13. Zweifel

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Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Caleb war kein Verräter! Er hatte uns doch geholfen. Wieso sollte er uns überhaupt verraten?
„Was... Wovon sprichst du?", fragte ich.
„Du hast mich schon verstanden."
„Caleb ist kein Verräter! Er gehört zu unserem Team und hilft mir!"
„Du bist so naiv. Wie lange kennst du ihn schon?"
Ich stockte.
„Wohl noch nicht sehr lange. Wer vertraut schon einem Fremden?"
„Das... Woher willst du das wissen? Außerdem ist er nicht fremd!"
„Was weißt du schon über ihn? Ich wette mit dir, ich weiß mehr über ihn." Das Mädchen sah mich bedeutend an.
„Wer bist du?"
„Mein Name ist Aria. Und ich gehöre zu den Menschen, die nach Caleb suchen."
„Was wollt ihr von ihm? Was hat er den Schreckliches getan?"
„Ach, das hat er nicht erzählt?" Triumphierend grinste Aria.
„Natürlich hat er das!"
„Aber wohl nicht alles. Dann will ich dich mal aufklären." Sie warf mir einen überheblichen Blick zu.
„Nein. Wir warten bis meine Freundin wieder da ist und dann wirst du das uns und Caleb erzählen."
„Was? Nein! Er wird mich zum Schweigen bringen."
„Das werden wir zu verhindern wissen." Damit beendete ich das Gespräch und holte Caleb zurück. Er musterte erst mich und dann Aria.
„Ist irgendetwas passiert?"
„Nein. Wir warten auf Anna."
„Hat sie geredet?"
„Ja."
„Was hat sie gesagt?"
„Wir warten erst auf Anna!"
Caleb hob beschwichtigend die Hände. „Ist ja gut, ist ja gut. Komm mal wieder runter."
Daraufhin schwieg ich.
Es war völlig ausgeschlossen, dass Caleb ein Verräter war. Wieso hätte er uns sonst helfen sollen? Außerdem hätte er schon mehr als genug Gelegenheiten gehabt uns auszuliefern. Wenn er also ein Verräter wäre, dann gäbe es keinen Grund, warum er nicht längst zur Tat geschritten war. Mit seinen eisblauen Augen musterte er mich besorgt. Ich wandte den Blick von ihm ab.
Caleb hatte uns geholfen. Diese Organisation, zu der auch Aria zu gehören schien, verfolgte ihn und dann hatte er beschlossen, uns zu unterstützen, dagegen vorzugehen. Was sollte er auch sonst tun? Aber wenn er uns belogen hatte? Nein, niemals. Wieso sollte er auch? Ach, wenn ich mir darüber weiter den Kopf zerbrach, würde ich noch verrückt werden!

Anna kam zum Glück bald zurück.
„Ich hab Neuigkeiten", verkündete sie, als sie durch den Eingang kletterte.
„Gleich, ja? Wir haben Wichtiges zu besprechen." Ich zog sie zu Caleb und Aria.
„Es ist wirklich dringend."
„Anna, gleich. Gut, jetzt sag du uns, was du mir vorhin erzählen wolltest!" Ich sah das Mädchen streng an.
„Malina, hör mir doch bitte ganz kurz zu!" Annas Stimme war leise und eindringlich, ich konnte sie aber gerade nicht beachten.
„Anna! Halt bitte kurz die Klappe!"
Sie warf mir einen verletzten Blick zu und wandte sich dann von mir ab.
„Gut, jetzt zu dir."
Aria sah Caleb an. Auf einmal wirkte sie verunsichert. Dann wandte sie den Blick ab und sah zu mir. Sie stand auf. „Mein Name ist Aria Malone. Ich gehöre zur Organisation UEC. Also zu der Organisation der auch Caleb angehört. Nicht wahr?" Unschuldig grinste Aria Caleb an und blinzelte ihm zu.
Anna sprang auf. „Also doch! Du hast auch das Kinderhein angezündet! Es stand in der Zeitung. Man hat genügend Beweise gefunden." Böse funkelte sie ihn an.
„Nein, das ist nicht wahr! Ich habe nichts getan!", verteidigte Caleb sich. „Sie versuchen, mir das anzuhängen, ihr müsst mir glauben!"
„Caleb, du hast nie versucht, ihnen zu helfen. Du wolltest sie ausliefern, das ist deine eigentliche Mission, schon die ganze Zeit, nicht wahr?" Arias Augen waren glasig. „Du hast geleugnet zu uns zu gehören, um ihnen zu gefallen. Du bist nichts weiter als ein mieser Verräter. Und das wirst du immer bleiben!"
„Aria, das ist nicht wahr!"
„Wieso sollte ich dir überhaupt noch irgendetwas glauben?! Du hast schon viel zu oft gelogen!"
„Lass mich doch erklären!"
„Nein, du hast genug gesagt. Ich denke, die Lage ist klar", mischte sich jetzt auch Anna ein.
„Ihr dürft ihr nicht glauben, bitte! Es ist nicht so, wie ihr denkt! Malina, hör mir doch wenigstens zu."
Ich konnte nichts sagen. Caleb hatte uns verraten. Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen? Ich schüttelte den Kopf. In Calebs Blick lag Bestürzung. Verletzt wandte er den Blick von mir ab. Dann stürmte er aus dem Versteck.

Mir war nur nach Heulen zumute. Zum Glück übernahm Anna nun das Reden.
„Und wer sagt uns, dass wir dir vertrauen können?"
„Ich kann euch alles sagen, was ihr wissen wollt."
Ich nickte. „Wer ist Caleb wirklich?"
Aria lachte auf. „Es gibt so viele Fragen und das ist wirklich deine Erste? Ich meine, willst du gar nicht wissen, wer deine Eltern sind?"
Mein Herz schlug plötzlich unglaublich schnell und kurz verdrängte ich den Schmerz, den Calebs Verrat hinterlassen hatte.
„Doch, bitte erzähl es mir."
„Das werde ich. Aber wir müssen fort. Ich weiß nicht, wie schnell die hier sind."
„Wer?" Anna sah sich alarmiert um.
„Die von UEC. Caleb wird sie über unseren Aufenthaltsort informiert haben."
„Aber wo sollen wir hin? Vor allem wird es bald hell."
„Ich kenne einen Ort, aber dazu müsst ihr mir vertrauen."
„Nein!", entfuhr es mir. „So schnell werden wir niemandem mehr vertrauen!"
„Aber Aria hat recht, wir wissen tatsächlich nicht, was Caleb alles verraten hat."
„Wir können Aria doch nicht einfach so vertrauen. Oder? Ich weiß nicht, was wir machen sollen!" Ich versuchte, ruhig zu bleiben, doch das fiel mir schwer.
„Momentan ist Aria unsere einzige Möglichkeit, oder fällt dir etwas Besseres ein?"
Betreten schüttelte ich den Kopf. „Also vertrauen wir ihr?"
Anna nickte. „Wir suchen uns selbst ein Versteck. Aber wir müssen uns beeilen. Los jetzt!"
Wir packten alles in Annas Rucksack. Aria ließen wir vorsichtshalber gefesselt. Sie protestierte zwar, aber wenn sie etwas über meine Eltern wusste, wollte ich es nicht riskieren, dass sie floh.

Wir liefen eine Weile durch die Straßen Buffalos, doch in einer so großen Stadt war es nicht schwer, schnell ein leerstehendes Haus zu finden, in das wir einbrechen konnten. Ich hoffte, dass man uns hier nicht so schnell finden würde.
„Natürlich werden sie uns finden!", meinte Aria. „Die Frage ist nur, wann. Wir dürfen hier nur nicht zu lange bleiben."
Von draußen schienen die ersten Sonnenstrahlen zum Fenster herein. Arias und meine Kleidung war mittlerweile getrocknet. Ihre Haare leuchteten orange und ihre Locken standen wild in alle Richtungen ab, was sie ziemlich wild aussehen ließ.
„Aber vorerst haben wir Zeit. Und jetzt erzählst du uns gefälligst, was du weißt!", befahl Anna.
„Das tue ich liebend gerne. Danke der netten Nachfrage." Aria lächelte Anna zu.
„Aria, bitte." Ich sah sie flehend an.
„Ja, schon gut. Wo soll ich nur anfangen?"
„Was haben meine Eltern damit zu tun?"
„Okay, das ist kompliziert. Es gehört etwas Hintergrundwissen..."
„Spuck's einfach aus!" Anna verdrehte genervt die Augen.
„Deine Eltern sind die Anführer der Organisation."
Ich schnappte entsetzt nach Luft. Wie konnte das sein?
„Zurück zu den Hintergrundinformationen." Anna biss sich auf die Unterlippe.
Aria zog die Augenbrauen hoch und warf ihr einen Blick zu, der besagte ‚Ich hab's dir doch gesagt'.
„Schon gut, ich halt ja meine Klappe."
„Gut. Also die Organisation existiert nur im Verborgenen. Die Öffentlichkeit weiß nichts davon. Sie ist im 17. Jahrhundert, zur Zeit der Sklaverei entstanden. Ursprünglich bestand sie nur aus einem kleinen Dorf der Ureinwohner."
„Woher weißt du das alles?", unterbrach Anna sie nun doch.
„Ich lebe dort. Ich bin eine von ihnen. Die Gründungsgeschichte gehört zum Grundwissen. Wo war ich? Ach ja. Das Dorf. Es wurde von Sklavenjägern überfallen. Sie haben die Menschen gefangengenommen. Dabei haben sie keine Rücksicht auf Verluste genommen. Das Dorf war dem Untergang geweiht, wäre da nicht dieses Paar gewesen. Sie werden als die Gründerkönige verehrt."
Anna lachte auf. „Malina soll also die Nachfahrin einer Königsfamilie sein?"
Aria verdrehte die Augen. „Sie waren nie Könige, sie wurden nur anschließend so genannt. Das Paar hat das Dorf gerettet. Sie haben einen Keller gebaut und die Leute dort hinunter gebracht."
„Ganz alleine?"
„Ja, ganz alleine. Aber dazu komme ich noch. Während die Sklavenjäger also das Dorf in Brand gesteckt haben, war die Bevölkerung im Keller in Sicherheit. Da sie nun kein Heim mehr hatten, erkoren sie den Keller als ihren neuen Unterschlupf. Und nun erfuhren sie das Geheimnis des Paares. Es war Magie. Genau dadurch konnte das Paar diesen sicheren Unterschlupf errichten. Es zeigte dem Volk die Praktiken der Magie und half ihm, ein Leben unterirdisch aufzubauen. Daher auch der Name. UEC – Under Earth City."
„Warte, willst du damit sagen, dass es eine gesamte Stadt unter der Erde gibt?" Anna sah sie fassungslos an.
„Ja, genau das will ich. Der Strahl des Medaillons hat doch in den Niagara gezeigt, oder?"
Ich nickte.
„Die Stadt zieht sich über viele, viele Kilometer. Es gibt ein Tunnelsystem, das sich über die gesamte Welt zieht. Das ist nur dank der Magie möglich. Nun ja, deine Mutter war die direkte Nachfahrin der Gründer und somit war sie automatisch die Anführerin."
„Warte, sie war die Anführerin?", fragte ich verunsichert.
„Ja. Es tut mir leid, aber sie ist vor einigen Jahren verstorben."

Malina und AnnaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt