Als ich aufwache schaffe ich es nicht mehr zu reagieren.
Der Schwall Erbrochenes saut mich komplett ein. Einen kurzen Moment lang liege ich so da und versuche zu begreifen was passiert ist. Dann kommt schon der nächste Würgereiz, ich rolle mich vom Bett und lande auf allen vieren auf dem Boden. Und erneut erbreche ich das ganze schöne essen. Als nur noch Galle und Blut kommt wische ich mir mit dem Handrücken über den Mund.
Zu meiner Überraschung ist das einzige was ich fühle Enttäuschung. Ich hatte gehofft, dass ich endlich wieder einmal richtigen Stuhlgang haben würde. Dadurch da ich mich in letzter Zeit quasi nur von Medikamenten ernähre habe ich selten bis gar keinen Stuhlgang und wenn dann ist er alles andere als normal.
Ich will mich aufrichten um den Knopf zu drücken, der die Schwestern ruft, aber der Schwächeanfall kommt genauso plötzlich wie der Brechreiz.
Ich spüre meine Gliedmaßen nicht mehr. Mein Körper landet auf dem Boden, alles um mich herum verschwimmt.
Ich weiß das das hier gar nicht gut ist, aber ich kann nichts tun.Dann ist da nichts mehr.
Es ist als würde die Kontrolle über meinen Körper ganz langsam zurückkehren. Meine Ohren sind wie mit Watte verstopft und allgemein fühlt sich mein Körper unglaublich schwer an. Nein nicht mein Körper nur mein Kopf.
Als ich mich aufrichten will, erfasst mich ein Schwindel.
Das hier ist ja schlimmer als ein Kater.
Also bleibe ich einfach auf dem Boden liegen und Blende die Tatsache aus, dass ich voller erbrochenem bin.
Als ich endlich aufstehen kann schaffe ich es den Knopf zu drücken dann Säcke ich erneut auf den Boden und lande auf meinem Po. Man tut das weh. Bin ich wirklich so abgemagert, dass ich nicht mal mehr ein Fettpolster an Arsch habe?Grausamerweise darf ich nicht mal mehr zum duschen die keimfreie Zelle verlassen, was bedeutet, dass eine Schwester mit mit einem nassen Lappen säubert. Ich lasse die unabsichtliche Demütigung über mich ergehen und bin froh das ich schon so weit abgestumpft bin das ich nichts mehr fühle.
Irgendwann schaffe ich es meine Taube Zunge zum sprechen zu bringen.
„Was ist passiert?" Die Schwester verharrt einen Moment bei dem Versuch mir die Glatze sanft sauberzumachen.
„Die Medikamenten die wir dir gegeben haben, waren pures Gift für dich. Du bist ohnmächtig geworden und wenn wir nicht zufällig gekommen wären, wärst du gestorben. Wir haben es geschafft, dir sämtliche Medikamente aus dem Magen zu pumpen und der Brechreiz gerade eben.." Sie seufzt leise und es graut mich davor was sie gleich sagen wird. „Wir haben keine Ahnung woher der kommt."
Ich nicke und verfalle in schweigen.Als die Schwester irgendwann gegangen ist lehne ich mich an die wand und atme den Geruch nach Desinfektionsmittel ein. Kann man davon high werden?
Ich schüttele kurz den Kopf und zucke zusammen als ein leises klopfen ertönt und kurz darauf Doktor Mühr im Zimmer steht.
„Hallo Mo." Ich schaue ihn stumm an und warte das er los wird weswegen er gekommen ist. So wie er vor mir steht in seinem weißen Doktoroutfit sieht er plötzlich unglaublich alt aus.
„Wir haben beschlossen, dass hier ab jetzt routinemäßig jede Stunde eine Schwester oder ein Arzt vorbeischauen wird." Ich nicke stumm und richte den Blick auf dem Boden. Ich will nicht reden. Ich habe Angst das meine Stimme bricht und ich die Tränen nicht mehr aufhalten kann.
„Wir haben auch das Medikament abgesetzt. Wir haben bereits ein neues das wir ausprobieren werden. Außerdem werden wir dich ab jetzt künstlich ernähren müssen." Ich schaue ihn an und sehe das er mich ernst anschaut. Ich nicke. Doktor Mühr seufzt leise auf und drückt meine Schulter. „Es tut mir so leid Mo."
Ich hebe den Kopf. „Sie sollen endlich aufhören sich ständig bei mir zu entschuldigen." Er seufzt und geht auf die Türe zu. „Ich habe dich noch nicht aufgegeben Mo!" Meine Augen weiten sich und ich ziehe die Knie an, dann wiege ich mich langsam vor und zurück.
Ein sanftes Lächeln formt sich auf meinem Gesicht. Er glaubt noch an mich. Dann habe ich eine Chance.
Entschlossen greife ich nach meinem Telefon und wähle Seths Nummer. Ich will nein ich muss seine Stimme hören.
„Hallo. Erzähl mir irgendwas! Hauptsache du redest." Er seufzt leise. „Es tut mir leid. Ich habe.." „Stop! Das will ich nicht hören. Ich will mir einfach vorstellen können das du gerade hier bist." Als ich keine Antwort bekomme ist mir klar, dass es jetzt an mir liegt meinem Freund zu zeigen das er zu mir gehört.
„Ich weiß es gerade nicht, aber ich glaube nicht das ich dir so etwas hier schon einmal gesagt habe. Und am liebsten würde ich es dir sagen wenn ich dich anschauen kann, wenn ich deine Hände halten kann." Ich schließe kurz die Augen und sammele mich, sein gleichmäßiger Atem beruhigt mich. „Seth ich habe so unglaubliche Angst vor dem Tod, aber wenn ich an dich denke dann ist es mir egal weil ich weiß das du da bist. Ich hatte Angst dir wehzutun wenn ich Tod bin, das habe ich immer noch. Aber ich habe darüber nachgedacht was du zu mir gesagt hast. Erinnerst du dich? Du sagtest egal wie lange du ohne mich sein würdest, egal wie weh es tut wenn ich Tod bin, dass das alles nicht zählt. Weil dir jede einzelne Sekunde die du mit mir verbinden kannst, all das wert ist. Das bedeutet mir unglaublich viel. Ich liebe es wenn du mich Kleine nennst. Ich liebe es wenn du mich anstarrst und ich peinlich berührt den Kopf senke. Ich liebe es wenn du mich berührst. Jede deiner Berührungen, jede deiner Gesten all das lässt mich so unglaublich besonders fühlen. Es macht mich glücklich. Seth, du machst mich glücklich. Und ich werde dich für nichts in der Welt weggeben. Aus diesem Grund glaube ich daran, dass diese verdammte Therapie anschlagen wird. Und dann werde ich dich Wiedersehen. Dann werden wir all das tun was Paare tun. Und wenn dann meine Zeit abgelaufen ist, dann bereue ich nichts. Dann kann ich sterben und sagen das ich alles richtig gemacht habe. Denn das habe ich Seth. Ich habe gekämpft, nein noch kämpfe ich, ich kämpfe für die die ich liebe. Verstehst du das? Du bist für mich jemand, der mir alles gibt ohne körperlich anwesend sein zu müssen, allein der Gedanke das du auf mich wartest macht mich unglaublich glücklich. Ich ich liebe dich."
„Danke." Ich lächele und streiche mir über die Wange.
„Ich habe mir etwas vorgenommen!" Er gibt ein fragendes Brummen von mir. „Ich werde deine Haare sehen!" „Meine Haare?" Ich nicke: „Ja ihre Farbe, sie passen bestimmt toll zu deinen Augen und wenn du ein bisschen in die Sonne gehst, dann wirst du braun und dann siehst du noch heißer aus." Meine Wangen sind rot angelaufen und ich knubele die Decke zwischen meinem Daumen und Zeigefinger. Seth lacht leise und es ist das lachen, dass mir ein Schauder über den Rücken jagt.
„Na dann sollte ich bald in die Sonne gehen." „Ja." Einen kurzen Moment lang herrscht Stille. „Ich glaube an dich Mo. Wir sehen uns wieder und dann kann ich dich endlich wieder in die Arme nehmen." Die Vorstellung macht mich glücklich und ich strahle. „Ich freue mich darauf!"
Erneut versinken wir in schweigen und lauschen den Atemzügen des anderen.
Irgendwann merke ich wie ich müde werden und seine Atemzüge bekommen eine leicht einschläfernde Wirkung. Ich gähne laut und höre ihn lachen. „Hat die Dame keinen Anstand?" Ich grinse. „Den hat die Dame irgendwo verloren." Ich sehe förmlich vor mir wie er die Augen verdreht. „Du solltest schlafen gehen." „Jaaaa." Ich ziehe das Wort lang und Strecke mich auf dem Bett aus. „Schlaf gut Kleine. Ich warte auf dich. Vergiss das nicht." Dann ertönt das gleichmäßige piepen und ich lege das Handy zurück.
Ich bin einfach nur gut gelaunt und falle irgendwann in einen angenehmen Traum.
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Weg zwischen Leben und Tod? ✔️
Fiksi RemajaHabe ich es verdient zu leben? Diese Frage stelle ich mir jeden Tag nach dem aufwachen und danach jede einzelne Sekunde bis zum Rest meines Lebens. Noch kämpfe ich gegen den Krebs um meinen Körper. Aber wie lange reicht meine Kraft noch aus? Wie lan...