Kapitel 16

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Freitag, unser aller Lieblingstag. Mit leichter Motivation steige ich aus meinem Bett und mache mich fertig, denke dabei an die gestrige Situation mit Can. Wieso interessiert ihn das so? Wie hat er mein Ticket bekommen? Wann hat er in meine Jackentasche gegriffen? Ich muss aufmerksamer sein. Ich binde mir meine Schuhe zu und laufe in den Flur. "Shana, morgen sind wir auf einer Hochzeit und du kommst mit", informiert mich meine Mutter. Nein, Mann! Ich hasse Hochzeiten. Drei Jahre habe ich keinen Hochzeitssaal betreten, wieso jetzt? "Mama! Wieso muss ich mit? Kann ich nicht zu Saliha oder Viyan?" Das hat eigentlich immer geklappt. "Nein, es sind Verwandte. Du kommst mit, ob du willst oder nicht", mault meine Mutter, während sie kein einziges Mal ihren Blick von ihrem Handy nimmt. Vermutlich spielt sie wieder Candy Crush oder eins ihrer anderen Spiele. Meine Motivation ist weg. "Uff", seufze ich leise. Na toll! Ich trotte demotiviert zur Bushaltestelle. Hochzeiten sind scheiße und langweilig. Ich habe nie verstanden, wie man diesen Lärm genießen kann. Was soll ich da? Ich werde doch sowieso nur sitzen und mich langweilen. Ich verstehe die Logik meiner Mutter nicht. Jetzt habe ich auch keine Lust mehr auf die Schule.

"Was ist los?", fragt mich Havin und mustert mich mit ihren braunen Kulleraugen. Ich stoße ein frustriertes Seufzen hervor, als ich mich gegenüber ihr auf der Metallbank niederlasse. "Ich muss morgen auf eine Hochzeit und habe keine Lust. Meine Mutter weiß doch, wie ich reagiere." Wenn ich irgendwohin muss, wo ich nicht hingehen will, rede ich nicht mehr und das den Rest des Tages. Außerdem bin ich dann viel reizbarer. "Sag doch deiner Mutter, dass du bei mir bleiben kannst", schlägt sie vor. "Hab ich ja, aber es sind Verwandte. Da habe ich keine andere Wahl", gebe ich augenverdrehend von mir. Ich muss es wohl oder übel hinnehmen. Hoffentlich servieren sie dort gutes Essen. In der ersten Stunde habe ich Deutsch mit Herrn Markus, das heißt: Can sitzt vor mir. Vielleicht werde ich ihn heute mit Papier abwerfen. Er soll auch schlechte Laune haben. Ich beschließe wieder in meinem Block herum zu malen, bis Herr Markus in den Raum tritt. Diesmal versuche ich einen Gorilla zu zeichnen und muss dabei an die Situation mit Can denken. Das war mehr als herrlich. Ich kann mir ein Schmunzeln gar nicht verkneifen – bis er sich vor mich setzt. Verdammt! Wieso musst du so gut riechen? Ich ziehe verstohlen, aber genießend sein Parfüm ein. Er riecht halt gut. Er soll aufhören gut zu riechen! Ich könnte ihn auch einfach mit Scheiße bewerfen. Bei diesen Gedanken muss ich wieder schmunzeln, woraufhin sich das Schmunzeln zu einem perfiden Grinsen verwandelt. Can mit Kacke abzuwerfen, hört sich mehr als nur gut an. "An was denkst du?", holt mich Cathleen aus meiner etwas verstörenden Fantasie. "An nichts", flöte ich. Es muss ja nicht jeder wissen, was so in meinem Kopf vorgeht. Wenn er es mitbekommt, rastet er dann wieder aus und gerade habe ich keine Lust drauf, auch wenn ich dann etwas zu lachen habe.

Nach den beiden Stunden Deutsch und Englisch laufe ich raus auf den Hof. Da ich immer schneller als meine Freundinnen bin, bin ich anfangs alleine, aber so kann man Plätze suchen. Auf der Suche treffe ich auf Cihan. Cans offensichtlicher Feind. Hm. Ich glaube, ich sollte einen Versuch wagen. Ich gucke unauffällig nach hinten und sehe Can und seine Freunde, perfekt! Ich laufe auf mein Ziel zu und unterdrücke mir ein schadenfrohes Lächeln. "Du kommst auch auf die Hochzeit?", fragt Cihan mich direkt. "Ja, leider. Du also auch?" "Ja." Aha, okay. Interessant. Gut zu wissen. "Wir gehen heute nach passender Kleidung gucken", fügt Cihan hinzu. "Wie, wer?", frage ich verwirrt. "Du und ich." Wie, wir beide? Meine Mama weiß doch nichts. Ich glaube, ich werde rot. Was redet er da eigentlich? "Deine Mutter weiß Besch-," "Es wird hier gar nichts passieren!", zischt Can. Mich überwältigt die plötzliche Wucht, mit der er meine Schulter packt. Plan geglückt, würde ich mal sagen.  "Can, was willst du?", frage ich bissig. "Was willst du von Cihan?", raunt er mir zu. Klar, mein Plan war es, Can zu provozieren, aber ehrlich gesagt bin ich gerade sehr planlos.  "Cihan, wir reden später." Cihan nickt nur stumm und geht.

"Nein, werdet ihr nicht. Was ziehst du hier für eine Scheiße ab?" "Das interessiert dich einen Scheiß, Can! Geh doch einfach und lass mich in Ruhe!" Can packt meinen Unterarm. "Ihr wollt euch also treffen?" Bei der Frage kommt er mir ziemlich nahe, weswegen ich gar nicht anders kann als zurückzuweichen. Was hat dieser Typ für Störungen? "Was hörst du uns zu? Hast du nichts Besseres zu tun?" Wieso ändert sich seine Stimmung so plötzlich? Dieser Typ ist doch wirklich vollkommen gestört! Hätte ich es einfach nicht getan, dann müsste ich seine Nähe nicht hier in aller Öffentlichkeit ertragen. "Du entkommst mir nicht", grinst er selbstsicher. Der kann mich mal! Ach und wie kommst du darauf?", blaffe ich, lasse mir mein Misstrauen kein Stück anmerken, obwohl jede Faser in mir wissen will, was er damit meint. Er fängt an zu lachen. Was war jetzt so lustig? "Weil ich ebenfalls auf der Hochzeit sein werde." Mein Magen zieht sich zusammen. Oh nein. Nein, nein, nein! Allein, dass ich schon Hochzeiten hasse und auf eine gezwungen werde, ist schon reine Folter. Muss jetzt auch unbedingt mein Feind da sein? Behalte deine Contenance, Shana. Ich darf mir meine Überraschung nicht zu sehr ansehen lassen. "Dann wird die Hochzeit wegen dir eine einzige Katastrophe", entgegne ich arrogant. Ich bin so gespannt, was passieren wird. "Im Gegenteil, es wird ein Highlight geben", kontert er selbstsicher. "Stimmt und zwar mich." War wohl nichts, Gorilla. Er guckt mich mit verengten Augen an. Ich hingegen grinse süffisant. "Da du nichts mehr sagen kannst, gehe ich mal davon aus, dass du mir zustimmst", säusele ich und zucke mit dezenter Arroganz meine Schultern, reiße meinen Arm aus seiner großen Hand und laufe zu den Mädels, die schon gebannt auf eine Wiederholung unserer Konversation warten.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt