47. Albträume

13 2 0
                                    

Dunkelheit war um mich herum. Sie umschloss mich, war überall und erdrückend. Camerons Gesicht tauchte vor mir auf und grinste mich triumphierend an. Ich schrie und schlug auf ihn ein, doch Cameron lachte nur. Nun trat auch der Rest seines Körpers aus der Dunkelheit. Ich schrie wieder und wich zurück.

Ich rannte. Cameron war direkt hinter mir und drohte die ganze Zeit, mich zu fangen. Mein Körper brannte. Ich spürte überall nur schmerz. Plötzlich sanken meine Füße in eine schwarze Masse ein. Sie schloss sich um meine Knöchel und ließ mich stolpern. Ich fiel zu Boden, fing mich mit den Händen ab. Ich drehte mich auf den Rücken. Cameron stand über mich gebeugt und lachte. Er lachte, während die Dunkelheit meine Beine hinaufwanderte und mich Stück für Stück vollständig einhüllte.
Ich schlug nach ihm, trat um mich.
Ich kämpfte und versuchte, die Dunkelheit abzuschütteln.
Ich wusste plötzlich ganz klar: Ich wollte leben! Ich wollte kämpfen, mit allen Hochs und Tiefs. Und ich würde nicht eher aufhören, bis man mich zum Schweigen brachte. Wieder begann mein ganzer Körper zu brennen und zu schmerzen. Der Schmerz pulsierte durch meinen ganzen Körper, ließ mich zittern und schreien. Alle Wärme, alles Licht wich von mir. Camerons Hände schlossen sich eisern um meine Handgelenke und hielten mich fest.
„Malina!"
Seine Stimme brachte mich zum Schaudern. Ich schrie wieder und tat alles, um mich von ihm loszureißen, doch sein Griff wurde nur fester und seine Stimme eindringlicher.
„Wach auf!"

Und in diesem Moment schlug ich die Augen auf. Hände hielten mich fest, ein fremdes Gesicht.
„Lass mich los!", schrie ich und wehrte mich, doch der Griff wurde nur erbarmungsloser.
„Lass mich los!", schrie ich wieder.
Plötzlich tauchte Caleb auf. „Lass sie schon los. Ich kümmere mich um sie."
Tatsächlich wurde ich losgelassen und fiel auf den Rücken. Mir war kalt. Alles um mich herum war kalt und dunkel. Ich zitterte. Auf dem Boden rollte ich mich zu einer Kugel zusammen.
Zum ersten Mal seit meiner Gefangenschaft liefen mir Tränen in Strömen über die Wangen. Doch einmal angefangen, ließen sie sich nicht mehr stoppen. Ich fand nicht die Kraft, wieder aufzustehen, als mir eine Hand hingehalten wurde.
„Malina, komm steh auf. Du bist eiskalt!" Caleb. Er war hier, bei mir.
Ich zögerte kurz, doch dann ergriff ich die Hand und stand auf. Bisher hatte ich jegliche Berührung gescheut, doch nun ließ ich es zu, dass Caleb mir eine Decke um die Schultern legte. Ich ließ mich von ihm in die Arme nehmen und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter. Und Caleb hielt mich fest. Wie ein Fels in der Brandung stand er da und strich mir langsam über den Rücken, vertrieb die Kälte.

Irgendwann begann ich so sehr zu zittern, dass Caleb mich hochhob und wegtrug. Verschwommen erkannte ich erst jetzt, dass ich auf dem Deck des Schiffes war. Caleb trug mich nach drinnen und setzte mich auf einen Stuhl. Ich erkannte die Kantine. Er wollte gehen, doch ich hielt ihn fest. Ich klammerte mich an ihn wie ein Ertrinkender. Und Caleb blieb. Er blieb, bis meine Tränen irgendwann versiegten und ich ihn aus meinem Griff entließ.
„Darf ich dir jetzt einen Tee machen?"
Ich lachte. Die Gefühle überwältigten mich, doch sie waren wieder da und ich lachte. „Ist das denn erlaubt?"
Er sah sich in der leeren Cafeteria um. „Siehst du hier jemanden, der mir das verbieten könnte?"
Ich schüttelte den Kopf, woraufhin er in die Küche verschwand. Ich versuchte, die Gefühle zu ordnen, die alle gleichzeitig auf mich einströmten und mich überrannten wie eine Herde Kühe. Nach meinem Traum war der ganze Schmerz, all die Hilflosigkeit und die Verzweiflung, die Trauer, die Wut, die ich verspürt hatte, auf mich eingeströmt. Die negativen Gefühle, sie hatten mich alle zermahlen, doch Caleb hatte sie vertrieben.
Indem er mich einfach gehalten hatte, für mich da war, hatte er es geschafft, die Dunkelheit für diese Nacht zu besiegen und die Leere zu vertreiben. Ich war aus einem langen Traum erwacht, aus der Beobachterrolle wieder in mein Leben zurückgekehrt. Als wäre ich all die Zeit unter Wasser gewesen und hätte nach Luft gerungen und nun konnte ich endlich wieder atmen.

Malina und AnnaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt