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Ich schaue eben durch die Runde Scheibe, als sich die Tür auch schon öffnet. Ich runzele überrascht die Stirn, als ich erkenne wer zögernd in der Tür stehe: Sein Vater.
Einen Moment herrscht Stille dann sagt er ein bisschen zu laut. "Ich hätte heute eigentlich gar nicht kommen sollen. Wenn er Chemo hat, dann halte ich mich immer von dem Krankenhaus fern."
Du hälst dich glaube ich ziemlich oft von deinem Sohn fern, weil du Angst davor hast, ihn leiden zu sehen.
Doch das sage ich nicht laut sondern beobachte ihn und warte darauf das er fortfährt. Er räuspert sich und sagt zögernd. "Ich weiß nicht wie lange ihr euch schon kennt, oder wie oft du schon bei ihm warst, wenn es ihm, naja wenn es ihm nicht so gut ging." Erneut hört er auf zu sprechen und atmet tief durch, als müsste er das was er als nächstes sagt, zwingen über seine Lippen zu kommen. "Ich bin dir dankbar, dass er heute nicht alleine war." Ich schaue ihn mit einer Spur Überraschung an und habe das Gefühl das er sich nicht so oft bei anderen Menschen bedankt. "Oh ja ich glaube niemand sollte während so etwas alleine sein." Ich weiß nicht was ich sonst sagen soll. Der Mann nickt knapp und geht aus dem Zimmer.

Als ich am nächsten Tag aufwache, gehe ich als erstes eiskalt duschen. Schweigend sitze ich auf meinen Bett und beobachte mein Handy das auf dem Kästchen steht.
Ich Strecke eine Hand aus und ziehe sie ruckartig zurück, dann beobachte ich eine nasse Haarsträhne aus der ein Wassertropfen auf das Bett fällt. Entschlossen Strecke ich erneut meine Hand aus und nehme mein Handy in die Hand.
Während es hochfährt spüre ich wie mein Herz schneller schlägt.
Während ich meinen Code eingebe, merke ich das meine Hände zittern.
Ich beobachte die zwei Balken die für meine Internetverbindung stehen und wünsche mir fast ich hätte kein Netz.

438 Nachrichten!

Meine beste Freundin hatte mir fast 309 Nachrichten geschickt von fragend zu wütend, war alles dabei. Die restlichen Nachrichten stammen aus unserer Klassengruppe. Zögernd schaue ich auf den Bildschirm und überlege es sich Lisa antworten soll. Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest das sie gerade in einer englisch Stunde sitzt.
Nach fast einer Stunde habe ich meine Antwort fertig und drücke auf senden.

"Hi Lisa. Es tut mir leid das ich mich so lange nicht gemeldet habe, aber mir geht es im Moment nicht so gut. Ich werde in nächster Zeit vermutlich nicht in die Schule kommen. Es tut mir leid, das ich dir die Wahrheit noch nicht erzählen kann, aber ich bin noch nicht bereit und würde es dir gerne persönlich sagen. Wenn es mir besser geht können wir uns vielleicht treffen. Ich habe dich lieb."

Ich schalte das Handy wieder aus und lehne mich seufzend an die Wand.
Ich lasse die Routineuntersuchungen der Schwester schweigend über mich ergehen und ich beschließe gerade einen Spaziergang zu unternehmen als es an der Tür klopft.
Überrascht nehme ich zur Kenntnis zu das in der Tür meine Großeltern stehen. Vermutlich überrascht mich am meisten dass sie allein gekommen sind, Sie halten sich fast schon ängstlich an den Händen und meine Oma mustert meinen Opa Hilfe suchend.
Die darauffolgenden Konversation ist ziemlich angespannt und gezwungen.

Nachdem wir die üblichen Höflichkeitsfloskeln hinter uns haben, herrscht Stille. Irgendwann beginne ich wie ein Wasserfall zu reden und weiß selber nicht genau was ich eigentlich von mir gebe.
Als meine als meine Großeltern sich schließlich verabschieden bin ich fast schon erleichtert. Ich schäme mich dafür dass ich so empfinde, weiß aber nicht was ich dagegen hätte tun sollen.

Morgen ist es soweit.
Mit den Informationen die ich jetzt habe, weiß ich nicht ob ich das wirklich will.
Wieso fügt man sich freiwillig Schmerzen zu nur damit man nich länger leiden muss?
Ist das menschlich?
Tun Menschen nicht alles um am Leben zu bleiben?
Stehen sie nicht immer wieder auf, egal wie hart sie gefallen sind?
Liegt es in der menschlichen Natur immer weiter zu machen?
Ist unser Lebenswille wirklich so stark, dass wir jede Art von schmerzen auf uns nehmen um weiterzuleben?
Oder liegt es daran das ich noch so jung bin?
Liegt es daran das ich noch nicht viele Schicksalsschläge ertragen musste? Oder liegt e daran das ich mir in letzter Zeit so viele Gedanken um den Tod mache, wird je mehr Gedanken ich mir mache, mein Lebenswille umso größer?
Und wieso stelle ich mir so viele Fragen die ich mir nicht beantworten kann?

Meine Gedanken schweifen zu den ganzen Menschen die Krebs hatten und ihre Geschichten aufgeschrieben haben, sie alle sind nach ihrem Tod berühmt geworden!
Was wollten diese Menschen bezwecken?
Wollten sie erreichen das man mehr über das Leben oder den Tod nachdenkt?
Oder wollten sie das man das Leben schätzt?
Ich werde es vermutlich nie erfahren.

Aber was will ich?

Diese Frage geistert schon seit längerem in meinem Kopf herum und ich weiß keine richtige Antwort darauf.
Natürlich kann ich sie beantworten mit der einfachen Tatsache, das ich leben will, aber reicht das aus?
Lohnt es sich schmerzen zu ertragen um ein ganz gewöhnliches Leben zu leben?
Ich weiß die Antwort darauf, ich habe das Bedürfnis sie in die Welt hinauszubrüllen.

Nein!

Aber was will ich erreichen?

Will ich glücklich sein?

Will ich das meine Familie glücklich ist?

Und dann fällt mir die Antwort ein. Es ist als hätte mir sie jemand zugeflüstert, sie ist so einfach und ich merke das ich sie schon sehr lange kenne, aber sie einfach nicht akzeptieren wollte, weil sie mir zu einfach erschien.

Ich will sterben in dem Wissen das ich ein ganzes und erfülltes Leben hatte!

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