Kapitel 103

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Montag, 11. März

Gerade trinke ich etwas und setzte mich auf der Bank hin. Irgendetwas stimmt hier nicht. Can will etwas, das habe ich bemerkt. Schon vor dem Unterricht und jetzt gerade im Sport. Er blockt die ganzen Bälle ab, die mich treffen sollen. Er ist nicht einmal in meinem Team. Was ist jetzt eigentlich mit ihm und Elif? "Saliha?" Sie wird aufmerksam und kommt zu mir. "Was ist jetzt eigentlich mit Can und Elif?" Die Wette habe ich seit dem Kontaktabbruch vollkommen bei Seite geschoben. Um ehrlich zu sein, habe ich sie vollkommen vergessen. "Die sind noch zusammen", sagt sie leise, was meine Augenbrauen geschockt in die Höhe gehen lässt. Niemals. "Das kann nicht sein, wieso sind die dann nie in der Schule am reden?", flüstere ich. "Ja, weil die beiden von ihren Brüdern erwischt wurden und die Brüder überall ihre Freunde haben, deswegen ist das total gefährlich und sie sind deshalb auf Distanz." Das erklärt so einiges. Sie sind immer noch zusammen. Seit einem Jahr. "Wow", kommentiere ich und schaue betrübt zu Boden. Das muss doch etwas heißen oder? Er ist ja nicht umsonst ein ganzes Jahr mit ihr zusammen. Das stört mich ungemein. Egal, dieser Junge gehört der Vergangenheit an. Ich schnaube und mache mich fertig, damit ich aus der Kabine gehen kann. Mir doch egal, was er macht! Es gibt sowieso nichts mehr, was uns verbindet, also muss ich aufhören, an ihn zu denken! Ich kam das ganze Jahr ohne ihn aus, da kann mich diese Tatsache doch nicht aus der Bahn werden. Wenn er eine Freundin hat und das seit einem Jahr, dann bitte! Er soll sie bloß nicht seinen Eltern vorstellen... und mit ihr nicht das Restaurant seines Vaters besuchen. Ich will schnell nach Hause. Ich laufe aus der Tür raus und will auf den Hof, werde aber festgehalten. Ich weiß, dass es Can ist. "Was ist?", frage ich matt. Seine Freundin wird sicherlich eifersüchtig sein. Er schluckt und blickt kurz zur Seite. Er wirkt nervös. Wieso ist er nervös und was will er? "Ich wollte dir sagen, dass-," Ich seit einem Jahr mit Elif zusammen bin und du die Wette verloren hast? Will er mir das sagen? Es mir unter die Nase reiben? Es kommt nichts, außer ein leises Seufzen, weswegen ich meine linke Augenbraue hochziehe. "Ich, ähm-,", setzt er an, doch bricht ab. Was will er? Ich höre die anderen schon tuscheln. Haben die nichts besseres zu tun? "Was willst du, Can?" Ich will so schnell wie möglich weg von ihm, aber irgendwie habe ich die Konversationen und seine Nähe vermisst. Etwas Nostalgisches taucht auf, aber das verdränge ich schnell, da Can ja der Vergangenheit angehört. Es ist trotzdem schön mit ihm zu reden. Er beißt sich auf die Unterlippe, während er die Augen schließt und dann seufzt. Was will er jetzt? Warum benimmt er sich so? Plötzlich nimmt Can mich feste in seine Arme, weswegen ich erschrocken die Luft einziehe. Ich höre ebenfalls, wie Viyan und Saliha es tun. Was ist los mit ihm? Was soll das? "Can!", flüstere ich beschämt und will mich losreißen, was nichts bringt, außer, dass sich Cans Arme stärker um mich binden. Diese Umarmung fühlt sich so gut an, obwohl sie so falsch ist. "Es tut mir leid", flüstert er, was mich schlucken lässt. Can hat sich entschuldigt. Can entschuldigt sich und das vor versammelter Mannschaft. Ich bin echt... ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist etwas Neues, so komplett neu. Can entschuldigt sich gerade bei mir, vor allen anderen. Ich bin baff, ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll. "C-can, die anderen gucken schon", weise ich ihn darauf hin, was ihn aber nicht interessiert, da er wieder einmal zudrückt. Bitte noch einmal. "Das interessiert mich nicht, ich will nur, dass du mir verzeihst, Shana." Es interessiert ihn nicht, was die anderen denken. Er legt gerade seinen Stolz ab, nur um mich um Verzeihung zu bitten. Das hätte ich niemals gedacht. Er, Can, der arrogante Junge, voller Stolz, dessen Ego größer, als so manches Gebäude ist, setzt all das ab. "Verzeihst du mir für meine Dummheiten?", fragt er und küsst mein Haar, was keine Gänsehaut, sondern eine Explosion hervorruft. Mein ganzer Körper kribbelt und zittert, wegen seiner Nähe und der Kuss hat es noch einmal verdoppelt. Ich halte mich an seiner Jacke fest, da es mir so vorkommt, als ob ich gleich hinfalle. Soll ich ihm verzeihen? Ich verzeihe sonst nie. Mein Herz klopf, etwas in mir schreit, dass ich ihm verzeihen soll. Wenn jemand einen Fehler gemacht hat und er geht, dann brauche ich ihn doch eigentlich nicht mehr. Er ist wie aus meinem Leben gestrichen worden, aber Can? Wo ist der Unterschied zwischen Can und den anderen Leuten? "Can", wispere ich und lasse seine Jacke los. Mein Stolz will nicht, dass ich ihm verzeihe. Er hat mir unrecht getan und mich verletzt, aber irgendetwas anderes sagt mir, dass er eine zweite Chance verdient hat. Was soll ich nur machen? Herz gegen Verstand, wer gewinnt? Ich scheine wohl viel zu sehr darüber nachzudenken, denn Can löst sich enttäuscht von mir und geht. Er geht mit einem zerbrochenem Stolz und das nur wegen mir. Er hat für mich all seine stärkenden Attributen abgelegt, nur wegen mir. Ihm war es egal, was die anderen gedacht haben, nur wegen mir. Er hat sich verändert, nur wegen mir. Ich schließe meine Augen und seufze tief. "Scheiß auf meinen Stolz", flüstere ich und renne zu ihm, bevor ich dann feste meine Arme um ihn binde und hoffe, dass es nicht zu spät ist.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt