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Als der Bus endlich an der Endstation anhält, steige ich auf und überquere die Straße, kurz bleibe ich vor einem weißen Reihenhaus stehen, dann öffne ich das Torchen und betrete den gepflasterten Steinweg.
Wie wird sie reagieren?
Ich beschleunige meine Schritte um die Zeit zu verkürzen in denen ich mir solche fragen stellen könnte, dann drücke ich den Klingelknopf und warte.
Gedanken rasen durch meinen Kopf Fragen und Ängste.
"Hallo?" Ich atme tief durch: "Hallo, ich bins Mo." "Hallo Mo, einen Moment." Der Summer geht los und ich drücke die Tür auf, dann trete ich in den kaltem Steingang und drücke den Aufzugknopf.
Und als ich in dem Aufzug stehe und mein Magen leicht nach unten sackt als ich nach oben fahre, kommen meine Selbstzweifel zurück.
Energisch schiebe ich sie beiseite und schließe die Augen.
Das Bing des Aufzuges zwingt mich meine Augen zu öffnen und ich betrete den gelb gestrichenen Gang.
Ich bin diesen Gang schon so oft entlanggegangen, aber er war noch nie so kurz.
Als ich vor der geschlossenen Holztür stehe, fahre ich mir mit der hand über meinen Kopf, dann reiße ich mich zusammen und drücke die Klingel.
Die Tür wird geöffnet und vor mir steht Adelina, Lisas Mutter. Ich sehe die Überraschung in ihrem Blick als sie meine Glatze sieht und bin erstaunt das es kein Ekel ist. Doch einen Sekunde später zieht sie mich in ihre Arme und hält mich einen Moment fest. Als sie mich loslässt lächelt sie: "Ich bin sicher Lisa freut sich dich zu sehen!" Ich lächele und gehe an ihr vorbei in Richtung Lisas Zimmer.
Diesesmal zögere ich nicht, sondern öffne einfach die Tür.
"Wie oft hab ich dir gesa.." Lisas unterbricht sich selbst und springt von ihrem Schreibtisch Stuhl auf um mich ebenfalls fest in die Arme zu schließen.
"Man ist es lange her! Wie geht es dir? Ich hab mir Sorgen gemacht. Und wo sind deine Haare hin? Erzähl mir alles!"
Ich lache leise und wir setzen uns gemeinsam auf ihr Bett.
Wir saßen schon unglaublich oft in genau der selben Position auf ihrem Bett, der einzige Unterschied ist das es diesesmal ich bin die redet und redet, während Lisa mir schweigend zu hört.
Es ist anders als mit Seth zu reden, im Seths Gegenwart bin ich leicht nervös und ich habe Angst das er mich alleine lässt, auch wenn ich weiß das das nicht passieren wird. Aber tief in mir drinnen ist diese Angst verankert.
Aber bei Lisa ist es irgendwie anders. Vielleicht ist es weil wir uns schon so lange kennen, ich weiß es nicht.
Es fühlt sich toll an, ihr einfach alles zu erzählen. Ich erzähle ihr von Seth, von Thailand, Peru, meinem Unfall, ich verschönerte nichts. Ich erzähle ihr wie knapp ich überlebt habe und sie beginnt stumm zu weinen.
Als ich geendet habe, liegen wir eng umschlungen auf ihren Bett und  weinen.
"Was hast du jetzt vor? Ich meine du bist nicht mehr an ein Krankenhausbett gefesselt." Ich lächele sanft und wische mir die Tränen weg.
"Ich treffe mich mit meiner Familie. Ich möchte Erfahrungen sammeln. Aber so richtig Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht, traurig eigentlich." Ich lache bitter auf und schaue Lisa an. "Aber jetzt bist du dran. Erzähl was hast du so gemacht." Sich lächelt sanft: "Ich bin zur Schule gegangen, SS ist echt langweilig seit su nicht mehr da bist. Ich hab niemanden mehr zum reden. Wir haben Klassenarbeiten geschrieben. Ich war richtig im schulstress." Sie bricht ab und ich weiß genau weshalb. "Hey. Das ist in Ordnung. Schulstress zeigt das dein Leben in Ordnung ist." Sie nickt und dreht sich auf den Rücken, ich mache es ihr Schweigens nach und für einen Moment liegen wir nebeneinander und schweigen.
Ich nehme all meinen Mut zusammen und stelle ihr die Frage über die ich schon die ganze Zeit nachdenken muss.
"Was wirst du tun, wenn ich Tod bin?"
Lisa schließt die Augen uns ich nehme ihre Hand.
"Ich werde weinen. Und nach deiner Beerdigung trink ich was auf dich. Af alles was du verpasst hast. Dann werd ich dir an deinem Grab versprechen mich in der Schule anzustrengen um Medizin zu studieren. Ich werde Menschen helfen." Ich schlucke und schaue sie bewegt an. "Aber." Sie unterbricht mich ernst. "Nein. Ich habe mir das lange überlegt, ich es tut weh. Ich kann und will mich nicht vorstellen wie viele Menschen auf dee Welt das gleiche erleben wie ich oder du. Wie viele Schicksale das unsere teilen. Irgendwann muss man anfangen und etwas sagen untednehemn. Ich werde einen ersten schritt in die richtige Richtung tun!"
"Lis, das das ist ein toller Plan." Sie lächelt mich traurig an: "Das letzte was du wollen würdest, wäre das ich den Kopf in den Sand stecke und aufgebe." Ich nicke und umarme sie noch einmal. "Danke!" "Nichts zu danken Mo."

Als ich abends neben meiner Mutter auf dem Sofa sitze und gedankenverloren auf den fernseher
Schaue, auf dem irgendeine Liebesschnulze läuft, geht mir das Gespräch mit Lisa nicht mehr aus dem Kopf.
Sie wollte nie Ärztin werden und jetzt wo sie hautnah miterleben muss wie grausam das Leben sein kann, will sie etwas dagegen tun.
Sie hat sich durch mich verändert, aber hat oder wird sie sich noch zum guten oder schlechten verändern?
Sie werden sich alle verändern. Vor allem werden sie alle meine Familie, Lisa, Seth und alle anderen das Leben zu schätzen lernen.
Aber was für Veränderungen wird es noch geben?
Muss ich mir darüber eigentlich überhaupt Gedanken machen?

Ich schüttele kurz den Kopf, es spielt keine Rolle.
Es ist wie es ist, ändern kann ich es nicht mehr.
Als ich meine Mutter anschaue, muss ich lächeln. Sie ist vollkommen auf den Film vor ihr konzentriert, ich werde nie verstehen was sie an solchem filmen findet.
Aber sie vergisst dann alles um sich herum und fiebert und weint mit den Darstellern.
Ein lächeln geht über mein Gesicht, dann stehe ich auf und gehe in mein Zimmer.

Nachdenklich schaue ich mich in dem kleinen Raum um.
Die Wände sind einfach weiß gestrichen und auf dem Boden liegt ein grauer Teppich. Mein Fenster wird durch einen lilanen Vorhang verdeckt und mein Bett ist ordentlich gemacht.
Ich lasse mich auf mein Schreibtischstuhl nieder und lasse meine Augen über das Chaos auf meinem Schreibtisch wandern.
Mein Zimmer ist eigentlich immer ordentlich, außer mein Schreibtisch der sieht immer schrecklich aus.

Kopfschüttelnd ziehe ich mein Handy aus der Tasche und rufe Seth an.
Ich lasse es klingeln bis die Mailbox ramgeht, dann lege ich enttäuscht auf.
Vermutlich schläft er schon. Was an sich eine gute Idee ist.
Wir haben schon fast 22.00 Uhr.

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