Kapitel 99

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Sonntag, 1. April

Ich mache mich gerade für Ramazans Geburtstag fertig und fühle mich etwas unbehaglich, da ich eigentlich niemanden, außer die drei Jungs kenne und Viyan und Saliha nicht kommen können. Ich wollte Ramazan nicht enttäuschen und gehe deswegen trotzdem. Der zweite Grund ist Can. Seit Donnerstag ist er kalt, rabiat und barsch, egal zu wem. Zudem riecht er stärker nach Zigaretten, was nicht gerade gesund ist. Wieso muss er denn auch unbedingt rauchen? Malik holt mich gleich mit Cans Auto ab. Solange setze ich mich auf die Kante meines Bettes und fahre mir über meine dunkelblaue Hose. Letztes Jahr habe ich ein weißes, schulterfreies Dreivierteloberteil angezogen und dieses Jahr habe ich dasselbe nur in schwarz an. Ich spiele mit meiner Kette und seufze dann. Es wird alles gut gehen. Ich werde ihm einfach aus dem Weg gehen, sodass nichts passiert. Malik schreibt mir, dass ich runter kommen soll. Schnell schaue ich nach, ob alles sitzt und nehme dann mein Handy und laufe runter. "Ich geh auf den Geburtstag meiner Freundin!", rufe ich noch einmal meiner Mutter zu und schließe dann die Tür, als ich meine Schuhe angezogen habe. Hastig nehme ich die Treppen und komme in weniger als zwei Minuten unten an. Aus der Tür hinaus, halte ich kurz Ausschau nach Cans schwarzen Audi und laufe dann dahin. Als ich mich ins Auto setze, begrüße ich Malik mit einer Umarmung und lege dann das Geschenk, welches von Malik, Can und mir ist, auf meinen Schoß. Wir haben einfach Geld zusammengeschmissen und das Beste darauf gemacht. "Wenn sich dieser Junge nicht auf diese Shisha freut, dann weiß ich auch nicht mehr", sagt Malik und fährt los. Ramazan vergöttert seit einiger Zeit eine Shisha, die seine Eltern nicht für ihn kaufen wollen, da sie zu teuer ist. Deswegen kam Malik auf die Idee, dass wir sie ihm doch kaufen können. Etwas angespannt fahre ich über das Geschenkpapier und schaue aus dem Fenster. "Keine Sorge, es passiert schon nichts. Sei einfach in meiner Nähe." Malik weiß, dass ich da niemanden kenne und mich unwohl fühle und natürlich auch die Sache von Can und mir. "Okay", flüstere ich und nicke. Die Fahrt verläuft still und endet leider Gottes schnell, obwohl ich dachte, dass es sehr lange dauern wird. Reiß dich zusammen! Ich atme tief durch und steige mit dem Geschenk aus dem Auto aus. Ich warte, bis Malik das Auto ausschaltet und laufe mit ihm in den Raum hinein, wo sich viele Menschen befinden. Zu meinem Glück sind hier auch Mädchen, auch, wenn ich nicht mit ihnen reden werde. Solange hier Mädchen sind, fühle ich mich nicht so allein. Mit Malik laufe ich an den ganzen Menschen vorbei und ignoriere ihre Blicke. Ramazan bemerkt mich und fängt an, wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen. "Mein Ehrengast!", ruft er und läuft auf mich zu, was auch Cans Aufmerksamkeit auf uns, beziehungsweise mich lenkt. Seinem strengen Blick weiche ich direkt aus und konzentriere mich auf Ramazan, der das etwas schwere Geschenk Malik übergibt und mich dann in eine herzliche Umarmung schließt. "Falls du dich alleine fühlst, was unmöglich ist, da du mich hast, wird meine Cousine dir Gesellschaft leisten", sagt er und löst sich von mir. Ich schaue ihn etwas besorgt an, da ich mich mit fremden Menschen nicht so gut verstehe von Natur aus. "Glaub mir, sie ist die weibliche Version von mir", versichert er mir und zieht mich nach hinten. Ich drehe mich kurz um, um zu schauen, ob Malik hinter mir ist, was auch so ist und lasse mich von Ramazan führen. Ich habe mir seinen Geburtstag irgendwie anders vorgestellt. Wie eine typische Party, voll mit Alkohol und schmierigen Jungs, doch hier scheint wohl auch seine Familie anwesend zu sein, was mich irgendwie entspannt. Es läuft libanesische Musik und dementsprechend wird auch dazu getanzt, was ich bewundernd anschaue, da libanesische Volkstänze die krassesten Tänze sind, die ich kenne. Auf arabisch wird für Ramazan ein Geburtstagslied gesungen, welches auch ich kenne und deswegen mitsinge, weswegen Ramazan schwer beeindruckt die Augenbrauen hochzieht und schmunzelt. Er wird dreimal von sehr breiten Libanesen hochgeworfen und dann auf den Stuhl gesetzt. "Bringt den Kuchen!", befiehlt er grinsend und streckt mir die Zunge raus. Ich muss irgendwie nach links schauen, wo ich einen Jungen sehe, der angriffslustig auf die andere Seite schaut, was ich ihm nachtue und erblicke einen angespannten Can, er sieht nicht angespannt aus, sondern ist wütend und das heißt nichts Gutes. "Malik", tippe ich ihn schnell an, woraufhin er mich dann aufmerksam anschaut. "Ich glaube Can und der Junge da kloppen sich gleich." Ich zeige heimlich zum fremden Jungen, woraufhin Malik zu ihm hingeht und mit ihm redet. Ich schaue heimlich nach rechts und sehe, wie Can mich wütend anschaut. Was habe ich jetzt gemacht? Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und schaue augenverdrehend zu Ramazan, der jedem ein Stück Kuchen gibt. Er will mir auch eins geben, doch ich lehne ab, da ich nicht wirklich ein Kuchen Fan bin. Ramazan schaut mich verständnislos an und gibt es dann Malik, der gerade wieder gekommen ist. "Was hast du dem Jungen gesagt?", frage ich direkt. "Anscheinend stört es Can trotz eures Kontaktabbruches, dass andere Jungs dich angaffen." Mein Mund öffnet sich beschämt, woraufhin ich mich zur Seite drehe. "Ouh", murmele ich und schaue kurz zu Malik, der mich grinsend ansieht. "Aber wieso guckt er mich dann so böse an?", frage ich mit fester Stimme. Malik zeigt grinsend auf meine freien Schultern, woraufhin ich wissend nicke und dann schnaube. Kann ihm doch egal sein! Wer ist er, dass er mich deswegen wütend ansehen muss? Es ist ein Oberteil, mein Oberteil, um genau zu sein. Genug von Can! Ramazan wird ein Shot von - ich gehe mal davon aus - seinem Onkel gebracht, den er dann in einem Zug austrinkt und dann seine Augen kurz zu kneift. "Wäre deine Mutter hier, wäre es dein letzter Geburtstag!", ruft einer, weswegen alle anfangen zu lachen. "Bringt die Geschenke", ruft jemand plötzlich hinter mir, weswegen ich zusammenzucke. Can bringt zuerst unser Geschenk, weswegen Malik und ich uns neben Ramazan stellen und gespannt darauf warten, dass er es öffnet. Wir wollten erst einmal die Shisha auseinander bauen und dann einzeln verpacken, aber dann dachten wir uns, dass es besser wäre, wenn wir sie als Ganzes zu verpacken. Er öffnet es schmunzelnd und fängt an zu schreien, als er den Kopf sieht. Der Kopf ist silberfarbig und an den Seiten mit arabischen Initialen verzieht, was die Shisha auch so signifikant macht. Er legt die Wasserpfeife vorsichtig und hysterisch ab, bevor er sich an Can schmeißt und ihn feste umarmt, was Gelächter herbeiruft. Ramazan schlingt nun sein Bein um Cans Hüfte und bewegt sein Becken auf und ab, weswegen sich Can lachend lösen will, aber von Ramazan erdrückt und abgeknutscht wird. Nachdem er sich von Can gelöst hast wirft er sich sofort mir in die Arme und hebt mich hoch, weswegen ich kurz aufschreie. "Danke, Habibti", quietscht er und hüpft mit mir in seinen Armen einmal im Kreis herum und lässt mich dann grinsend los, woraufhin er sich an Malik schmeißt, der wegen der plötzlichen Wucht nach hinten taumelt. Ramazan gibt nun auch Malik einen Kuss auf die Wange und packt dann weiter sein Geschenk aus. "Mit Orangentabak!", brüllt er vor Freude und wischt sich seine imaginären Tränen weg.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt