73. Finale

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Der Geruch von Waffeln und heißer Schokolade weckte mich. Ich setzte mich auf. Raila brachte gerade ein Tablett zu meinem Bett. „Das hat gerade ein Dienstbote vorbeigebracht."
Ich lächelte. Erst jetzt merkte ich, wie mein Magen knurrte. „Es muss schon Ewigkeiten her sein, seit ich das letzte Mal richtig etwas gegessen habe!"
Raila stellte das Tablett ab. „Dann lass es dir schmecken! Mein Frühstück ist noch da drüben. Ich komme gleich zu dir."
Ich entdeckte den Essenswagen, den der Dienstbote gebracht hatte. Zwei weitere Tabletts standen darauf, doch vermutlich würden sie genauso zurückgehen, wie sie waren, da weder Calina noch Caleb etwas essen würden.
Raila setzte sich mit ihrem Frühstück zu mir. „Wie geht es dir?"
Ich biss genüsslich in meine Waffel und trank einen Schluck von meiner heißen Schokolade. „Jetzt definitiv besser!"
Raila lachte. „Das freut mich zu hören. Hast du schon Pläne für heute?"
Ich schüttelte den Kopf. „Nach dem Frühstück muss ich mich bei Lucas verstecken. Aber sonst... es ist seltsam, weder Caleb noch Anna um mich herum zu haben."
„Wo ist dein Freundin denn?"
„Sie besucht momentan ihre Eltern. Aber eigentlich sollte sie bald zurückkommen. Ich muss nochmal nachgucken, an welchem Tag genau."
„Falls dir später danach ist, können wir nochmal Karten spielen oder so. Aber genieß die Ruhe und entspann dich ein bisschen von dem Stress der letzten Tage."
Ich nickte. „Es ist endlich vorbei." Ich fühlte mich auf einmal unglaublich leicht. Es war wieder sicher. Alles würde gut werden.

Nach dem Frühstück machte ich mich auf den Weg zu Lucas. Ich begegnete ihm bereits auf den Flur. „Lucas, ich habe dich gesucht."
Er schien in Eile zu sein. „Was gibt es denn?", fragte er, weiterhin auf dem Weg zu seinem Zimmer.
„Ich wollte mich noch einmal für gestern bedanken. Und ich muss mich entschuldigen. Ich habe dich dieser furchtbaren Dinge beschuldigt, dabei warst du unschuldig. Es tut mir wirklich leid."
„Vergessen und vergeben. Wenn du mich entschuldigst, ich habe wirklich noch einige Dinge zu erledigen."
Wir waren fast an seinem Zimmer angekommen, als ich plötzlich einen erstickten Schrei hörte. „Was war das?" Mein Herz schlug wieder rasend schnell. Ohne nachzudenken, stürmte ich in Lucas' Zimmer.
Dort saß Anna. Sie war gefesselt. Und neben ihr stand Karla. Lucas betrat den Raum hinter mir und verschloss die Tür.
„Was ist hier los?" Ich wusste nicht, zu wem ich gucken sollte. „Karla, was machst du hier. Lucas, was geht hier vor?"
Lucas seufzte. „Das hättest du nicht sehen sollen."
Ich sah zu Anna. Ihre Augen waren geschlossen. „Was habt ihr mit ihr gemacht?"
„Sie schläft nur, keine Sorge", sagte Karla.
Ich versuchte, nur einen klaren Gedanken zu fassen. Was war los? Dann fiel mir ein, was Raila gesagt hatte. Emilys Mutter hatte Lucas beschuldigt. Hatte sie doch recht? Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. „Es war alles ein genialer Plan. Du hast mit Emilys Mutter zusammengearbeitet und sie dann verraten, um selbst als Held daraus hervorzugehen."
„Naja, ich habe nicht ganz mit ihr zusammengearbeitet. Seit der Sache mit Emily ist sie nicht ganz so gut auf mich zu sprechen. Aber als Bruder des Bösen hat es für diese Sache gereicht. Und es hat fast funktioniert. Hätte dieser dämliche Junge dich nicht gefunden, wärst du schon tot."
„Emilys Mutter wollte mich nicht töten. Du hast ihre Taten genutzt, um mich zu töten. Du hast es genutzt, um mich als verrückt darzustellen und dann meinen Selbstmord zu stellen. Das war sie wirklich nicht."
„Du hast es erraten!" Er lachte sein Lachen, dass mir bis ins Mark drang.
„Aber wieso? Haben du und Cameron die ganze Zeit zusammengearbeitet? Was ist dein Motiv? Macht?"
Sein Lachen wurde nur noch lauter. „Zusammenarbeit kann man es auch nennen. Weißt du, mein Bruder Cameron und ich waren schon immer verschieden. Er ist jünger als ich, nur ein paar Minuten, aber er ist jünger. Er ist so ein herzensguter Mensch. Aber er ist naiv und dumm; er ist ein Schwächling!
Und dann eines Tages bringt er diese unglaubliche Frau nach Hause. Und du glaubst nicht, was er mir erzählt. Sie sei eine Prinzessin und er würde sie heiraten! Ich wollte es nicht glauben, bis ich UEC mit eigenen Augen gesehen habe. Die beiden waren ekelhaft verliebt und alles." Er verzog sein Gesicht. „Dabei hatte ich seine Stelle verdient! Ich bin der Ältere! Ich habe es verdient, Regent zu sein! Aber er wollte nicht auf mich hören.
Dieser Idiot. Aber ich musste handeln. Er hat mir vertraut. Und er hat nicht kommen sehen, dass ich ihn gefangen nehmen und seine Identität annehmen würde. Wann immer ich ihn brauchte, seine DNA, wie für deinen Vaterschaftstest, dann konnte ich es mir einfach nehmen. Zu spät habe ich damals erfahren, dass deine Mutter schwanger war. Naja, den Rest der Geschichte kennst du ja schon.
Aber da du keine Gelegenheit mehr haben wirst, deinen lieben Vater zu befreien, wird er auf ewig unschuldig im Gefängnis versauern!" Er lachte.
Ich fühlte mich, als hätte man mir schon wieder den Boden unter den Füßen weggerissen. Und ich befand mich im freien Fall. „Du warst es die ganze Zeit? Wie konnte das keiner bemerken?"
„Du hast es doch auch nicht bemerkt. Ich war schon immer ein guter Schauspieler." Er grinste gehässig. „Noch irgendwelche Fragen?"
Ich musste etwas finden, Zeit schinden. „Was hat Karla mit der Sache zu tun?"
„Du erinnerst dich an mich." Sie zog ein Feuerzeug aus ihrer Tasche und zündete eine Zigarette an.
„Du warst auf der Party."
Sie nickte. Dann sah sie zu Lucas. „Ich weiß nicht, ob es schlau ist, ihr den ganzen Plan zu erzählen. Bösewichte in Filmen kommen niemals damit durch."
Lucas verdrehte die Augen. „Wo bleibt denn sonst der Spaß? Es ist viel unterhaltsamer, wenn sie weiß, was kommt, es allerdings nicht verhindern kann."
„Und was ist mit Alicia?", fragte ich.
„Alicia ist meine leibliche Tochter. Sie ist deine Cousine. Ihr Mutter ist bei der Geburt gestorben." Tatsächlich spielgelte sich etwas wie Trauer in seinem Gesicht wider. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Lucas zu etwas wie Liebe fähig war. „Genug geredet. Lass es uns endlich hinter uns bringen."
„Und was hast du vor? Mich umbringen?"
Lucas lachte. „Nein, das wäre zu nett für dich. Ich werde aufpassen, dass du nicht stirbst. Und dann werde ich dich den Rest deines kurzen Lebens quälen. Da werden mir schon einige Dinge einfallen."
„Und du glaubst, ich werde mich dir einfach so ergeben?" Wut brodelte in mir hoch. Ich würde mich nicht so einfach festnehmen lassen!
„Nein, das tue ich nicht. Ich fordere dich zu einem Duell heraus!"

