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Seine Stimme die mir so viele verschiedene Emotionen zeigt hat eine beruhigende Wirkung auf mich und ich merke wie ich mich entspanne.
Ich hebe den Blick und schaue den Jungen an.
Ich präge mir jeden Zentimeter seines Gesichtes ein und merke, das dies einer der wenigen Momente ist, in denen ich diesen Jungen glücklich sehe.
In seinen Augen leuchtet es und ein echtes Lächeln umspielt seine Lippen.
"Ich bin Mo." Ich unterbreche ihn mitten in einer Geschichte über einen streich den er einer Lehrerin gespielt hat, aber es ist mir egal.
"Ich heiße Mo Lebert." Der Junge grinst mich breit an und streckt mir seine Hand hin.
"Freut mich dich kennenzulernen ich bin Seth Micel."
Ich muss lächeln und schüttele seine Hand, dann lehne ich mich mit dem Rücken an die Wand und höre Seth zu der wieder von seinem Leben erzählt.

Und währende ich ihm zuhöre beschleicht mich das Gefühl, das das hier uns beiden guttut.
Er scheint seit langem wieder richtig zu reden und ich kann einfach jemanden zuhören, ohne Druck oder Anforderungen.
Denn letztendlich ist es ihm egal, ob ich ihm zuhöre oder nicht, es zählt einfach nur das ich da bin.

Seine Worte malen eine Welt, vor meinen innerem Auge.
Eine Welt wie ich sie mir seit meiner Diagnose erträume und ich weis das auch Seth sich diese Welt zurückwünscht.
Und dann ich merke wie er auf das Ende dieses Lebens zusteuert, ich merke wie seine Stimme stockt, wie er die Hände knetet und sich verhaspelt. Langsam richte ich mich auf: "Gib mir 10 Minuten."
Er nickt, doch sein Blick ist abwesend. Ich stehe auf und gehe auf den Gang, ich gehe auf die erste Krankenschwester zu die mir begegnet und brauche kein Wort zu sagen, sie weis was ich will.
Während sie mich in Richtung der Duschen führt, geht eine zweite Schwester in mein Zimmer um dort aufzuräumen.

Als die Schwester mir aus meinem Blut-und erbrochenem beschmutzten Kittel hilft, fühle ich mich gedemütigt, obwohl mir klar ist, das diese Frau vermutlich schon schlimmeres als meinen Körper gesehen hat, aber ich fühle mich innerlich wie äußerlich nackt und verletzbar. 
Sie schiebt mich unter den Strahl und stellt ihn vorsichtig ein, dann wartet sie bis er eine angenehme Temperatur erreicht hat und beginnt mich zu waschen.

Als sie mir in einen frischen Kittel hilft, lächelt sie mich aufmunternd an und sagt ruhig: "Das hast du gut gemacht!" Und es hilft, ich beruhige mich langsam und schaue sie dankbar an. Sie führt mich zurück in mein Zimmer und schließt die Tür hinter sich.
Als ich Seth sehe, der mit dem Rücken zu mir am Fenster steht, muss ich unwillkürlich Lächeln.

Er ist noch da!

Ich setze mich auf mein Bett und schaue seinen Rücken an, seine Glatze die in dem hellem Licht beinahe glänzt an und sage nichts.
Ich genieße die Stille.
Irgendwann dreht er sich um und seine Gestalt wird kaum merklich von der untergehenden Sonne erleuchtet.
"Danke das du hier bist." Er lächelt und zuckt die Schultern: "Ich denke in dieser Situation sollte niemand alleine sein oder?"
Ich zucke kaum merklich zusammen, genau das habe ich zu seinem Vater gesagt.

Als er auf mich zukommt, kann ich nicht umhin zu bemerken wie gut er aus sieht.
Trotz den dunklen Ringen unter den Augen, der fast schon weißen Haut und der knochigen Gestalt, strahlen seine Augen etwas aus was bei unserer ersten Begegnung noch nicht da war.
Als mir klar wird wie ich ihn gerade angestarrt haben muss, ist es bereits zu spät.
Sein Lächeln zeigt mir genau das er es bemerkt hat.
Ich murmele etwas unverständliches und senke beschämt den Kopf, doch er lächelt nur und lässt sich neben mich fallen, so nah das ich seinen Oberschenkel an meinem und seinen Arm an meinem fühle.
Ein kribbeln geht durch meinen Körper und ich will gerade den Kopf drehen, als es an der Tür klopft.
Bevor ich herein sagen kann, wird sie geöffnet und eine rothaarige, fremde Frau steht im Türrahmen.
Ich schaue sie einen Moment lang verwundert an, bis ich merke das sie den Blick auf Seth gerichtet hat.
Auch er mustert die Frau, dreht den Kopf zu mir und sagt leise: "Wenn du mich brauchst, du weist wo ich bin." Sein Blick bohrt sich in meinen und ich merke, dass er mich nicht alleine lassen will.
Also zwinge ich mich zu einem Lächeln und nicke.
Zögernd steht er auf und geht aus dem Zimmer, an der Tür bleibt er noch einmal stehen und macht Anstalten sich umzudrehen, doch stattdessen schließt er leise die Tür und lässt mich alleine zurück.

Schweigend lasse ich mich auf das frischbezogene Bett fallen und atme tief durch.
Ich nehme das Handy von meinem Nachttisch und schalte es ein.
Statt drauf zu warten das es meine Nachrichten aktualisiert, wähle ich die Nummer meiner besten Freundin Lisa.

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