Kapitel 110

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Montag, 13. Mai

Ich laufe fröhlich auf dem Schulhof herum, da ich doch einen NC von 1,0 erhalten habe und keinen von 1,1. Ich könnte die ganze Welt umarmen! Nichts könnte mich traurig machen. Wirklich nichts! Das Wartesemester kann ich komplett vergessen und komme dem Studium näher. Mein Leben könnte gerade nicht perfekter sein. Mein Blick gleitet zu den Bäumen und dann zum Tor, wo Can steht und mir zuwinkt. "Komm her!", sagt er mit einem Lächeln, welches ich sofort erwidere. "Ich komme!", ruft plötzlich eine Stimme im Hintergrund, die von Elif. Er meinte nicht dich. Sie rennt auf Can zu und springt ihn an. Lachend umarmt er sie und gibt ihr dann schließlich einen langen Kuss auf den Mund. Wieso? Ich kann mich nicht bewegen, ich bin wie angewurzelt. Ich will wegschauen, doch kann es nicht. "Ich bin so froh, dich zu haben", gibt Can verliebt von sich und schaut dann in mein verletztes Gesicht. "Hätten wir diese Wette nicht gehabt, wäre ich jetzt nicht glücklich, Shana. Freust du dich denn nicht für uns?", fragt er mich lächelnd. Meine Augenbrauen ziehen sich verwirrt zusammen. Wieso sagt er das vor Elif? Weiß Elif etwa Bescheid und hat es Can verziehen? Ich schaue verletzt, doch fühle mich nicht so. Ich fühle nichts. Es ist mehr eine Verwirrtheit in mir. "Ich-," Ich werde von Elif unterbrochen. "Ist doch egal, was sie denkt", gibt sie arrogant von sich und schaut mich missbilligend an, weswegen sich Wut anhäuft. "Wer hat mit dir geredet?", zische ich. "Das ist egal, denn Can liebt mich", sagt sie und fängt an zu lachen. Ich will auf sie zu gehen, meine Wut an ihr auslassen, doch kann mich nicht bewegen. Wieso zum Teufel kann ich mich nicht bewegen?! "Gott, sie dachte, du empfindest etwas für sie. Als ob du Gefühle für so ein Mädchen haben könntest." Can fängt ebenfalls an zu lachen, was mir meinen Brustkorb beben lässt. Wieso hintergeht er mich? Elif kichert wie eine dreckige Hexe und küsst Can am Hals. Was ist hier los? "Dachtest du ernsthaft, dass da etwas zwischen uns läuft?", gibt er plötzlich kalt von sich. Meine Brust bebt vor Wut. Wie kann er nur so etwas sagen? Wie kann er es nur wagen? "Du verfluchtes Arschloch! Wie kannst du so eine Schlampe mir vorziehen?", brülle ich und kann mich endlich wieder bewegen. Bestimmt nur eine Schockstarre. Can lässt Elif los, die erschrocken nach Luft japst. "Nenn sie nie wieder so!", zischt er. "Sie ist aber eine Schlampe", gebe ich provokant von mir und zeige auf dieses Miststück. "Sei leise! Beleidige Elif nicht!", bellt er. "Ach! Bist du jetzt etwa wieder auf ihrer Seite?" Zwischen seinen zusammengezogenen Augenbrauen bildet sich eine Zornfalte. "Was soll das heißen?", will er wissen. "Stell dich nicht so dumm an, Can. Erst stehst du auf ihrer Seite, weil du zu ignorant bist, um zu erkennen, dass sie daran Schuld ist und dann, wenn dein verdammtes Gehirn realisiert, dass dieses Weib die Schuld trägt, kommst du zu mir. Du bist das ignoranteste Stück Scheiße, das ich je in meinem Leben gesehen habe!", brülle ich am Ende und werde gegen eine Wand geschubst. "Nimm das zurück!", knurrt er, was mir Unbehagen bereitet, doch ich kann nicht aufhören die Wahrheit zusagen. "Ihr seid beides lächerliche Missgestalten, Can. Zwei Huren haben sich anscheinend gefunden. Geht das doch feiern?" Cans Blick sagt mir, dass er vor Wut kocht, doch genau das spornt mich an, weiter zu machen. Seine Ader pocht und sticht so sehr stark heraus. "Hör auf!", bellt er, was ich ignoriere, auch wenn er mich gerade wieder an den Tag vor der Sporthalle erinnert. "Vergiss es! Geh doch wieder zurück zu deiner schlampigen Freundin, vögele sie und nimm es wieder auf!", keife ich mit einem kleinen, provozierenden Lächeln und sehe, wie er seine flache Hand erhebt und sie schnell in die Richtung meines Gesichtes bewegt.

Ich schaue geschockt in den Himmel. Was zum Teufel? Was war das? Um mich herum ist es schwarz, mein Herz schlägt bis ins unermessliche, hektisch atmen und schwitzen tue ich auch etwas. Hat Can mich gerade geschlagen? Ich drehe mich um meine eigene Achse und bemerke meine Decke, die meine nackten Beine streift. Ich realisiere gerade gar nichts. Ich schlage mir leicht ins Gesicht und merke erst jetzt, dass ich kerzengerade auf meinem Bett sitze. Ich schnappe mir mein Handy und schaue auf die Uhr: 03:03 Uhr. Ich seufze und fahre mir über meine Stirn. "Es war nur ein Traum", flüstere ich und versuche mich zu beruhigen. Ich zittere und bekomme Tränen. Was war das? Was war das für ein Traum? Can hat mich in meinem Traum geschlagen. Ich schlucke und schließe fest meine Augen. Es war nur ein Traum. Aber wieso träume ich so etwas? Ich kriege dieses Bild nicht aus meinem Kopf, wie Can seine Hand erhebt. Sonst vergesse ich doch immer meine Träume, wieso vergesse ich dann ausgerechnet diesen Traum nicht? Was hat das zu bedeuten? Wieso träume ich so etwas? Wieso reagiere ich so? Sonst weine ich nie nach einem Traum. Das, was im Traum war, verletzt mich immer noch. "Wieso hast du mich in meinem Traum geschlagen, Can?", flüstere ich mit bebender Unterlippe. "Liebst du Elif so sehr, dass du dich vergisst?" Eine Träne verlässt mein linkes Auge. Ich ziehe meine Knie an mich heran und schluchzte. "Würdest du mich jemals Schlagen wollen?", flüstere ich und kneife meine Augen ganz feste zusammen, weswegen zwei Tränen auf mein Nasenbein herunterrollen und die Haut dort kitzeln. "Du hast doch gesagt, dass du mir niemals ein Haar krümmen würdest." Ich weiß gerade nicht weiter. Ich will Dinge vergessen, doch genau diese Dinge tätowieren sich in mein Gedächtnis ein. Es war nur ein Traum. Das redet mir zumindest mein Unterbewusstsein ein, woraufhin ich mir meine Tränen wegwische und meine Nase hochziehe. Das kommt alles von diesem Gefühlsstress, ich habe es zu lange in mir gelassen. Ich entsperre mein Handy, gehe auf WhatsApp und sehe, dass Can online ist, als ich auf unseren Chat gehe. Ich sperre mein Handy wieder und entferne das Ladegerät, da es hundert Prozent Akku hat. Es vibriert, woraufhin ich auf dem Display Cans Namen lesen kann.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt