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„Mo das ist nicht dein Ernst."
Enttäuscht drehe ich mich zu meiner Mutter um die mich entsetzt anstarrt.
„Aber ich dachte es gefällt euch hier. Ich meine es ist wunderschön hier."
„Wenn man die Tatsache ausblendet das wir uns auf einem Friedhof befinden." Mein Vater mustert mich ernst.
Ich nicke und lege die Hand auf das schmiedeeiserne Tor.
„Hier sind nur Soldaten begraben die ihr Leben für ihr Land gegeben haben." Meine Mutter atmet tief durch. „Kommt schon. Ich will mich nur kurz umschauen." Sie seufzt leise und ich öffne das Tor.
Ich weiß nicht warum aber aus irgendeinem Grund hat dieser Friedhof eine seltsame Faszination auf mich ausgeübt, seit ich ihn das erste mal auf einer Internet Seite gesehen habe.
Er existiert schon seit fast zweihundert Jahren und die Gräber sind sich selbst überlassen worden. Er ist dementsprechend zugewuchert und weil hier fast nie Menschen hinkommen, ist das ein Paradies für kleinere Tiere und Pflanzen.
Ich atme tief ein und lausche dem Vogelgezwitscher, dann gehe ich langsam zwischen den Grabsteinen hindurch und lese mir jeden einzelnen durch.
Es fühlt sich seltsam an zu wissen das wenn man einmal nichts mehr ist, das einzige was bleibt ein paar Buchstaben auf einem kalten Stein sind.
Aber vermutlich ist das der falsche Ansatz. Viel wichtiger als das körperliche sind doch die Erinnerungen, die Eindrücke die du hinterlässt.
Ein Windstoß fegt über den Friedhof und verwirbelt meine Haare.
Ich schiebe sie zurück und blinzele schnell.
Die Perücke war doch keine so gute Idee. Ich sollte mich mehr an meine Vorsätze halten und zu meiner Glatze stehen.
Seufzend drehe ich mich zu meinen Eltern um. Sie stehen nebeneinander ziemlich beklommen, so nah wie möglich am Eingang.
Ich verdrehe kurz die Augen und nehme noch einmal die kraftvolle Aura dieses Ortes in mich auf, dann gehe ich auf sie zu.
„Bereit für meinen nächsten Punkt?" Mein Vater öffnet das Tor und wir gehen hindurch.
„So lange es kein Friedhof ist."
Ich kann ein grinsen nicht unterdrücken.
„Nein es ist kein Friedhof."
Damit marschiere ich Ihnen voraus auf unseren Mietwagen zu und setze mich hinter dem Fahrersitz.
„Wo muss ich hin?" Mein Vater schaut mich durch den Rückspiegel an und ich strecke die Hand nach dem Navi aus und tippe die Adresse ein.
Ich sehe das meine Mutter einen Blick auf das Navigationsgerät wirft und mir einen zweifelnden Blick zuwirft.
„Ein Museum Mo? Bist du dir sicher?" Ich lächele: „Ja warum?" „Naja du bist normal eher der Kulturbanause." Ich zucke die Schultern und lehne mich zurück. „Tja Menschen verändern sich."
Innerlich lache ich breit und freue mich schon auf den Blick meiner Mutter wenn sie sieht warum ich in das Museum will.
Aber alles der Reihe nach.

Grinsend springe ich aus dem Wagen, sobald mein Vater vor dem großen Gebäude gehalten hat.
Während ich das Gebäude bestaune sucht mein Vater nach einem Parkplatz.
„Sind wir soweit?" Meine Mutter lächelt uns an und ich nicke begeistert und marschiere Ihnen voraus.
Zielstrebig schaue ich mir den Gebäude Plan an und gehe los.
Ich weis wo ich hin will. Meine Eltern folgen mir ohnehin fragen zu stellen.
Je tiefer wir in das Gebäude vordringen desto weniger Menschen werden es.
„Mo?" Meine Mutter schaut mich zweifelnd an.
„Wir sind gleich da. Deswegen wollte ich hier her kommen."
Strahlend biege ich um eine letze Ecke und bleibe kurz stehen, damit meine Augen sich an den leicht abgedunkelten Bereich gewöhnen kann.
Vor uns stehen mehrere abgegrenzte Bereiche. Ich marschiere in den nächstbesten hinein und betrachte eines der Objekte weswegen ich unbedingt hier her kommen wollte.
Eine 150 Jahre alte Moorleiche.
Die Haut sieht ledrig und verschrumpelt aus. Der Schädel ist an mehreren Stellen leicht eingedrückt und dort wo die Zähne sein sollten, ist ein großes Loch.
Nachdem ich mir die Leiche ausrechend angeschaut habe, schaue ich mir das Infoblatt daneben an.
Wie ein Schlag in den Magen, merke ich das ich die Schriftgrösse nicht lesen kann.
Langsam drehe ich mich zu meinen Eltern um.
„Wollt ihr mir das vorlesen?"
Mein Vater lächelt und beginnt mir den Text vorzulesen, während meine Mutter kurz die Augen schließt und sich ihre Kiefermuskeln anspannen.
Ich zögere kurz dann umarme ich sie fest.
„Tut mir leid, deine Tochter ist seltsam." Sie lächelt leicht. „Damit muss ich wohl leben nicht wahr." Ich lächele sie an und löse mich von ihr, dann konzentriere ich mich wieder auf meinen Vater.

Als wir fast zwei Stunden später das Museum wieder verlassen haben, folge ich meinen Eltern zum Auto.
Während sich die beiden bereits ins Auto setzen, steche mich mir noch eine Infusion und lehne mich dann noch mal an das Auto und schaue in den bewölkten Himmel.
Wann Seth wohl endlich herkommen kann?
Seufzend öffne ich die Autotüre und setze mich auf die Rückbank.
„Und was machen wir jetzt?" Mein Vater schaut mich durch den Rückspiegel an.
„Äh." Ich runzele die Stirn. „Naja das war mein Punkt. Wir können ja und Hotel zurück, ich würde gerne ein bisschen spazieren gehen." Meine Mutter nickt und mein Vater fährt los.

Als wir an unserem Hotel angekommen sind, desinfiziere ich die Einstichstelle der Infusion und klebe ein Pflaster auf.
„Mo, Schatz. Wir wollen uns noch eine Kirch anschauen. Wie sieht es aus, willst du mitkommen?" Ich schüttele den Kopf. „Nein. Ich geh eine kleine Runde spazieren." Meine Eltern schauen mich beide besorgt an. „Schatz pass auf dich auf." Ich lächele sie beruhigend an: Mach ich immer."
Als ich alleine bin, gehe ich in das Badezimmer und ziehe die Perücke ab. Langsam fahre ich mir über den Schädel und muss leicht grinsen, als ich mich an Voldemort aus Harry Potter erinnere kurz nachdem er wieder seinen Körper hatte. Leider habe ich keine sieben Horkruxe und kein Einhornblut welches mich am Leben hält.
Seufzend werfe ich einen letzen Blick in den Spiegel und gehe aus dem Zimmer. Ich stehe nachdenklich an der Rezeption.

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