Kapitel 68

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Montag, 24. April

Mit einem zufriedenem Ausdruck blättere ich während der Pause durch die Hausarbeit, die Can korrigiert und gedruckt in einem Ordner mitgebracht hat. ''Ich bin stolz auf mich'', seufze ich und schaue mir die Seite einunddreißig an. ''Auf dich?'', fragt Can. Ich schaue hoch zu ihn, da er mit Malik am stehen ist, während der Rest sitzt. ''Ja, auf mich. Auf wen sonst?'' Seine linke Augenbraue hebt sich in die Höh, aber irgendwie nicht ganz. ''Ein einfaches Gut gemacht, Can ginge auch.'' Ich schnaube. ''Als ob Shana jemals sowas sagen würde'', kommt es von Viyan, wo Saliha ihr nur zustimmt. "Bald sind Sommerferien'', träume ich vor mich hin. ''Erst in zwei Monaten und dreiundzwanzig Tagen'', korrigiert Malik mich lachend. ''Streber'', murmele ich und vergrabe meinen Kopf in meinen verschränkten Armen, nachdem ich den Ordner weggelegt habe, sodass die Frühlingssonne meinen Rücken schön aufwärmt. ''Wir sollen wohl eine Neue nächstes Halbjahr bekommen'', sagt Saliha in die Runde. ''Wenn sie nicht hübsch ist, kann sie direkt wieder gehen'', entgegnet Can ihr, woraufhin alle lachen, bis auf mich. Als Ramazan mein Gesicht erblickt, schaut er verdutzt zu Boden. ''Entschuldigung'', murmelt er. ''Was suchst du dann noch bei uns?'' Gott, seine chauvinistische Art nervt so dermaßen! ''Shana, ich-, wir alle wissen, dass ich unwiderstehlich aussehe'', sagt er arrogant. Sein selbstsicheres Lächeln kann ich schon spüren. Immer noch mit den Augen auf Ramazan gerichtet, antworte ich ihm im selben Tonfall. ''Dann können sie alle wohl gut lügen oder du bist leicht zu verarschen. Das könnte auch erklären, warum du Mädchen verarschen tust. Bestimmt kommst du nicht drauf klar, dass du so dumm bist und willst mit anderen auf dem selben Level sein'', stelle ich meine Hypothese auf. ''Leider muss ich deine Theorie falsifizieren. Wenn sie sich auf mich einlassen, wieso nicht?'', haut er in einem süffisantem Ton raus. ''Reicht doch!'', mischt sich Viyan ein. ''Irgendwann stecke ich eure Ärsche in eine Kammer und ihr werdet da solange drinbleiben, bis einer stirbt oder bis ihr euch ausdiskutiert habt!'' ''Die würden niemals aufhören'', kommentiert Saliha. ''Can würde verlieren'', sage ich selbstsicher. ''Woher willst du das wissen?'', zischt er. ''Schnauze halten!'', brüllt Ramazan. Verdutzt schauen wir ihn an. Er hat noch nie gebrüllt. "Bitte'', fügt er dann wieder in einem netten Ton hinzu und grinst mich an. ''Komm, Shana. Wir schließen eine Wette!'' Misstrauisch schaue ich zu Can, der mich mit einem leichten Lächeln anschaut und dabei die rechte Augenbraue hochzieht. ''In dieser Wette geht es auch nicht um mich?'', frage ich mit einem Hauch an Sarkasmus und Zynismus. Also für mich ist es ein Hauch. Für die anderen hört es sich so an, als ob ich gleich zuschlagen würde - außer für Can, denn sein Lächeln wird größer. ''Nein. Um das Mädchen, das wir nächstes Jahr begrüßen dürfen.'' Der plant schon für die nächsten Jahre, unfassbar! ''Lass das Mädchen in Ruhe!'' Ich gehe in die Defensive, obwohl ich das Mädchen nicht einmal kenne. ''Ich kann auch ein ganz Lieber sein'', versichert er mir. ''DU wirst ganz sicherlich nicht mit den Gefühlen eines fremden Mädchens spielen!'', zische ich und halte bedrohlich den Finger auf ihn. Er scheint es gelassen zusehen und nimmt meinen Zeigefinger in die Hand. ''Du hast eingeschlagen. Die Wette läuft und der Gewinner darf sich was aussuchen.'' Sein Grinsen kann er sich nicht verkneifen, genau wie alle anderen, als ich zu ihnen schaue. ''Was lacht ihr?!", keife ich. ''Wenn das Mädchen wie Aleyna ist, würde es dir dann was ausmachen, wenn Can es tun würde?'', fragt Malik. ''Dann haben sich zwei vom selben Attribut getroffen und dann wünsche ich mir auch, dass sie am Ende heult, aber-, warte! Dann verliere ich! Das darf nicht passieren!'' ''Beruhig dich. Sei doch nicht immer so hysterisch.'' Beruhigend streckt sich Ramazan etwas über den Tisch fährt mir über den Arm. Hysterisch, Hysterie. Das erinnert mich an den Samstag. Anscheinend denkt Can auch an die Sache, denn er rauft sich leicht die Haare und schmunzelt. Mit dem Strohhalm, den ich Saliha geklaut habe, beschmeiße ich Can, auch, wenn es nicht wirklich effektiv war. ''Übrigens habe ich nicht eingeschlagen.'' Doch Can nickt. ''Doch, aber wenn du schon jetzt kapitulierst, dann können wir auch schon zur Bestrafung kommen'', sagt er siegessicher. Ich will ihn nicht gewinnen lassen! Ich indoktriniere mich selber, sodass ich einstimme. ''Mal sehen, wer hier wen bestraft.'' Die Klingel war das Zeichen, die Unterschrift unserer Wette. Ich stehe auf, werde aber von Saliha kurz zurückgezogen. ''Du hast eine Menge zu erzählen.'' Somit verschwindet sie mit Viyan und einem vielsagendem Lächeln. Nach fast einem Jahr, habe ich mir alle Räume, in denen ich Unterricht habe eingeprägt - glaube ich. Sicherheit geht vor und deswegen laufe ich immer noch Ramazan hinterher. ''Hast du dir diese Isabella geklärt?'', fragt Can, woraufhin ich meine Augen verdrehe. ''Ja, Mann. Schon längst. Wir waren bei ihr und jedes Mal waren ihre Eltern nicht da'', sagt Ramazan grinsend und wackelt mit den Augenbrauen, bis er anscheinend meine Anwesenheit spürt und räuspert. ''Natürlich haben wir auch gearbeitet, denn sonst wäre ich ja nicht zu ihr gegangen'', beteuert er vorbildlich und bekommt ein Kopfnicken von mir, denn auch wenn ich mir sicher bin, dass die beiden nichts Jugendfreies gemacht haben, weiß ich, dass Ramazan auf jeden Fall an der Hausarbeit geackert hat, denn Biologie ist sehr relevant für ihn. Ich hab seine Hausarbeit gesehen und war sehr beeindruckt, da er total viel geschrieben hat und dann noch so detailliert. Selbstsicher lege ich den Ordner bei Frau Schnitzler ab und setze mich hin. Sie zählt kurz durch und fängt dann an über das neue Thema zu reden. Den Dominanten-Rezessiven Erbgang. Ich höre zu und habe dabei einen Ohrwurm von Pitbull ft. Neyo - Give me everything tonight. Das erinnert mich an die guten alten Zeiten auf der Straße mit Saliha und anderen, zu denen ich nicht mehr so stark in Kontakt stehe. Schön war es trotzdem und genau deswegen kann ich ein zufriedenes Seufzen, gefolgt von einem Lächeln nicht zurück halten. ''Was ist los? Denkst du etwa wieder an mich?'', stupst mich Ramazan von der Seite an. ''Natürlich'', gebe ich lächelnd von mir. ''An was denkst du?'' Das Szenario, indem ich mit meinen acht Jahren Yum-Yum und Wassereis im Sommer esse, kommt mir wieder in den Sinn. ''Alte Zeiten'', flüstere ich. ''Erzähl. Das Thema ist einfach.'' Ich höre trotzdem zu. ''Halt Wassereis, Kioskbonbons. Alles, was man früher als Kind gemacht hat'', schwärme ich. ''Du hast Glück, dass ich dieses Jahr hierbleibe.'' Ramazan zwinkert mir zu und konzentriert sich wieder, während mein Lächeln größer wird. Ramazan ist ein totaler Schatz. Ich bin wirklich froh, ihn als besten Freund haben zu dürfen.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt