can ihn von sich geschubst hat. "Du kennst dich gar nicht hier aus oder?" Ich nicke mit aufeinandergepressten Lippen. "Ja und selbst wenn, ich habe eine Orientierungsstörung, war schon immer so. Also werde ich mich nie oder sehr spät hier auskennen", sage ich leicht lächelnd. Wäre Can wie Ramazan, gäbe es diese Probleme nicht, aber nein, er ist ja so ein gestörter Gorilla. Wir sind auf dem Weg zum Chemieraum. Auf dem Weg fragt mich Ramazan was. "Shana, möchtest du heute mitkommen in die Shisha-Bar?" Ich schaue ihn überrascht an. Überrascht, weil wir uns gerade mal eine Woche kennen und er schon mit so etwas kommt. "Findest du nicht, dass wir uns zu wenig kennen?", frage ich und lächele am Ende. Ihn überrascht meine Antwort. "Also ich mag dich, mit der Zeit werde ich immer mehr über dich herausfinden, aber, wenn du nicht willst ist, es nicht schlimm", sagt er verlegen und kratzt sich am Nacken, wie süß. "Sorry, aber ich rauche keine Shisha und mit Jungs rausgehen tue ich üblich auch nicht." Dieser Junge ist echt goldig! "Pff, zu viel Business also!", sagt Ramazan nun schnaubend. "Ja, so sieht's aus", sage ich lächelnd und spüre Cans durchdringenden Blicke auf mir. Was guckt der jetzt so? Vom weiten sehe ich Cathleen und Viyan, die ebenfalls in Chemie sind und verabschiede mich von Ramazan. "Wir sind in einem Kurs, Habibti." Das habe ich komplett vergessen. "Ouh, stimmt ja." Ich presse meine Lippen aufeinander und schiele kurz zu Can, der mich immer noch anschaut. Ich gehe auf Viyan und Cathleen zu, betrete mit ihnen den Raum und setze mich in die erste Reihe. "Du hast uns immer noch nicht erzählt, was passiert ist", stellt Cathleen fest. "Lasst uns heute zu mir gehen, dann erzähle ich euch alles", sage ich und konzentriere mich auf den Unterricht. Wieso muss Can auch hier sein? Reicht es nicht, dass wir in einer Stufe sind? Kann er nicht in einem anderen Chemiekurs sein? Oho, guck dir diesen Chemielehrer an! Er ist - geschätzt - um die vierundzwanzig Jahre alt, ist schon gut gebaut und hat braune Augen. Mein neuer Lieblingslehrer! Es stellt sich heraus, dass er Herr Krasniqi heißt, also gehe ich mal davon aus, dass er Albaner ist. Die erste Woche hatten wir Vertretung bei einem anderen Lehrer - dieser war nicht einmal halb so gutaussehend. Im Unterricht ist sonst nichts Besonderes passiert. Wir haben ein Experiment gemacht, bei dem wir ein Stückchen Alufolie in ein Reagenzglas mit Brom geben sollen, sodass ein Alu-Brom-Vulkan entsteht, dazu mussten wir den Vorgang sehr detailliert protokollieren. Und manchmal hat man Ramazan im Hintergrund kreischen gehört, wie herrlich dieser Junge doch ist.
In der Pause schwärmen Viyan und ich vom Chemielehrer. Cathleen findet ihn ganz okay, weswegen wir sie entsetzt angucken. Ramazan und der Rest der Bande laufen an uns vorbei und setzten sich auf die Bank, mal wieder sind die drei Hündinnen dabei. Das hat bestimmt etwas zu bedeuten. "Cathleen, komm du mal hier hin und beobachte Can und die anderen mal." Ohne es zu hinterfragen, tut sie es, denn sie kann sich schon denken, was für ein Grund es sein könnte. "Aleyna setzt sich auf Can und-, bah! Die lecken richtig rum! Und er guckt heimlich hier hin!" Versucht der jetzt mich eifersüchtig zu machen oder was? Süß. Ich lache nur verächtlich. Dachte er, ich würde es mir angucken? "Noch was?", frage ich murrend. "Das blonde Mädchen sitzt auf Ramazans Schoß und macht Bilder von sich. Die Braunhaarige hat sich neben einem Braunhaarigen eingekuschelt, seinen Namen kenne ich nicht. Bestimmt aus einem anderen Kurs", dokumentiert Cathleen das Ganze. "Gut zu wissen", murmele ich. Die Pause endet und zwei Stunden Sport stehen an. Wir spielen Völkerball und Can versucht mich die ganze Zeit abzuwerfen. Pff, wie kindisch. Das Lustige ist, dass ich entweder ausweiche oder Cathleen und Viyan sich als Schutzschild vor mich Stellen. Sie haben es auch anscheinend gemerkt. Ich liebe sie. Leider hat mein Team verloren, trotzdem hat er mich nicht getroffen, Idiot.
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Gorilla-Can oder Babyboo-Can?
Habt ihr gut aussehende Lehrer? Also bei mir sind es nur welche mit einer glänzenden Halbglatze.-Helo
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Arroganz
RomanceShana ist ein temperamentvolles, 16-jähriges Mädchen, das gerade dabei ist, die Oberstufe zu besuchen und ihr Abitur zu absolvieren. Schon an ihrem ersten Tag trifft sie auf den, ihr noch unbekannten, 17-jährigen Can. Seine chauvinistische Art lässt...