Arroganz

Kapitel 9

Die zweite Sportstunde beginnt und Herr Markus meint, dass sich jeder einen Schläger holen soll, da wir mit Badminton anfangen werden. Das motiviert mich, da ich das Spiel liebe. Ich gehe zum Schrank und hole drei Schläger raus. Als ich zurück gehen will, kommt mir Can entgegen und rempelt mich an, sodass die Schläger zu Boden fallen. Dabei lacht er verächtlich. "Pass doch mal auf", gibt er desinteressiert von sich. Der will mich provozieren. Dieses gottverdammte Arschloch. "Willst du mich verarschen? Du arrogantes Stück Scheiße! Ist das deine Art sich zu rächen? Wie lächerlich", sage ich lauter als ich wollte. Als er meine Wörter registriert hat, dreht er sich blitzartig zu mir. "Rede nicht so mit mir! Das habe ich dir schon mal gesagt!" Wäre er nicht so groß, müsste ich nicht so weit nach oben gucken. "Denkst du ernsthaft, dass ich auf jemanden wie dich höre? Du machst dir ja große Hoffnungen", schnauze ich ihn an und hebe die Schläger auf, bis ich feste am Handgelenk gezogen werde und kaum vernehmbar die Luft einziehe. "Lass los!", zische ich. "Ich könnte so vieles mit dir machen und trotzdem bist du so frech?", fragt er mit einem bedrohlichen Unterton in seiner rauen Stimme. Dieser Junge ist krank im Kopf. Ich habe drei Schläger in der Hand, mit denen ich auch viele Sachen tun kann", fauche ich und kneife die Augen zusammen. Er fängt leise an zu lachen. Macht der sich lustig? Wo ist der Witz? Gerade eben war er noch bedrohlich. "Was ist so witzig?", frage ich harsch. "Wie niedlich du bist, wenn du versuchst zu drohen", sagt er süffisant und zieht mich an meinem Handgelenk an sich, weswegen ich leise keuche. Hat er das mit der Backpfeife und dem Tritt in die Eier vergessen? Oder habe ich so stark zugeschlagen, dass er unter einer Amnesie leidet? Ich bin leicht verwirrt, wegen seines Kompliments und wegen seiner wandelnden Stimmungen. "Das ich niedlich bin, ist mir bewusst und dass ich versuche zu drohen stimmt nicht! Erinnerst du dich nicht an heute morgen? Das kann ich gerne wiederholen", sage ich und zwinkere provozierend. Ich reiße mein Handgelenk aus seiner großen Hand und gehe zurück. 7:0, glaube ich zumindest. Zurück in der Halle schauen mich Viyan und Cathleen mit einem krankhaft perversen Lächeln an. Wieso das? Als ich dann bemerke, dass Can hinter mir steht, schüttele ich resigniert den Kopf. "Was habt ihr da gemacht?", fragt Viyan, während Cathleen mit Gestiken einen Blow-Job zeigt. Das wird wohl ewig so weiter gehen. "Ich wusste es!", schreit Viyan fröhlich. "Nein, er hat mich mit Absicht angerempelt, dann haben wir ein wenig diskutiert, fertig", erkläre ich ihr stumpf. "Heute werden wir es eh erfahren", trällert Cathleen. Wir spielen eine Stunde, bis es zur Pause klingelt. Um die Ecke gibt es einen Netto, wo ich mich mit meinen Freundinnen hinbegebe, um Chips zukaufen.

Auf dem Weg sehen wir in der Ecke Malik und Can rauchen. Ramazan steht da einfach nur rum. "Was suchst du hier, du Bad-Girl?", will Ramazan grinsend wissen. "Ich gehe zu Netto, du Bad-Boy", antworte ich Ramazan und schaue kurz herablassend zu Can. Denkt er, dass er cool wäre, wenn er raucht? Okay, Malik raucht zwar auch, aber gegen ihn habe ich persönlich nichts. "Was guckst du so?", fragt Can hochnäsig. "Ich frage mich, wie ein Mensch so hässlich sein kann, wie du?" Außer seine Augen, obwohl... nein er ist hässlich! "Lügen machen hässlich!", sagt er bissig. "Dann bist du der Meister im Lügen." Viyan und Cathleen lachen. "1:0 für Dr. Shana!", spricht Ramazan in sein imaginäres Mikrophon. Eigentlich 8:0, aber das muss er nicht wissen. Nach meinem Konter laufen wir weiter. Wir kommen beim Netto an. Während sich Viyan Schokolade kauft, holen Cathleen und ich uns Chips und essen sie schon auf dem Weg zur Schule auf, so verfressen wie wir sind. Steht Can immer noch dort, wo er war? Nein. Nach dreizehn Minuten klingelt es und der Englischunterricht beginnt. Cathleen und Viyan können gerade mal so einen Satz bilden, was immer sehr witzig ist, wenn sie drangenommen werden. Ich stand bis jetzt immer bei einer Zwei in Englisch, außer in der siebten, der achten und im ersten neuner Halbjahr. Aber da waren meine Zeugnisse auch brutal schlecht. Und in der Zehnten hätte ich eine Eins, aber nur dank der Abschlussprüfung, die so schwer war, dass es sogar eine Petition gab, die darauf plädierte, dass man die Abschlussprüfung neu schreiben durfte - in vereinfachter Version. In Englisch ist nichts Besonderes passiert, nur war ich sehr überrascht, dass Malik den britischen Akzent so hervorragend beherrscht. Und das Ramazan nur Blödsinn im Kopf hat, aber ich glaube, wenn es wirklich drauf ankommt, wird er ernst. Cathleen und Viyan musste ich jedes einzelne Wort übersetzten, aber das bin ich schon seit fünf Jahren gewohnt. Nach der Schule rufen wir Saliha an, dass sie zu mir kommen soll, zwar hat sie ihre Tage, aber wenn es um sowas geht rennt sie förmlich.