„Wir sehen uns in Irland!"
Ich muss lächeln als ich Seths Gesicht vor mir sehe, erneut seine Lippen bei unseren letzen stürmischen Kuss auf meinen spüre.
Der Wind weht mir ins Gesicht und ich öffne die Augen.
Ich stehe an der Klippe und schaue auf die rauen Wellen vor mir.
Der Himmel ist grau und der Wind ist kalt, aber mein Herz schlägt vor Freude schneller.
Endlich bin ich hier. Ich freue mich schon seit Wochen auf Irland.
Meine Eltern hatten beschlossen mir ein letztes Geschenk zu machen. Da unsere Weltreise so in die Hose ging, haben sie beschlossen mir noch einmal die Chance zu geben etwas anderes zu sehen. Sie haben sich beide noch einmal Urlaub genommen und sind mit mir von zu Hause aus mit dem Zug und der Fähre nach Irland gefahren.
Ich habe Seth das Versprechen gegeben das wir uns hier Wiedersehen sobald er Ferien hat.
Und solange werde ich warten.
Wir sind erst vor wenigen Stunden angekommen und statt mich wie meine Eltern auszuruhen, habe ich beschlossen ein wenig frische Luft zu tanken.
Ich setze mich an den Rand der Klippe und lasse meine Füße über den Rand baumeln. Mein Herz schlägt schneller und ich verliere mich in dem schier endlosen grau blau des Ozeans vor mir.
Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar das sie mir noch einmal diese Chance geben etwa neues zu sehen.
In den letzten Wochen war ich fast jeden Tag mit Lisa und Seth unterwegs und habe versucht ein Teenager zu sein, an manchen Tagen erfolgreicher als an anderen.
Ich weiß das auch zu schätzen, alleine die Tatsache das ich nicht mehr im Krankenhaus bin und mich einigermaßen frei bewegen kann, macht mich unendlich glücklich.
Ich reise einen rauen Grashalm aus dem Boden neben mir und zerrupfe in in viele kleine Teile, dann lasse ich sie los und schaue zu wie sie einen Moment lang vom Wind davongetragen werden nur um dann von den Wellen verschluckt zu werden.
Ich erinnere mich an Lisas feste Umarmung bei unserer letzen Begegnung, ihre Frage ob ich ihr ein Wiedersehen versprechen könne und meine Antwort darauf.
Ich habe ihr ein Versprechen gegeben, dass ich vielleicht nicht halten kann, aber ich werde es versuchen und ich weiß das Lis weiß das ich es versuchen werde.
Ich konnte ihr das Gefühl geben einfach mit einer ganz normalen Freundin im Hallenbad abzuhängen ins Kino mit ihr zu gehen. All diese normalen alltäglichen Dinge haben sie vergessen lassen, dass es immer das letzte Wiedersehen sein könnte. Und genau das wollte ich erreichen, im Moment verbindet sie mit mir schöne Erinnerungen.
Mir dagegen waren während all dieser Aktivitäten, die Blicke der Menschen um uns herum bewusst, das Getuschel, die fast zu auffälligen Gesten in meine Richtung.
Lächelnd denke ich auch zurück an Herr Bamba. Wir hatten uns die letzten Wochen mehrmals intensiv zusammengesetzt.
Bamba hat mir klargemacht, dass ich andere Menschen auch in diesem Zustand glücklich machen kann, dass es dazu nicht viel mehr als Worte, ehrliche Worte braucht.
Er hat mir bei meinen mentalen Zusammenbrüchen hochgeholfen und mir immer und immer wieder meinen Weg gezeigt.
Zum wiederholten Male frage ich mich ob er auf meine Beerdigung kommen wird. Ich hatte nie den Mut ihn zu fragen.
Ich seufze leise und beobachte einen Vogel mit grauem Federkleid der über die Wellen gleitet und sich kaum von den Wolken unterscheidet.
Kann ich das Versprechen halten welches ich Lisa gegeben habe? Ich habe ihr versprochen sie wiederzusehen.
Tief durchatmend Presse ich meine Fäuste auf meine Augen und versuche an etwas anderes als an ihre voller Hoffnung und Freude leuchtenden Augen zu denken.
Ich hätte kein Versprechen geben sollen, welches ich nicht unbedingt halten kann.
Ich fahre mir über die Glatze und stehe langsam auf. Ich zittere am ganzen Körper und mache mich langsam auf den Rückweg.Sanft öffne ich die Türe des Hotelzimmers und sehe meine Eltern friedlich schlafend im Bett liegen.
So leise wie möglich gehe ich zu meinem Koffer und ziehe eine Mütze hervor, dann mache ich mich mit meinem Reiseführer für Irland bewaffnet auf den Weg in den kleinen aber gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum des Hotels.
Der Raum ist hell gestrichen und modern eingerichtet.
Ich mache mir eine Tasse Tee und setze mich in einen der großen Ohrensessel, dann schlage ich den Reiseführer auf und nehme die Lupe zur Hand die ich mir extra gekauft habe und halte ihn über die Seite.
Ich markiere alles was ich sehen will und verbrenne mir zwischendurch die Zunge an meinem Tee.
Lächelnd blättere ich Seite um Seite um und merke nicht das sich der Raum immer mehr füllt.
„Sorry? Is this Seat free?" Ich schaue verwirrt hoch und sehe eine junge Frau die fragend auf den Stuhl neben meinem deutet. Hastig nicke ich und schaue mich dann um.
Der Raum ist voll und fast mir gegenüber sitzen vier die Personen mit einer Geige einer Gitarre und einer Flöte bewaffnet sind.
Ich schaue sie aufgeregt an. Erst gerade habe ich gelesen das es hier in Irland üblich ist abends in Pubs zu sitzen mit Livemusik und einem guten Barkeeper als Unterhaltung.
Und wirklich ich muss nicht lange warten, da beginnen sie auch schon zu spielen. Fasziniert schaue ich Ihnen zu und beuge mich unbewusst in meinem Stuhl vor. Der Mann mit der Gitarre beginnt zu singen, vermutlich in gälisch, es hört sich verdammt gut an, da seine Stimme perfekt mit der Musik harmoniert.
Nach weiteren Stücken sagt plötzlich die Frau mit der blonden Mähne und der Flöte etwas. Die anderen schauen Sie überrascht an und nicken dann aber. Ich sehe wie sie die Flöte sinken lässt und die Augen schließt, dann wird ein neues Lied angestimmt und plötzlich beginnt die Frau zu singen. Fasziniert starre ich die Musiker an und lehne mich dann entspannt zurück.
In dem Raum ist es für meinen Geschmack etwas zu laut, aber ich blende das alles aus ich höre nur die Musik. Es ist eine komplett andere Musik wie ich je gehört habe und das ich sie live sehe macht das ganze noch besser.
Und was das ganze gerade noch perfekter macht, ist die Tatsache das mich aufgrund der Mütze und des gedämmten Lichts niemand komisch anschaut. Ich bin einfach eine von vielen.
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Weg zwischen Leben und Tod? ✔️
Novela JuvenilHabe ich es verdient zu leben? Diese Frage stelle ich mir jeden Tag nach dem aufwachen und danach jede einzelne Sekunde bis zum Rest meines Lebens. Noch kämpfe ich gegen den Krebs um meinen Körper. Aber wie lange reicht meine Kraft noch aus? Wie lan...