Er zog zwei Degen aus dem Nichts herbei und reichte mir einen. Kaum hatte ich ihn in der Hand, ging Lucas auf mich los. Er war viel stärker als ich und seine Angriffe schwer. Schnell drängte er mich zurück. Ich konnte seinen Angriffen zwar ausweichen oder sie abwehren, aber ich hatte kaum Platz zum Gehen.
Ich sah mich in dem Zimmer um, ob es einen Fluchtweg gab. Mein Blick fiel auf einen Balkon. Wieder sauste Lucas Degen auf mich nieder, doch ich rollte mich zur Seite weg und rannte zum Balkon. Er führte aufs Dach. Vielleicht konnte ich dort irgendwo Hilfe holen.
Ohne zu zögern sprang ich über das Geländer auf das Dach. Doch ich hatte mich getäuscht. Unter mir schwebte nun der Abgrund, doch nirgends gab es einen Fluchtweg. Ich war in der Falle.
Lachend sprang auch Lucas auf das Dach. „Das war ein Fehler, meine Liebe."
Hier hatte ich noch weniger Platz zum Ausweichen. Ein falscher Schritt und ich landete im Nichts. Viel zu schnell war Lucas wieder bei mir und attackierte mich. Ich wich ihm aus, so gut ich konnte, doch meine Kraft ließ nach. Glücklicherweise auch seine Ausdauer. Doch wenn es so weiter ging, war ich schneller erschöpft als er.
Ich beobachtete seine Bewegungen und konnte langsam ein Muster erkennen. Doch das half mir nicht. Ich brauchte seine Schwachstelle. Wieder schlug Lucas zu. Es war mehr Kraft in seinem Schlag, als ich erwartete. Kurz taumelte ich und versuchte, mein Gleichgewicht wiederzubekommen. Den Moment nutzte Lucas. Ich wollte ausweichen, doch er erwischte mich und hinterließ einen sauberen Schnitt an meinem Arm.
Ich schrie auf. Doch ich hatte auch mein Gleichgewicht wiedergefunden und wehrte seine nächsten Angriffe ab. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich konnte Adrenalin durch meinen Körper fließen fühlen. Ich würde nicht aufgeben! Mein Arm brannte, doch nun setzte auch ich zum Angriff an.
Lucas schien mich mit Leichtigkeit abzuwehren. Ich merkte, wie ich panischer wurde. Lucas erwischte mich wieder. Und je länger der Kampf andauerte, desto unvorsichtiger wurde ich und desto öfter erwischte er mich. Ich war kurz vor dem Verzweifeln, als Lucas einen Fehler machte. Er rutschte mit einem Fuß weg und verlor den Halt, was es mir erlaubte, ihm sein Schwert aus der Hand zu schlagen.
Er hob die Hände. „Ich hab gewonnen!", rief ich.
Lucas grinste. Langsam ließ er seine Hände wieder sinken und kam auf mich zu. Ich wusste nicht wieso, doch ich wich zurück.
„Du wirst mir nichts tun. Zudem habe ich noch eine kleine Überraschung für dich." Plötzlich zog er eine Pistole aus seinem Hosenbund. „Leg den Degen weg, Malina."
„Das ist nicht fair!", rief ich und ließ den Degen sinken. Tränen schossen mir in die Augen, doch ich kämpfte dagegen an. Ich würde nicht vor Lucas weinen!
Lucas lachte. „Wann lernst du es endlich? Bösewichte kämpfen nicht fair. Die Welt ist nicht fair! Tut mir leid, falls ich da deine rosaroten Kindheitsträume zerstören muss. Und jetzt wirf den Degen weg."
Ich biss die Zähne aufeinander und tat, was er verlangte.
„Und jetzt kommst du mit mir."
Plötzlich stand Anna hinter Lucas. Sie versetzte ihm einen Stoß. Es reichte, um ihn ins Wanken zu bringen, doch er fand sein Gleichgewicht schnell wieder und ging wütend auf sie zu. „Du!"
Sein Rücken versperrte mir die Sicht. Plötzlich fiel ein Schuss. Ich rannte auf Anna und Lucas zu. Mein Herz schlug schmerzhaft in meiner Brust. War Anna verletzt? Lucas taumelte. Er verlor den Halt. War er getroffen worden? Ich spürte etwas an meinem Fuß und plötzlich rutschte ich das Dach herunter.
Der Griff um meinen Knöchel löste sich wieder, doch ich rutschte weiterhin unaufhaltbar auf den Abgrund zu. Ich versuchte zu stoppen. Es brachte nichts. Ich versuchte, mich an etwas festzuhalten. Plötzlich schwebte ich. Nein, ich fiel. Ich bekam etwas zu greifen.
Unter mir war der Abgrund. Ich hielt mich an der Dachrinne fest. Ich versuchte mich hochzuziehen, doch ich war nicht stark genug. Wo war Anna? War sie okay? Ich sah nach oben, konnte sie aber nicht finden.
Plötzlich war Karla da. Sie stand direkt vor mir. „Bitte", hauchte ich. „Hilf mir hoch!"
Doch sie lachte nur.
„Was habe ich dir getan?"
„Du bist eine Gefahr für meine Heimat." Verächtlich sah sie auf mich herab. Dann trat sie auf meine Finger.

Ich fiel. Es schien mir wie eine Unendlichkeit. Ich würde sterben. Das war das Ende. Für einen letzten Moment war ich schwerelos. Ich schloss die Augen. Ich stieß auf Widerstand. Doch ich war nicht tot. Jemand hatte mich aufgefangen. Das war unmöglich. Vorsichtig öffnete ich die Augen.
Ich sah in Railas Gesicht. Wir waren nicht mehr auf dem Boden. Wir flogen. Das war unmöglich. Ich sah sie einfach nur an, konnte nichts sagen, nichts tun.
„Das bleibt unser kleines Geheimnis, ja?", flüsterte sie. Plötzlich wurde alles schwarz.

Malina und AnnaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt