Kapitel 51

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Nachdem ich an der frischen Luft war, gehe ich mit Saliha und Viyan wieder rein. Mir geht es zwar besser als vorher, aber trotzdem fühle ich mich noch etwas eingeengt. Dass mir sowas passiert, überrascht mich nicht wirklich. Es ist schon öfters vorgekommen, dass ich Atemnot bekam oder plötzlich auf etwas allergisch reagiert habe. Ich setze mich hin und atme noch einmal tief durch. "Geht's dir jetzt besser?", fragt Ramazan besorgt. Ich lächele ihn warm an, da ich seine Besorgnis so süß finde. "Ja." Ich spiele mit meiner Serviette herum und frage mich, wieso Can so aufgebracht aus der Pizzeria geflüchtet ist. Von den Dreien ist er der Aggressivste, das steht schon mal fest. "Wir können gehen", sagt Can, als er wieder reingekommen ist. Wir bezahlen schnell und laufen zurück zum Hotel. Der heutige Tag ist still und irgendwie angespannt. Plötzlich kommt mir das Szenario mit Can in den Sinn. Wie ich ihn umschlungen habe und wie wir uns angeschaut haben. So voller Intensität und Verlangen? Passt dieses Wort Verlangen da überhaupt hin? Und überhaupt: Verlangen nach was? Wir beide werden wohl nie voneinander schlau. Bei dieser Erinnerung muss ich lächeln. Warum, weiß ich nicht, aber ich kann nicht anders als zu lächeln. "Was lächelst du so?", fragt mich Viyan neugierig. "Ach, nur so." Würde ich ihr erzählen, warum ich lächele, dann würde sie hier herum Kreischen und mich stundenlang damit aufziehen. Aber daran ist eigentlich nichts schön. Es war nur ein Test. Das lässt mich wieder so komisch Fohlen. So benutzt. Ich will nicht mehr daran denken. Ich bekomme eine Snapchat-Benachrichtigung von Ramazan.

'Geh für fünf Minuten in dein Zimmer und komm dann zu uns. Ich muss dir was erzählen', schreibt er.

'Wieso nicht direkt gleich zu euch?'

'Weil das dann cooler ist. Wie ein Geheimauftrag.'

Ich schicke schmunzelnd ein Foto von einem Baum und stecke mein Handy wieder in meine Hosentasche. Was er mir wohl erzählen muss? Als meine Freunde und ich in unserem Zimmer ankommen, achte ich auf die Uhr und lenke mich für fünf Minuten ab. "Du und Can seid im Partnerlook", sagt Saliha grinsend und wackelt mit den Augenbrauen. Ehrlich? Von Cathleen höre ich ein Schnauben. Was ist ihr gottverdammtes Problem? "Shana und Can werden es bald tun!", grölt Viyan und lacht krank auf. "Ihr seid doch alle gestört", sage ich augenverdrehend. "Wer sagt, dass sie es nicht schon getan haben?", ruft Saliha lachend. "Seid leise! Die hören euch!", flüstere ich und zeige auf die Wand, die unser Zimmer von dem der Jungen trennt. "Nein, als ob", sagt Viyan. Ich seufze und verdrehe die Augen erneut. "Viyan, mein Schatz, zufälligerweise wurde ich heute darauf angesprochen, was deine Frage mit der Jungfräulichkeit betrifft, weißt du noch?", frage ich zynisch, was beide zum Lachen bringt. Ich schaue auf die Uhr meines Handys und bemerke, dass sieben Minuten schon um sind. "Ich komme gleich wieder." "Wohin?", fragt Saliha. "Weg", antworte ich. "Sie geht jetzt bestimmt zu Can um einige Stellungen auszuprobieren", zieht Viyan mich auf.
Dieses Necken wird wohl niemals aufhören. Ich laufe aus dem Zimmer und klopfe an der Tür an, wo direkt Ramazan vor mir steht und mich reinzieht. "Worum geht's?", frage ich, klaue mir ein Bonbon, welches auf dem Tisch liegt und setze mich danach auf Cans Bett. "Na ja, als du aus der Pizzeria gegangen bist, da hat deine Freundin etwas über dich gesagt", fängt er an. Wie? "Meinst du Cathleen?", frage ich kauend, woraufhin er nickt. "Was hat sie gesagt?", frage ich etwas angespannt. Er setzt sich zu mir auf das Bett. "Du willst wohl Aufmerksamkeit. Du isst extra diese Sachen, damit wir uns Sorgen um dich machen", erzählt er abwertend. Mein Mund bleibt offen stehen und meine Augenbrauen gehen in die Höhe. "Das. Hat. Sie. Nicht. Gesagt!", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Doch, wir haben sie gefragt, was sie da labert und dass das nicht Stimmt, aber das geht ihr wohl am Arsch vorbei." Ich weiß jetzt nicht, was ich sagen soll. Meine eigene Freundin redet so über mich? Obwohl, nein, sie ist keine Freundin. "Mach dir nichts draus. Sie ist es nicht wert", muntert Ramazan mich auf. "Ich mache mir da nichts draus. Es geht mir auch nicht wirklich nahe, dass sie das getan hat." Ich stehe auf. "Wohin?", fragt Ramazan mich. "Wir klären das jetzt." Damit verlasse ich wieder den Raum und gehe aufgebracht in mein Zimmer zurück. "Was soll der Scheiß?!", rufe ich aufgebracht. "Was ist los?" Sofort kommt Saliha zu mir. "Dieses kleine Miststück lästert über mich! Was denkst du, wer du bist?!", brülle ich. Jetzt setzt sich Cathleen auf. "Ist doch die Wahrheit", gibt sie patzig von sich. Was zum? Ist sie blöd? Das kann doch nicht wahr sein. "Willst du mich verarschen? Was für eine Wahrheit? Was spielst du dich auf einmal so auf? Du weißt ganz genau, dass ich auf so gut wie alles allergisch reagieren kann!" "Nein, weiß ich nicht", sagt sie zickig. Ich raufe mir kurz die Haare. "Oh mein Gott! Hör auf zu lügen! Das wussten schon alle damals! Wieso kannst du mir das nichts ins Gesicht sagen?!", rufe ich. "Sage ich doch", gibt sie voller Arroganz von sich. Ich will einen Schritt auf sie zu machen, doch werde von Saliha zurückgezogen. "Du bist so eine dreckige Person. Ich kann deinen Ruf so zerstören, das weißt du!", fauche ich. Sie antwortet nicht, verdreht nur ihre Augen. "Verdreh deine Augen nicht!", schreie ich. "Sag wenigstens, warum du es getan hast!" Diese Schlampe regt mich so auf! "Weil du die ganze Zeit etwas mit den Jungs zu tun hast! Sie achten nur auf dich!" Ich kann für einen kurzen Moment nichts sagen."Was zum Teufel? Was redest du da? Wenn ich mit ihnen befreundet bin, dann ist das so! Außerdem reden sie auch mit Saliha und Viyan! Was ist dein scheiß Problem?!", brülle ich immer noch. Ist sie gestört? "Du nimmst mir Can weg!" Was?! Warte... wie? Nein, als ob. Okay, jetzt bin ich baff! Mit offenem Mund schaue ich zu Saliha und Viyan, die mich mit demselben Blick beäugen. Ich fange an zu lachen. Das ist doch nicht ihr gottverdammter Ernst. "Du bist so lächerlich. Dass du wegen einem Jungen, der dich nicht mal beachtet, so eine Scheiße abziehst, ist echt peinlich. Außerdem nehme ich ihn dir nicht weg, da ich erstens: nichts mit ihm zu tun habe und zweitens: er möglicherweise nur deinen scheiß, verfickten Namen kennt! Er guckt dich doch nicht mal mit seinem Arsch an! Versuch doch an ihn ranzukommen, am Ende heulst du!" Dabei werde ich immer lauter, bis ich am Ende wieder brülle. "Zum Glück hast du mir die ganzen Bilder geschickt. Jetzt hab ich ein neues Profilbild", provoziere ich sie. Als wir einmal im McDonalds waren und freies WLAN hatten, hat sie mir alle Bilder geschickt. "Du bist einfach nur peinlich, Cathleen", blaffe ich und gehe wieder raus. Als ich die Tür schließe, höre ich, dass Viyan und Saliha anfangen mit Cathleen zu diskutieren.

Zurück bei Ramazan angekommen, schlage ich etwas wütend die Tür zu. "Man hat alles gehört", teilt er mir mit. "Lass es raus", fügt er hinzu. Ich schnappe mir die Kleidungsstücke, die auf dem Boden liegen und schmeiße sie durch das Zimmer. Ich muss Frust ablassen. "Wie kann man so falsch sein? Kann ich etwa Gedanken lesen? Woher sollte ich wissen, dass sie auf Can steht? Wieso auf Can?! Was ist an ihm so besonders? Wieso lästert sie wegen einem Jungen über mich? Wieso habe ich mich vor fünf Jahren mit dieser gottverdammten Schabracke angefreundet? Zwei Jahre hat es gedauert, bis wir Freunde wurden und jetzt? Müll! Sie ist einfach nur Müll! Sie kann sich direkt Aleyna anschließen. Gott, was ich alles gegen sie sagen kann!", sage ich aufgebracht und gestikuliere wild herum. "Hey, ganz ruhig!", sagt Ramazan sanft und nimmt mich in den Arm. Ich atme einmal tief durch und erwidere die Umarmung. "Du brauchst sie nicht, du hast mich", witzelt er und lächelt. Ich muss mit lächeln und drücke ihn noch fester an mich. Es ist eh vorbei. Einmal und nie wieder. "Dankeschön." "Mache ich doch gerne." Ich löse mich etwas verlegen von ihm. "Du hast aber eine echt laute Stimme. Du musstest eigentlich nicht mal schreien. Man hätte dich auch so gehört", informiert er mich, was mich zum Lachen bringt. Mir wurde schon oft mitgeteilt, dass ich von Natur aus eine laute Stimme habe. "Wieso bist du so hinterhältig?", hören wir gedämpft durch die Wand. "Was ist da los?", fragt Ramazan. "Als ich aus dem Zimmer gegangen bin, sind Viyan und Saliha ausgetickt und machen sie jetzt etwas fertig. Das machen sie auch gut so." Wir setzen uns wieder auf Cans Bett, woraufhin ich meinen Kopf an Ramazans Schulter anlehne und die Augen schließe. "Wo sind die anderen?", frage ich. "Die müssten gleich kommen." Nach einigen Minuten hören wir Stimmen und danach sehen wir, wie die Tür aufgeht und Malik mit einer großen Pizza, Pommes und Burger rein kommt und mich anlächelt. Can kommt mit einem Six-Pack an Cola hinein. Wie bleiben deren Körper so wohlgeformt? "Ich störe euch dann nicht weiter.", murmele ich und stehe auf, werde aber am Arm zurück gezogen. "Bleib doch", sagt Ramazan. "Nein, ich komme später wieder", winke ich ab. "Ich lasse dich doch nicht zu Cathleen zurück. Sonst schlägst du wieder ein Mädchen", neckt Ramazan mich. "Iss doch mit uns. Oh, kannst du Burger essen? Nicht, dass du dann umkippst", fragt Malik nachdenklich. Ich lächele ihn an. "Nicht nötig. Viyan und Saliha sind alleine." "Dann hol die beiden hier her", schlägt Ramazan vor. "Ich will euch wirklich nicht stören." "Shana, ihr seid immer willkommen. Vor allem du." Malik lächelt mich herzlich an. "Gott, wie süß", flüstere ich lächelnd. "Ey, sie ist meine beste Freundin!", faucht Ramazan, spitzt seine Lippen und zeigt mit dem Zeige- und Mittelfinger auf seine aufgerissenen braun-grünen Augen und danach zu Malik. "Keine Sorge, Ramazan", beruhige ich ihn lachend. Die beiden sind so herzlich. "Jetzt komm." Malik zeigt grinsend auf das ganze Essen. Ich habe aber schon gegessen. Mein Gott, die Jungs müssen ja riesige Mägen haben. Ich würde ja gerne essen, aber ich schäme mich irgendwie. Das scheinen die Jungs auch zu merken, denn meine Schultern heben sich und mein Kopf senkt sich, meine Hände spielen mit irgendwas herum und meine Lippen pressen sich leicht aufeinander. "Sag mir bloß nicht, dass du dich schämst." Ramazan schaut mich entgeistert an. Ich antworte nicht, sondern zucke verlegen mit den Schultern. Er zieht mich hoch vom Bett und danach auf den Boden, wo das Essen liegt. "Hier hast du Pommes und sogar Salat. Ketchup oder Mayo?", fragt er und hält zwei kleine Flaschen vor mich. "Mayo", murmele ich verlegen, was sie zum Lachen bringt - selbst Can lacht. Cathleen liebt Can, oh Gott! Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen deswegen. Ich finde es so lustig, auch wenn sie diese Aktion gemacht hat. Sie liebt ihn, krass. Ich kaue gedankenversunken an meiner Pommes, bis mir Salat mit Schafskäse angeboten wird. "Wollt ihr nicht?", frage ich nach. "Würden wir es dir sonst geben?" Cans Tonfall ist normal. Nicht provokant, nicht aggressiv, nein er lächelt sogar leicht, was mich ehrlich gesagt überrascht. Wow. Das ist ein Phänomen. Can ist allgemein ein Phänomen. "Okay", sage ich verdutzt und schaue fragend zu Malik, der nur lächelnd den Kopf schüttelt. Okay? Muss ich das verstehen?

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt