Samstag, 3. September
Samstag. Heute ist die Hochzeit und ich habe keine Lust. Ich habe es wirklich nicht hingekriegt, meine Mutter zu überreden. Ich werde also wirklich in meinem Kleid herumsitzen bis es mir an meinem Hintern klebt. Wären meine Cousinen nicht bei mir, wäre ich sogar ungeschminkt hingegangen, womit ich eigentlich kein Problem habe, aber meine Cousine übernimmt das Schminken und damit auch den Eyeliner für mich. Ich mag Eyeliner, aber das ist mir viel zu schwer. Ich habe mich wirklich mehrere Male bemüht, aber ich kriege es einfach nie hin! Meine Haare glätte ich einfach und streiche mir eine Partie hinter mein rechtes Ohr. Etwas Besseres fällt mir nicht ein. So kommen aber meine Ohrringe zur Geltung, vor allem mein Helix-Piercing. Ein bisschen Lippenstift in einem zarten Pinkton, Parfüm und schon bin ich fertig. Ich sehe gut aus, ohne viel Trara. Zum Glück habe ich die hohen Wangenknochen meiner Mutter abbekommen, so kann ich auf das Konturieren verzichten. Ihre Wangenknochen sind echt stark ausgeprägt, weswegen meine Freundinnen sie immer bewundern. Das Kleid gefällt mir sehr. Ich sehe verdammt gut aus und kann gar nicht aufhören, mich aus diversen Winkeln im Spiegel zu betrachten. Ich weiß nicht wieso, aber ich stelle mir vor, wie Can mich so sieht und – nur für mein Ego – die Augen nicht von mir nehmen kann. Der Gedanke gefällt mir.
Ich habe aber dennoch eine ganz kleine Hoffnung, dass meine Mutter zu mir kommt und mir spontan erlaubt daheim zu bleiben – vergeblich. Wir fahren trotzdem. Wann Can wohl da sein wird? Wird er einen Anzug tragen oder nur in Jeans und Hemd erscheinen? Es kann ja auch sein, dass er komplett leger aufkreuzt. Man weiß ja nicht. Ich kriege das Szenario nicht aus dem Kopf, wie er mich so sieht. Noch sehe ich ihn nicht im Saal, als ich mich unauffällig umschaue. Ich sehe und bemerke, dass mich andere anschauen, doch seine gelben Augen erblicke ich kein einziges Mal. Hm. Vielleicht kommt er ja noch. Wenn nicht, ist es ja auch kein Verlust. Dann ist es ja umso besser. Es ist 18:48 Uhr und die Braut müsste gleich kommen. Ich setze an den Tisch und esse die ganzen Snacks auf, weil ich keine Lust habe zu tanzen. Zu einigen kurdischen Liedern lasse ich den Kopf nicken, aber mehr auch nicht. Ich bin trotzdem genervt. Keiner ist hier, mit dem ich mich unterhalten kann. Meine ganze Familie ist am Tanzen. Diese Musik ist furchtbar laut, egal wie unterhaltsam die Texte des Sängers sind. Vielleicht kann mich ja Ramazan ein wenig ablenken, nur schnappt mir jemand von hinten mein Handy weg.
"Da bist du ja." Cihan setzt sich vor mich. Ich dachte kurz, es wäre Can. So eine Aktion wäre ja immerhin von ihm zu erwarten. "Du siehst angepisst aus. Was ist los?" "Ich hasse Hochzeiten. Was soll ich hier? Als ob ich tanze." Ich verdrehe genervt meine Augen. Von mir aus können wir jetzt schon wieder aufbrechen. "Ich bin ja da, um dich zu unterhalten", sagt er aufmunternd und reicht mir mein Handy. Er schaut sich im Saal um. "Komm lass uns raus." Ich nicke. Das ist mir lieber, als von diesem Lärm umgeben zu sein. Und meine Eltern sollten auch nichts dagegen haben, dass ich mit einem Typen bin, wenn sie ihn selbst seit der Geburt kennen und mich mit ihm rauslassen. Nur kann ich mir vorstellen, dass sich die Tratschtanten hier das Maul zerreißen werden. Hoffentlich kommt es durch das exzessive Rauchen bei ihnen schnell zum Zahnverlust. So können sie weniger labern. "Was meinte Can überhaupt, als er mit dir gestern geredet hat?" Ich habe vergessen, dass ich Ramazan noch schreiben muss. "Er meinte, dass er auch auf der Hochzeit sein wird."
"Ach, wirklich?" Er klingt herausfordernd. Das bedeutet nichts Gutes. "Falls er dir was antut, sag mir Bescheid okay?" Moment mal, wieso sollte Can mir bitte etwas tun? Klar, er ist nicht der Ruhigste, aber als ob er ein Frauenschläger ist. Ich sollte es aber nicht einfach so stehen lassen. Vielleicht hat es ja einen Grund, wieso Cihan es sagt. Kann ich aber alles glauben, was von Cihan kommt? Ich bleibe unentschlossen. "Würde ich, aber deine Nummer habe ich nicht." Nur für den Fall der Fälle. Jetzt habe ich auch seine Nummer und er meine. Ich bleibe trotzdem misstrauisch. Unsere Runde um den Saal beenden wir auch allmählig. Es ist recht kühl. Was erwarte ich auch in diesem Kleid? "Alles okay? Hier, nimm mein Jackett." Wie süß. Das ist das erste Mal, dass mir ein Junge seine Jacke anbietet. In diesem Fall ist es noch ein Jackett. Klischee. "Nein, nein. Geht schon", lehne ich ab und zittere aber langsam ziemlich stark. "Du ziehst dieses Jackett jetzt an", befiehlt mir Cihan. "Wir sind doch sowieso wieder vor dem Saal." Ich zeige demonstrativ auf den Eingang. Sein Jackett anzunehmen wäre etwas zu viel. Ich kenne die kurdischen Tratschtanten zu gut. Am Ende denkt Mama noch, dass ich auf Cihan stehe und plant unsere Hochzeit. "Shana, nimm jetzt mein Jackett."
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Arroganz
RomanceShana ist ein temperamentvolles, 16-jähriges Mädchen, das gerade dabei ist, die Oberstufe zu besuchen und ihr Abitur zu absolvieren. Schon an ihrem ersten Tag trifft sie auf den, ihr noch unbekannten, 17-jährigen Can. Seine chauvinistische Art lässt...