45. ...bist Du verloren.

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Insgesamt brauchte Cameron nicht lange, um mich zu zerstören. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Doch die Zeit kam mir endlos vor. Und weder Caleb noch Anna waren gekommen. Ich hoffte nur, sie waren in Sicherheit, nach all dem Mist, in den sie meinetwegen verwickelt wurden.
Vielleicht hatte ich es verdient, so zu sterben. Vielleicht war das schon immer mein Schicksal gewesen und ich hatte nur das Unvermeidliche hinausgezögert. Und das hier war die Strafe dafür. Langsam wurde ich das Kämpfen müde. Ich wollte nicht mehr kämpfen. Wofür auch? Ich hatte keine Zukunft mehr. Meine Zukunft war durch meinen Vater, meine Familiengeschichte, das Schicksal bestimmt worden. Ich hatte keinen Einfluss mehr darauf, hatte ihn nie gehabt.

Wie hatte ich mir je einbilden können, stärker als Cameron zu sein? Wie hatte ich je auch nur denken können, es sei möglich, ihn zu besiegen? Ich war schwach. Und das ließ er mich spüren. Immer und immer wieder. Mit jedem Schlag schenkte ich seinen Worten mehr glauben. Wieso sollte er Lügen? Wahrscheinlich hatte er sogar recht. Wahrscheinlich hatte meine Mutter mich verdorben. Und ich konnte nichts dagegen tun.

Langsam überwogen die Zeiten, in denen ich das Bewusstsein verlor denen, in denen ich wach war. Ärzte schlossen mich an weitere Kabel an, um meine Vitalwerte genauer zu überwachen. Cameron erzählte mir, einmal sei mein Herz stehen geblieben. Doch man konnte mich wiederbeleben. Ich wünschte, sie hätten es nicht getan.
Meine Hoffnung war erloschen wie ein Feuer im Regen. Mit jeder Stunde, jedem Tag, jedem Schlag, den ich über mich ergehen lassen musste, war sie kleiner geworden bis sie schließlich erstarb. Zurück blieb ein Haufen Asche; kalt, verdorben.
All mein Licht, meine Hoffnung und mein Glaube waren der Dunkelheit gewichen. Sie war nun mein ständiger Begleiter und umgab mich wie eine Decke, wohin ich auch ging. Ebenso wie die Kälte. Ich spürte sie kaum noch. Sie war ein Teil von mir geworden.

Manchmal glaubte ich, ich hätte meinen Körper schon längst verlassen. Obwohl er noch in der Realität verankert war, war ich doch nicht mehr richtig dort. Ich nahm den Schmerz so unglaublich intensiv wahr und konnte doch keinen klaren Gedanken fassen. Alles schien seltsam weit entfernt, als würde ich das Leid einer Fremden betrachten, gleichzeitig war es so unglaublich nah.
Ich sehnte mich nach Katie und meiner Mutter. Ich spürte, bald würde ich wieder mit ihnen vereint sein. Und wenn ich starb, würde mein Vater keine Chance mehr haben, das magische Reich zu erobern. Was wollte ich mehr? Mein Tod würde für alle wohl das Beste sein.

Ich hörte Anna schreien. Sie war nicht hier und doch hörte ich sie, so wie ich meinen Vater hörte. Anna. Meine beste Freundin. Sie würde mich vermissen. Aber es war besser so für sie. Sie konnte ein glückliches Leben bei ihren Eltern führen. Ohne den Mist, den ich ihr einbrockte. Und irgendwann würde der Schmerz vergehen, ihre Erinnerung verblassen. Ja, es war das Beste. Und langsam glitt ich wieder über in die Dunkelheit. Ich gab mich ihr hin und ließ mich von ihr forttreiben.

Malina und AnnaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt