25. Einbruch

14 3 0
                                    

Es war schon weit nach Mitternacht, als ich wieder in die Stadt kam. Mein Herz schlug vor Aufregung rasend schnell, doch gleichzeitig freute ich mich darauf, endlich Anna helfen zu können. Ein triumphierendes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich eine Nachricht an Nag in mein Handy tippte.
„Hallo Nag. Wir sollten uns unterhalten."
Auf die Antwort musste ich nicht lange warten.
„Ich habe von Carol und Dan gehört, dass du nicht sehr begeistert von dem Plan bist. Aber halte aus, Anna wird bald befreit sein."
„Nein, nein. Ich werde mich schön selbst darum kümmern. Was Carol und Dan angeht..."
Die Antwort kam sogar noch schneller als die davor.
„Was ist mit ihnen?"
„Nun ja, Carol ist im Schlafzimmer eingesperrt und Dan im Keller. Der Schlüssel liegt auf der Treppe. Vielleicht solltest du sie befreien."
„Wie hast du das geschafft? Wo bist du?"
„Ich bin nicht zu unterschätzen. Und jetzt will ich, dass du mich zum Gefängnis bringst!"
„Wieso sollte ich das tun?"
„Weil ich mich sonst ausliefern werde, um dorthin zu kommen."
Diesmal musste ich eine Weile auf die Antwort warten.
„Das würdest du nicht tun."
„Stell mich nicht auf die Probe."
Wieder musste ich warten.
„Wo bist du?"
Triumphierend lächelte ich.
„Da, wo ich auch letztes Mal war."
„Ich führe dich. Aber ich habe eine Bedingung!"
„Die da wäre?"
„Du lässt mich dir helfen."
„Wenn du wieder versuchst, mich reinzulegen, liefere ich mich aus."
„Verstanden."
Dann setzte ich mich auf die Bank vor dem Supermarkt, der nun geschlossen hatte, und wartete.

Es dauerte eine Weile bis Nag mir die nächsten Anweisungen schrieb. Er führte mich diesmal in eine andere Richtung. Als ich eine lange Straße entlanglief, stellte ich Nag eine Frage, die mich schon länger beschäftigte.
„Wirst du allein mir helfen?"
„Was meinst du damit?"
Ich biss mir auf die Lippe. „Wird Caleb auch da sein?" Ich wollte ihn nicht wiedersehen. Er hatte uns verraten! Wie konnte ich ihm das je verzeihen? So kam es mir wie eine Ewigkeit vor, bis Nag endlich antwortete.
„Wie kommst du darauf?"
„Carol hat erwähnt, dass er Anna und Aria retten sollte."
„Bist du deshalb so durchgedreht?"
„Ja. Er ist ein Verräter. Aber woher weißt du davon?"
„Kontakte."
„Du weichst meiner Frage aus. Wird er auch da sein?"
Es dauerte, bis die Antwort kam.
„Ja."
Empört schüttelte ich den Kopf.
„Wie kannst du ihm vertrauen?!"
„Malina, bitte vertrau mir. Ich weiß, was ich tue. Vorne an der Kreuzung musst du links abbiegen."
„Wieso sollte ich dir vertrauen? Ich kenne dich nicht! Ich weiß ja nicht mal deinen Namen!"
„Dann vertrau deiner Mutter."
Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Momentan hatte ich wohl keine andere Wahl. Und wenn er mich verriet, wäre das ja auch nichts anderes, als würde ich mich ausliefern. Also, was sollte schon schiefgehen?

Nag hielt sein Versprechen; er führte mich zum Gefängnis.
„So, Malina. Da sind wir. Was ist dein Plan?"
Ich überlegte, was ich antworten sollte. Bisher hatte ich mir noch nicht so viele Gedanken über einen Plan gemacht. Ich hatte ja nicht einmal gewusst, wie das Gefängnis aussah.
„Das habe ich mir gedacht", kam es von Nag, als ich zu lange nicht antwortete. „Pass auf, ich habe einen Plan. Aber dazu musst du mir vertrauen."
Was blieb mir auch anderes übrig? Kurz wollte ich ihm das schreiben, entschied mich dann jedoch anders. „Wie lautet der Plan?"
Plötzlich begann das Handy zu vibrieren. Nag rief mich an! Vielleicht erkannte ich ja seine Stimme. Aufgeregt nahm ich den Anruf an, wurde jedoch enttäuscht. Nags Stimme war lediglich durch einen Stimmverzerrer zu hören und somit nicht zu erkennen.
„Malina, hörst du mich?"
„Klar und deutlich."
„Du klingst enttäuscht. Hast du etwa gedacht, ich würde keine Vorsichtsmaßnahmen treffen?"
Sein spöttischer Tonfall ließ mich schmunzeln.
„Vielleicht. Ein bisschen."
„Na immerhin lächelst du wieder. Das steht dir viel besser."
Ich verdrehte die Augen.
„Was soll das werden? Versuchst du zu flirten?"
„Ähm... Vielleicht sollten wir uns auf den Plan konzentrieren."
Ich hätte in diesem Moment zu gerne Nags Gesicht gesehen.
„Gut, wie lautet der Plan?"
„Du wartest vor dem Tor." Ich wollte etwas tippen, da kam eine weitere Nachricht.
„Und lass mich aussprechen, bevor du widersprichst." Ich musste grinsen, wartete aber.
„Ich schleiche mich durch die Lüftungsschächte ins Innere des Gefängnisses. Von dort aus starte ich ein Ablenkungsmanöver. Ich finde heraus, wo Anna ist und öffne für dich verschlossene Türen und finde Codes raus und so weiter. Also ich tue alles, was dir aus dem Inneren behilflich sein kann. Kannst du dich verteidigen?"
„Solange die Waffe ein Schwert ist."
„Sehr gut. Jetzt kannst du allen beweisen, was du draufhast."
„Nur zu gern. Aber woher weiß ich, wohin ich gehen muss und wann du soweit bist?"
„Rechts von dir müsstest du ein Haus sehen. Vor dem Fenster ist ein kleines Blumenbeet und darin liegt ein Headset. Darüber können wir in Kontakt bleiben. Funk mich an, wenn du es gefunden hast."

Damit legte er auf. Seufzend steckte ich das Handy weg und suchte nach dem Headset. Es war da, wo Nag gesagt hatte, dass es sein sollte. Es saß gut und fiel auch nicht runter, wenn ich mich mal hektischer bewegte. Um mit Nag zu kommunizieren, musste ich einen kleinen Knopf betätigen.
„Nag?"
„Sehr gut, du hast das Headset gefunden." Wieder war seine Stimme nur verzerrt zu hören.
„Habe ich. Wie weit bist du?"
„Ich bin schon drinnen. Du musst aber noch einen Moment warten, bis ich im Kontrollzentrum bin. Ich melde mich."
„Okay, bis gleich."

Ohne Nag fühlte ich mich plötzlich wieder seltsam allein und spürte die Nervosität stärker als zuvor. Ich hasste es, dass ich gerade nichts tun konnte. Die Zeit schien überhaupt nicht zu vergehen. Ich hoffte, dass Nag nicht erwischt wurde und dass es Anna und Aria gut ging. Bald konnte ich sie endlich befreien. Und dann würden wir hier schnellstmöglich verschwinden. Ich hoffte so sehr, dass alles gut ging.

Dann – endlich – kam die Erlösung. Nag meldete sich wieder. „Malina, ich bin jetzt drin. Aber wir müssen uns jetzt beeilen. Vorerst habe ich die Wachen hier außer Gefecht gesetzt, aber wenn sie entdeckt werden, könnte es ungemütlich werden."
„Schon klar. Weißt du mittlerweile, wo Anna und Aria sind?"
„Ja, in den Datenbanken sind alle Informationen, die wir brauchen. Ich vermute allerdings, dass du mit den Zellennummern ebenso wenig anfangen kannst, wie ich."
„Stimmt. Und hast du eine Idee, wie wir die richtige Zelle finden?"
„Ja, denn glücklicherweise gibt es hier einen Grundriss. Ich denke, ich weiß auch schon, welchen Weg du nehmen musst. Ich führe dich. Und wenn es Probleme gibt, kannst du mir sofort Bescheid geben."
„Gut. Was muss ich zuerst tun?"
„Also, es gibt vier Wachen, die die ganze Zeit um das Gefängnis herumlaufen und patrouillieren. Für einen kurzen Zeitpunkt sind sie alle außer Sichtweite und du kannst unbemerkt hineinkommen. Dazu musst du erst zum Tor gehen."
Ich tat, was er sagte. Versteckt beobachtete ich, wie tatsächlich eine Wache am Tor vorbeilief.
„Okay, ich sehe das Tor."
„Sag Bescheid, wenn die Wachen weg sind, dann öffne ich dir."
Es war ein großes metallenes Tor, das bedrohlich vor mir aufragte. Ich musste schlucken. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Doch ein Rückzieher kam für mich nicht infrage. Nag hatte sich meinetwegen schon in Gefahr begeben, jetzt mussten wir das auch durchziehen.
„Sie sind weg!", flüsterte ich ins Headset und beobachtete dann, wie das Tor aufging. Schnell schlüpfte ich hinein. Drinnen lief ich direkt in eine Wache.
„Wer bist du denn? Was willst du hier?" Bedrohlich kam der Mann auf mich zu.
Für einen Moment war ich wie erstarrt. Dann fasste ich mich wieder, zog mein Schwert und schlug dem Mann mit dem Griff ins Gesicht. Dieser war zu überrascht, um zu reagieren, so traf mein Schlag ihn mit voller Wucht und er sackte ohnmächtig zu Boden. Doch ich bezweifelte, dass das die ganze Zeit so leicht sein würde.
„Nicht schlecht, ich bin beeindruck." Ich konnte Nag förmlich grinsen hören.
„Woher weißt du..." Dann fiel mein Blick auf eine Überwachungskamera.
„Schaffst du es, den Kerl ein wenig an die Seite zu ziehen? Er sollte nicht direkt auffallen."
„Selbstverständlich schaffe ich das. Es wird Zeit, meinem Vater eine Lektion zu erteilen!"

Malina und AnnaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt