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Seufzend Rolle ich mich auf meinem Bett zu einer Kugel zusammen und schließe die Augen.
Handele ich wirklich richtig?
Kann ich es verantworten, all diesen Menschen meinen Anblick zuzumuten? Erneut seufzend, als würde die gesamte Last des Universums auf meinen Schultern ruhen, setze ich mich auf und schaue mich in meinem Zimmer um. Es hat sich im Gegensatz zu mir nicht verändert. Was sich wohl alles verändern wird, wenn ich nicht mehr da bin? Was werden meine Eltern mit diesem Zimmer tun? Warum stelle ich mir eigentlich immer nur Fragen auf die ich keine Antwort finde?
Langsam stehe ich auf und ziehe meine Vorhänge zu, dann ziehe ich meine Kleider aus und tausche sie gegen das weiße viel zu große T-Shirt von dem Boxer aus Thailand. Frustriert lege ich mich auf mein Bett, wie schnell Menschen doch langweilig wird, wenn sie die üblichen Beschäftigungen nicht nutzen können. Aufgrund meiner Augen kann ich weder Fernsehen, noch ein Buch lesen, oder mein Hand nutzen. Aufgrund der späten Uhrzeit schließe ich es auch aus, Lisa anzurufen um mit ihr Karten zu spielen. Was meine Eltern wohl machen? Leise stehe ich auf und beginne sie zu suchen. Das Haus ist dunkel und alles ist ruhig. Ohne Geräusche zu verursachen öffne ich ihre Schlafzimmertüre und schaue hinein. Beide meine Eltern liegen schlafend im Bett. Sanft schließe ich die Türe und mache mich auf den Weg in die Küche. Ich öffne den Kühlschrank und inspiziere den Inhalt. Traurig darüber das ich den Inhalt nicht essen kann, nehme ich mir eine Flasche Saft und schließe den Schrank, dann gehe ich zurück in mein Zimmer und schalte das Radio an. Als ich endlich einen Sender gefunden habe der nicht stört und in dem nicht über die Vorliebe von Menschen die gerne auf Comics masturbieren, diskutiert wird, setze ich mich auf den Boden und trinke einen Schluck. Gereizt verziehe ich das Gesicht als ich merke das auch der Saft nach nichts schmeckt. Wann mussten eigentlich meine Geschmacksnerven dran glauben? Vielleicht wäre das eine Frage die ich Mühr stellen kann. Und schon wieder wollen mir düstere Gedanken meine ohnehin schon schlechte Laune noch mehr in den Keller ziehen.
Hastig trinke ich noch einen Schluck und frage mich wie Orangensaft schmecken sollte.
Mit einem Lächeln erinnere ich mich zurück an die Geschmäcker in Thailand. Die vielen verschiedenen Früchte mit ihren frischen, fruchtigen, einzigartigen Geschmäckern, wie gerne ich es noch einmal schmecken würde. Aber so ist doch alles oder?
Wir können etwas erst dann richtig wertschätzen, wenn wir es verloren haben. Ich nehme noch einen Schluck aus der Flasche und erinnere mich plötzlich an mein Komasaufen.
Ich saß, genau wie jetzt, mit einer Flasche auf dem Boden und habe mich allein gefühlt. Leise fluchend stelle ich die Flasche ab und rappele mich auf, ich ziehe mir eine Hose an und wickele mir einen Schal um den Hals und ziehe ihn soweit hoch, dass er mein halbes Gesicht bedeckt.
Nachdem ich die Flasche zurück in den Kühlschrank gestellt habe ziehe ich meine Schuhe an und stecke den Hausschlüssel ein.
Ich weiß nicht warum, aber ich will jetzt in die Kirche. Mir ist klar, dass es mitten in der Nacht ist, aber die Kirche im Ort ist immer offen, da unser Pfarrer der Meinung ist das die Kirche als Ort der Zuflucht immer und jedem zur Verfügung stehen sollte.

Ich öffne die schwere Holztüre und betrete das kalte Innere der Kirche. Mich durchläuft ein leichter Schauder. Langsam schreite ich durch den Mittelgang und setze mich vor den Altar im Schneidersitz auf den Boden. Was auch immer mich geritten hat, hierher zu kommen, ich fühle mich verdammt unwohl. Mein Blick ruht auf dem Jesus der an das Holzkreuz genagelt ist.
Falls es ihn wirklich gibt, wie fühlt es sich an ständig eine Abbildung von sich selbst an ein Holzkreuz genagelt zu sehen. Ich zumindest würde nicht ständig daran erinnert werden wollen, aber Jesus machte das doch freiwillig und es war eine Geste für all uns Menschen. Ein Geschenk. Aber wenn er uns Menschen so sehr liebt, warum tut er uns dann so viel Krankheit und Schmerz an? Wie kann man sagen Gott wäre perfekt? Wie kann es sein das etwas perfektes wie Gott etwas so unperfektes wie uns Menschen erschaffen hat?
Ich spüre wie mir die Kälte in die Knochen kriecht und unterdrücke ein erneutes Schaudern. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann gestehe ich mir ein das ich Menschen bewundere die einen starken Glauben an Gott haben. Menschen deren Glauben sie durch ihre dunkelsten Zeiten führt und ihnen jede Angst nimmt, aber im Gegenzug muss ich mir auch eingestehen das ich niemals zu diesen Menschen gehören werde. Ich fühle mich hier unwohl, nicht geborgen, ich kann auf diesen Gott nur mit Verachtung herabsehen.

Ich schließe die Tür sanft hinter mir und gehe ziellos durch die Straßen. Ein leichter Wind verweht sanft die Blätter die auf dem Boden liegen, ich ziehe meinen Schal enger und beschleunige meine Schritte leicht.
Früher einmal war es ein Traum von mir einfach ohne Plan fortzugehen, egal ob zu Fuß, per Flugzeug oder mit dem Auto. Das einzig wichtige war die Tatsache das ich nichts planen kann, dass ich mich überraschen lasse. Aber im Endeffekt ist das unser Leben nicht wahr? Wir wissen nie was uns hinter der nächsten Kurve erwartet und trotzdem versuchen wir immer alles durchzuplanen. Ich seufze leise, dass Leben ist schon ironisch. Ziemlich oft auf eine schwarze Weise, aber was soll's ich liebe Schwarzen Humor. Vermutlich macht diese Sicht auf das Leben so vieles einfacher.

Ich setze mich auf eine Bank, an der die rote Farbe bereits abblättert und schaue in den Himmel. Er ist heute ziemlich klar und ich sehe viele Sterne inklusive Mond.
Konzentriert versuche ich ein paar Sternbilder auszumachen, aber erfolglos.
Was ist wenn jeder dieser Stern einfach ein toter Mensch ist? Wenn immer wenn wir sterben ein Stern an diesem unendlich großen Himmelszelt dazukommt? Von dort oben aus kann man dann als Stern jede Nacht über seine Geliebten wachen. Ich muss bei der Vorstellung lächeln und ziehe die Knie an.
Ein kalter Lufthauch streicht mein Gesicht, als wollte er mich Nachhause schicken. Immer noch lächelnd stehe ich auf und mache mich auf den Weg nach Hause. Ich merke das ich nicht mehr so aufgewühlt bin.

Ich schaffe es ohne jemanden zu wecken, in mein Zimmer, ich öffne meine Fenster sperrangelweit und kuschele mich in meine Decke. Dann muss an den Moment zurückdenken, als ich gestorben bin. Es hat sich gut angefühlt, ich habe mich noch nie so geborgen gefühlt. Ich wollte nicht mehr überleben, ich war zufrieden wie es war. Aber was ist eigentlich überleben? Man versucht das eigene Leben zu retten, aber warum? Man schätzt sein Leben und kämpft darum, aber sollte man nicht einen Unterschied zwischen Leben und Überleben machen? Ich selbst, habe sie in letzter Zeit selbstverständlich als ein Teil gesehen, aber das ist falsch ich muss unterschieden. Und jetzt wird mir auch klar, warum ich den Tod so willkommen geheißen habe,warum es mir nichts ausgemacht hat. Nicht etwa weil ich mein Leben nicht genug wertschätze, nein einfach weil ich nicht sterben will. Tief in mir habe ich Angst vor dem Tod und wenn ich es schon hinter mir habe, ist alles gut. Aber selbst jetzt, wo ich mich immer noch so verzweifelt an dieses Leben klammere, stelle ich mir die Frage nach dem warum. Was ist mir so wichtig, ich verachte alles an diesem Leben, warum also tue ich so viel dafür? Ich verachte meinen Körper, ich vermisse den Frieden des Todes und ich habe solche Angst davor das man mich nicht gehen lässt.
Aber die eine Frage die mich am meisten beschäftigt: Bin das immer noch Ich? Hätte ich schon früher um einen solchen entstellten Körper gekämpft, dem ich nur Verachtung entgegenbringen kann? Ich glaube ich habe mich verloren, irgendwo in der friedvollen Tiefe des Todes, und wie soll ich mich wiederfinden, wenn ich nur noch ein zerschundener Abklatsch meines alten Ichs bin. Oder ist das besser so? Soll ich die kurze Zeit die ich habe, nutzen um ein neues Ich zu erschaffen? Soll ich nur noch funktionieren?
Und dann verstehe ich warum ich Leben und Überleben nicht zusammenpacken kann.
Denn erst das Leben gibt dem Überleben einem Sinn.

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